Nicht spannungslos

Das Verhältnis von Kirchenbund und Freikirchenverband

In der Zürcher reformierten Kirchensynode legten am Dienstag führende Vertreter des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK) seine Prägung und Stossrichtung dar. Pfr. Thomas Wipf, der SEK-Ratspräsident, und der für die Aussenbeziehungen zuständige Pfr. Dr. Gottfried Locher erläuterten, wie sich der Kirchenbund versteht und wie er zwischen den reformierten Ortsgemeinden und Kantonalkirchen und den anderen Kirchen im In- und Ausland agiert ( Vortrag von G. Locher ). Auf eine Frage aus der Synode nahm Thomas Wipf auch Stellung zur Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Kirchenbund und den Deutschschweizer Freikirchen. Das Statement im Wortlaut:


Der Kirchenbund trifft sich zweimal jährlich zu intensiven Gesprächen mit der Leitung des Verbandes Evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz (VFG) und der Schweizerischen Evangelischen Allianz und separat mit einem Zusammenschluss von freikirchlichen Gemeinden in der Romandie.

Wir informieren einander über aktuelle Entwickungen. In letzter Zeit sind auch oft theologische Themen besprochen worden – kontrovers. Am nächsten Gespräch mit dem VFG und der Allianz in drei Wochen geht es beispielsweise um Chancen und Grenzen des interreligiösen Dialogs.

Die Schweizerische Evangelische Allianz ist kein Zusammenschluss von Kirchen oder Gemeinden, sondern eine Bewegung evangelikaler Christen aus Freikirchen und Landeskirchen. Der VFG ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher Freikirchen und Gemeinschaften und in sich sehr heterogen.

Während der Zeit der expo.02, im Verein der Schweizer Kirchen an der expo, konnten wir dank dem damaligen Präsidenten sehr gut mit dem VFG zusammenarbeiten. Seit einiger Zeit spüren wir das Bemühen des VFG, sich als dritte konfessionelle Kraft neben dem SEK und der Schweizer Bischofskonferenz zu positionieren.

Wir bedauern dies, da viele Freikirchen innerhalb des VFG mit uns Landeskirchen die reformatorischen Wurzeln und Überzeugungen teilen. Dies betrifft vor allem die Evangelisch-Methodistische Kirche, die ja sowohl im SEK wie im VFG Mitglied ist; es betrifft aber auch andere Freikirchen innerhalb des VFG, die uns nahe stehen: die Heilsarmee, die Baptisten, die Mennoniten, die Täufergemeinden. Mit einigen von ihnen arbeiten wir in der Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen eng zusammen.

Auch mit den Freien Evangelischen Gemeinden, den Freien Missionsgemeinden und der Chrischona gibt es – ausser der Ökumene mit der Römisch-Katholischen Kirche, die dort abgelehnt wird – einiges Gemeinsames. Wir sehen im Moment wenig Interesse an einer Zusammenarbeit auf Seiten der charismatisch geprägten Kirchen oder der Pfingstgemeinden.

Wir werden in Zukunft in den innerevangelischen Dialogen wohl stärker unterscheiden müssen zwischen eher diplomatischen Kirchenbeziehungen und theologisch tieferen innerevangelischen Gesprächen. Das Letztere können wir aber wohl nicht mit dem ganzen VFG realisieren, sondern wir müssen vermehrt auf die Kirchen und Konfessionsfamilien innerhalb des VFG zugehen.

Livenet hat das Statement von Pfr. Thomas Wipf dem seit Anfang Jahr amtierenden VFG-Präsidenten Max Schläpfer, Pastor der Pfingstgemeinde in Bern, und Heinrich Bolleter, dem Bischof der Evangelisch-Methodistischen Kirche, vorgelegt.

Max Schläpfer, Präsident des Freikirchenverbands: ‚Weitgehende geistliche Einheit’

Das Bestehen des VFG - dessen Gründung immerhin in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgeht - beweist, dass die Freikirchen eine eigene Identität haben. Trotz den gemeinsamen Wurzeln in der Reformation gibt es substantielle Unterschiede zwischen Freikirchen und Landeskirchen. Für den VFG ist es ein Gebot der Ehrlichkeit, zu diesen Unterschieden zu stehen. Ein echter Dialog ist erst dann möglich, wenn die eigenen Positionen klar sind.

Die Verbandsstruktur ist heterogen, doch besteht eine weitgehende geistliche Einheit unter den Mitgliedern gerade in solchen Fragen, die vom SEK als kontrovers bezeichnet werden. Diese innere Einheit des VFG ist in den vergangenen Jahren erfreulicherweise eher gewachsen. Dadurch entstand auch der Gedanke der ‚dritten Kraft’, durch die die Stimme der Freikirchen vertreten wird - ein durchaus legitimer Anspruch. Der VFG sieht sich als freikirchlicher Gesprächspartner für andere Organisationen und für die Behörden. Bei diesem Verständnis verlaufen die Gespräche mit dem SEK spannend, aber zugegebenermassen nicht immer spannungsfrei.

EMK-Bischof Heinrich Bolleter: ‚Interessengemeinschaft von Freikirchen verschiedenster Prägung’

Die Aussagen von Pfr. Wipf zum VFG sind für mich nachvollziehbar. Es bleibt eine Tatsache, dass der VFG keine Denomination oder Konfessionsfamilie ist. Deshalb kann er sich auch nicht ernsthaft als "dritte Kraft" im Umfeld der Schweizer Kirchen bezeichnen. Ich würde den VFG eher als eine Interessengemeinschaft von Freikirchen verschiedenster Prägung bezeichnen.

Was sie eint ist das freikirchliche Kirchenkonzept und der gemeinsame Wille zur Evangelisation. Zum gemeinsamen Handeln jedoch braucht es im VFG stets die Rückkoppelung zu den einzelnen Verbänden und ihren Entscheidungsträgern. In einzelnen Anliegen können die Interessenlagen doch recht unterschiedlich sein. Wir wollen als EMK unseren Platz in dieser Interessengemeinschaft bewusst wahrnehmen.

Die EMK ist andererseits über die Mitgliedschaft im SEK mit den reformierten Kirchen verbunden und darüber hinaus arbeiten wir auch auf der Ebene der Leuenberger Konkordie zusammen. Die Leuenberger Kirchengemeinschaft, welche sich neu "Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa" nennt, umfasst die reformierten, lutherischen und methodistischen Kirchen in Europa. Es finden auch Gespräche mit den Baptisten und weiteren Beitrittskandidaten statt.

Datum: 28.11.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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