Spiritualität

Zugangswege zu Gott Entdecken

Wir alle dienen Gott ein wenig anders und haben ganz individuelle Zugangswege zu ihm. Jeder hat  bestimmte Wege, auf denen er Jesus am besten begegnen und an ihm dranbleiben kann. Wir sind nicht alle gleich – und brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn unser Zugangsweg, unser «Pfad» zu Gott vielleicht ganz anders aussieht, als der eines anderen. Ich möchte sieben verschiedene Zugangswege zu Gott aufzeigen:

Viele Menschen haben einen beziehungsorientierten Zugang zu Gott. Wenn dieser Typ Mensch versucht, die Beziehung zu Gott aufzubauen, indem er häufig alleine Zeit mit ihm verbringt, dann klappt das wahrscheinlich nicht so gut. Für ihn ist es nicht so produktiv und erfrischend, viel Zeit alleine mit Gott im Gebet oder beim Lesen der Bibel zu verbringen. Diese Menschen finden den Zugang zu Gott eher in der Beziehung zu anderen. Meine Tochter Shawna ist so ein Beziehungstyp. Zusammen mit ihren Freundinnen anzubeten, zu beten und die Bibel zu studieren ist für Shawna ein optimaler Zugang. Auch der intellektuelle Zugangsweg zu Gott spricht viele an. Einige Menschen werden nie eine enge Beziehung zu Gott aufbauen, wenn ihr  Geist nicht herausgefordert wird. Sie müssen Material studieren, das sie theologisch herausfordert und ihr Glaube wird durch alles, was im Kopf abläuft erweitert und ausgebaut. Kuschelige Bibelarbeitsgruppen sind nicht das Richtige für sie. Die Zeugnisse und Erfahrungen anderer reichen ihnen nicht aus, um wirklich in ihrem Glauben vorwärts zu kommen und ihre Nähe zu Gott zu vertiefen.

Dienen, Kontemplation und Aktion

Ein weiterer «Pfad» ist der dienende Zugang. Manche Menschen würden von sich sagen, dass sie sich Gott am nächsten fühlen, wenn sie spüren, dass er sie als Werkzeug gebraucht. Ein Freund aus unserer Gemeinde war schon immer sehr engagiert, wohnte aber eine Dreiviertelstunde vom Gemeindehaus entfernt. Er merkte, dass ihm die Mitarbeit in der Gemeinde gut tat und so seine Beziehung zu Gott vertieft wurde. Deshalb beschloss er, in die Nähe der Gemeinde zu ziehen. Seither arbeitet er sehr oft freiwillig mit. Er ist kein Typ, der theologische Abhandlungen liest, er hat einen dienenden Zugang zu Gott und fühlt sich Gott am nächsten, wenn er mitarbeitet.

Eine andere Möglichkeit, Gott zu begegnen, ist der kontemplative Zugangsweg. Greg Ferguson, mein Nachbar und einer unser Musiker, und ich joggen fast täglich miteinander. Greg hat einen kontemplativen Zugang zu Gott. Er achtet sehr sorgfältig darauf, dass ihm genug Zeit zum Lesen, Schreiben und Nachdenken bleibt. Nachmittags um vier laufen wir oft zusammen und unterwegs frage ich ihn dann: «Was lag bei dir heute an?» Er antwortet meist: «Ach, zuerst habe ich einen langen, ruhigen Spaziergang von sechs bis sieben Uhr gemacht. Dann war ich zu Hause, habe Tagebuch geschrieben und gebetet. Dann bin ich in einen Wald gegangen, wo ich ganz allein sein konnte mit Gott. Und danach habe ich an einigen Liedern geschrieben und Ideen für unser Programmteam gesammelt. » Ich reagiere jeden Tag gleich: «Mensch, solche Tage hasse ich!» Greg hingegen kann meine Art von Tagesablauf nicht ausstehen. Trotzdem sind wir sehr gute Freunde. Wir haben einfach nur ganz unterschiedliche Zugangswege zu Gott.

Das Gegenteil vom kontemplativen Zugang zu Gott ist der aktivistische Zugang. Einige Leute fühlen sich Gott sehr nah, wenn sie schnell durchs Leben brausen, wenn sie bis zu den Haarspitzen gefordert werden und nur noch sagen können: «Gott, hilf mir da durch!» Meine Frau hat so jemanden geheiratet...

Vor einigen Monaten standen wir vor der grössten finanziellen Herausforderung unserer ganzen  Gemeindezeit. Diese Zeit war eine der intensivsten meines Lebens – dafür war ich in diesen Monaten Gott ganz nah, da mir das Ganze über den Kopf wuchs. So ernsthaft und dringlich wie in dieser Zeit habe ich schon lange nicht mehr gebetet. Ich war völlig von Gott abhängig und musste mich auf ihn verlassen. Es ist wirklich so: Wenn ich unterfordert bin, dann werde ich gefährlich! Dann schweife ich von Gott ab. Ich habe diesen aktivistischen Zugang zu Gott, ich will herausgefordert werden. Ich brauche einen vollen Kalender und muss durchs Leben brausen. Ich hoffe, Sie sind nicht mit so jemandem verheiratet!

Schöpfung und Anbetung Ein weiterer Zugangsweg zu Gott ist der schöpfungsorientierte Zugang. Hier geht es um Leute, die Gott am leichtesten und intensivsten in der Natur begegnen. Oft sind das Leute, die gerne in der Natur etwas entdecken, die wandern und Sonnenaufgänge bestaunen, sich an Blumen, Blättern und Tieren freuen können und im Kleinen und Grossen Gottes wunderbare  Schöpfungskraft bestaunen. Solche Menschen fühlen sich Gott nahe, wenn sie in der Natur sind und planen ihr Leben meist so, dass diese Dimension der Begegnung mit Gott nicht vernachlässigt wird.

Ein letzter, hier erwähnter, Zugangsweg: Der Zugang zu Gott in der Anbetung. Sie sind vielleicht so ein Typ, der ganz besonders durch Musik angesprochen wird. Ich kenne einen Mann, der sein ganzes Leben auf diesen Zugang zu Gott in der Anbetung ausrichtet. Er hat eine Firma und muss öfter einmal Entscheidungen fällen, bei denen es um richtig viel Geld geht. Wenn dies der Fall ist, tut er folgendes: Er setzt ich in sein Auto, legt eine Anbetungs-CD ein und fährt so lange um den Block, bis der Friede, der höher ist als alle menschliche Vernunft, sein Herz bestimmt. Wenn er merkt, er Ruhe hat und ganz im Reinen mit Gott ist, dann geht er zurück in die Sitzung und trifft eine Entscheidung. Für ihn ist Anbetung der Zugang zu Gott, seinWeg, sich ganz besonders auf ihn auszurichten.

Nicht nach Schema F

Die meisten haben einen dieser eben genannten Zugangswege zu Gott als ihren primären Zugang.  Aber viele haben noch einen zweiten oder sogar einen dritten Weg, die ihnen ebenfalls viel bedeuten. Alle Wege spielen in unserem Leben eine gewisse Rolle – und es gibt da vermutlich für jeden von uns auch noch viel zu entdecken. Aber niemand muss nach Schema F glücklich werden und Gott so begegnen, wie es für seinen Nachbarn am besten ist. Allerdings ist es wichtig, meine persönlichen Zugangswege zu Gott zu entdecken und mein Leben darauf auszurichten. Unser  geistliches Wachstum hängt stark davon ab, ob wir Gott auf die Weise begegnen, die am besten zu uns passt.

Zugleich sollten wir uns immer wieder herausfordern lassen von neuen Wegen – und deswegen die verschiedenen Pfade zu Gott im Blick behalten. Bestimmte Zeiten unseres Lebens fördern oder verlangen auch bestimmte Zugangswege zu Gott. Manchmal ist der kontemplative Weg für uns möglich und richtig – und dann wieder werden wir vielleicht eine Zeit erleben, in der wir Gott durch Aktion begegnen. Kontemplation ist gut – aber wir brauchen auch Beziehungen zu anderen Geschwistern. Auch der Aktivist sollte ab und zu ein theologisches Buch lesen, die Theologen dürfen ruhig ein bisschen über sich hinauswachsen, indem sie Gott in Musik und Liedern anbeten. Unsere persönlichen Wege kennen, unser Leben daran orientieren – und uns auch von den anderen Wegen herausfordern lassen, darin liegt eine gesunde Mischung für unser geistliches Wachstum.

Bill Hybels ist Leiter der Willow Creek Community Church in South Barrington, Illinois (USA)


Autor: Bill Hybels
Quelle: equipped / WillowNetz

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