Dieses Jahr wurden christliche Institutionen angeprangert, weil Christen ein freiwilliges Lehrergebet organisierten. Es ist Tatsache, dass immer weniger Menschen in der Schweiz zur christlichen Kirche stehen. Eine Stellungnahme von Freikichen.ch.
Kirche und Staat
sind in der Schweiz grundsätzlich getrennt. Dies obwohl es mit den
Reformierten, Katholiken und Christkatholiken drei offizielle, vom Staat
anerkannte Kirchen gibt, die zum Beispiel auch Steuern von Unternehmen
erhalten. Die Freikirchen leben die Trennung von Kirche und Staat vor: Die Teilnahme,
das Mittragen und die finanzielle Unterstützung erfolgen freiwillig. Trotz
dieser staatsunabhängigen Finanzierungsgrundlage scheinen Aktivitäten von
Werken oder Freikirchen oftmals unter Generalverdacht zu stehen.
Mediensturm um Sexualkunde des SWK
So gerieten
die Freikirchen dieses Jahr bereits zweimal in einen heftigen Mediensturm: Ein
Zeitungsartikel prangerte mit der Schlagzeile «Wie Evangelikale die Sexualkunde
an Schweizer Schulen unterwandern» (watson.ch am 12.09.2022 und AZ am
13.09.2022) ein Schulen betreffendes Thema an. Im Artikel wird dem Schweizerischen
Weissen Kreuz (SWK) an mehreren Stellen das Prädikat «religiös» (6x) und «evangelikal»
(3x) zugeschrieben. Dabei arbeitet das SWK ökumenischund sowohl in
Kirchgemeinden als auch in Schulen. Die Sexualpädagogen sind teils auch
Mitglied von (nichtchristlichen) Fachzirkeln, in denen der regelmässige
Fachaustausch mit anderen in der Schweiz tätigen Sexualpädagogen stattfindet.
Die kritische Feststellung, dass derzeit keine Überwachungvon sämtlichen
in der Schweiz tätigen sexualpädagogischen Fachkräften und deren Ausbildungsstätten
existiert, stimmt. Eine solche könnten und würden wir allerdings begrüssen, da
sich der Unterricht an unseren Schulen nach den Inhalten des Lehrplans 21
richtet.
Angriff auf freiwilliges Lehrergebet
Ein weiterer
Angriff betraf das Beten an der Schule. Auf Antrag einer Lehrperson hatte der
Kreisschulvorstand (KSV) Safenwil-Walterswil über die Frage zu entscheiden, ob
ein freiwilliges Lehrergebet – ausserhalb von Arbeitszeit und Unterricht – in
den Räumlichkeiten der Schule stattfinden dürfe. Nach eingehender Diskussion
entschied der KSV, dass ein solches Gebet an der Kreisschule möglich sei.
Es
wurde keine Geheimnistuerei daraus gemacht. Trotzdem wurde ihnen unter dem
Motto «Wehret den Anfängen» Missionieren an der Schule vorgeworfen und im Namen
der Neutralität gefordert, dass Beten an der Schule verboten wird. Dabei zwingen diese Lehrpersonen niemandem etwas
auf. Solange niemand gezwungen wird zu beten, wen stört's? Gegen die
Lehrpersonen liegen keinerlei Vorwürfe von Seiten der Eltern vor. Was hier offiziell
in der Schule beantragt wurde, darf nicht mit dem Privatleben begründet werden.
Keine
Frage der Neutralität
Möchte man das Beten an der Schule verbieten, dann müssten auch Ayurveda, Shiatsu, Meditationsmusik, Mandalas malen,
Schamanen-Tänze und Yoga verboten werden. Religiöse Neutralität heisst, keine Religion zu bevorzugen.
Dem Beten der Lehrpersonen steht also die Neutralität nicht im Wege. Es muss
nur gleiches Recht für alle (Religionen) geben. Es ist falsch, dass der Glaube
nur im Privaten ausgelebt werden darf. Das wäre gegen die europäische
Menschenrechtskonvention (Art 9): «Jeder Mensch hat Anspruch auf
Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit,
seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine
Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der
Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung
von Riten zu bekunden.»
Neutralität
bedeutet nicht, dass man Dinge verbietet, sondern dass man unterschiedliche
Meinungen wertungsfrei akzeptiert. Die Schweiz wurde von vielen
Klosterschulen geprägt. «Ora et
labora» (bete und arbeite) ist ein Motto, das sich auf die Tradition des Ordens
der Benediktiner bezieht. Die westliche Kultur ist damit gut gefahren. Wenn man konsequent sein will, müsste man sonst
auch Weihnachten, Ostern und Pfingsten abschaffen.
Keine Frage der
Macht
Es geht bei der Gesellschaftsrelevanz der
Freikirchen nicht um strukturelle (politische) Macht in der Gesellschaft. Da
sind die weissen Evangelikalen in den USA ein schlechtes Vorbild: 2020 wählten
76 Prozent von ihnen Donald Trump, weil sie ihn als von Gott
gesandt betrachteten. Sie wollten mit der Gottesherrschaft irdische Macht
über die Gesellschaft erlangen. Das Ansinnen geriet spätestens nach dem Sturm
aufs Kapitol im Januar 2021 in komplette Schieflage.
Jesus hat nie einen
Machtanspruch gestellt, doch er hat die Mächtigen seiner Gesellschaft bis tief
ins Mark provoziert und zum Nachdenken gebracht. Jesus war der grösste Mann der
Geschichte. Er hatte keine Diener, doch man nannte ihn Meister. Er hatte kein
Diplom, doch sie nannten ihn Lehrer. Er hatte keine Medikamente, und doch
nannte man ihn Heiler. Er hatte keine Armee, doch Könige fürchteten ihn. Er
gewann keine militärischen Schlachten, doch er eroberte die Welt.
Demokratische Übereinstimmung im Staat
Der Staat hat sich in
der Pandemiephase zu einer Grösse entwickelt, die in persönliches und gemeindliches
Leben eingreift. Dass der Staat so kollektiv ins persönliche Leben und das der
Freikirchen eingreift, um verletzliche Menschen zu schützen, das war
ausserordentlich neu und schwierig. Um eine demokratische Übereinstimmung in
einem Staat zu gewinnen, benötigt ein Staat gemäss einer Theorie drei
Voraussetzungen:
eine gewisse Balance zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien
die Erfahrung von Stabilität und Sicherheit
allgemein ein Klima des Vertrauens.
Die letzten beiden Punkte wurden in der Pandemie angeknackst. Wie können
Freikirchen in einer so angespannten Situation den Inhalt von Römer, Kapitel 13, Vers 1 –
«Jeder soll sich den Behörden und Amtsträgern des Staates unterordnen.» –
leben? Gemäss biblischer Ordnung hat der Staat den Auftrag, das Chaos in dieser
Welt zu bändigen und einen Rahmen zu geben, in dem seine Bürger geschützt sind
und ihr Umfeld selbst gestalten können. Das «Obrigkeit-Sein des Staates» ist
nicht moralisch, sondern ausschliesslich als von Gott her verliehene Würde zu
verstehen. Es spielt also für Christen eine untergeordnete Rolle, ob der Staat
immer korrekt entscheidet.
Entscheidend ist, ob der Staat über Heil oder
Unheil entscheiden will. Der Staat hatte in der Pandemiezeit die äussere
Ordnung durch die Schutzmassnahmen zu gewährleisten. Und auch jetzt, in Zeiten
von Energieknappheit, versucht er Hilfestellungen zu geben. Es braucht jedoch
keine Mikroverfügungen des Bundesrates, wie sparsam geduscht oder gekocht
werden soll. Mittels Referenden, Initiativen und auch Abstimmungen können sich
alle Stimmberechtigten an der Führung des Staates beteiligen und allenfalls
auch Grenzen setzen.
Auch Christen sind auf Ordnungen angewiesen. Ich habe mich
dafür entschieden, innerhalb dieser Ordnungen zu arbeiten. Ich will
mitgestalten und die Massstäbe des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung gemäss 1. Korinther, Kapitel 13 in sie hineintragen. Zwei Punkte der Mitgestaltung drängen sich
vor allem auf: Genau in einem Jahr
finden wieder Parlamentswahlen statt. Christen im Parlament sind wichtige
Träger der Hoffnungsbotschaft in der politischen Gestaltung der Schweiz.
Anglikanische Kirche als Vorbild
Spannend ist die Initiative der Anglikanischen Kirche in England: Sie
lanciert mit «Cultural Witness» ein Programm mit dem Ziel, dass christliche
Inhalte im Kontext der gesellschaftlichen Diskussion wieder relevant werden
können. Sie hat dafür extra Bischof Graham Tomlin beauftragt. Er hat die
Aufgabe, die «Würdigung des Glaubens in einem breiteren öffentlichen Diskurs
mit dem Aufbau von Vertrauen in die theologische und intellektuelle Festigkeit
des Glaubens unter Laienchristen» zu fördern. Er soll die Kirche in die Lage
versetzen, in diesen herausfordernden Zeiten ein lebendiges Zeugnis zu bewahren
und zu entwickeln. Die Anglikanische Kirche ist überzeugt: «Die Verwirklichung
all dieser Bestrebungen erfordert einen ernsthaften Versuch, die christliche
Geschichte in der Öffentlichkeit offensiver zu erzählen und diesen Glauben in
unserem gegenwärtigen Klima intelligent und fantasievoll zu verteidigen und zu
verkünden.» Sie weiss: Die öffentlichen Medien hören der Kirche noch zu, wenn
sie sich zu politischen Themen äussert oder sich für soziale Belange einsetzt.
Doch ist es schwieriger geworden, im öffentlichen Diskurs dem Kern der
kirchlichen Botschaft Gehör zu verschaffen, die sich auf Jesus Christus und die
kreative, fantasievolle kulturgestaltende Kraft des christlichen Evangeliums
konzentriert.
Meghan und Harry sorgten mit einer «Netflix»-Doku für mächtig Wirbel. Die Autorin und «Woman Alive»-Chefredaktorin Tola Doll Fisher machte sich dazu...