Keine Fussball-WM der Vergangenheit stand so in der
Kritik wie die in Katar. Am 20. November findet der Anstoss statt – in beiden
Bedeutungen des Wortes. Aus welchen Gründen sind viele Christen dabei? Und aus
welchen verweigern sie sich?
Die letzte Skandalnachricht aus dem kleinen Emirat am
Persischen Golf lautet: «Bier-Streit eskaliert!»
Was für die meisten Fans, gerade die am heimischen Bildschirm, nur eine Nebensache
ist, betrifft aber zum ersten Mal einen der Hauptsponsoren und ist damit
plötzlich ein Finanzfaktor. Im islamischen Katar ist Alkohol zwar nicht völlig
verboten, der Genuss ist aber an eine Altersgrenze von 21 Jahren und eine besondere
Erlaubnis gebunden. Wenige Tage vor WM-Beginn wurden nun Bierverkaufsstände der
sponsernden Grossbrauerei rückgebaut und sollen nun abseits des grossen
Betriebes stehen.
Das Für und Wider in der Diskussion darüber, ob man die
Spiele dieser Fussball-WM anschauen sollte, haben allerdings andere
Schwerpunkte – und werden bei Christinnen und Christen noch um eine geistliche
Komponente erweitert. Was also spricht für bzw. gegen das Anschauen der Spiele?
Pro – Warum viele die WM schauen werden
Der Sport steht im Vordergrund. Natürlich
nehmen an einer Fussballweltmeisterschaft nicht nur demokratische, westlich
orientierte oder christlich geprägte Staaten teil. Politik oder Religion steht
dabei nicht im Vordergrund. Es geht um Sport – in diesem Falle um Fussball, die
«schönste Nebensache der Welt».
Zwischen all den Krisen- und Kriegsnachrichten
wird es richtig wohltuend sein, spannende Fussballspiele zu schauen und am 28.
November mitzufiebern, ob Brasilien eine Chance gegen die Schweizer Nationalelf
hat.
Eine Fussball-WM ist immer auch eine Chance
fürs Evangelium. Das beginnt in unseren Breiten, wo die bekannte «Fussballbibel» von David Kadel
rechtzeitig zur Meisterschaft neu herausgegeben wurde und zum Glauben an Jesus
Christus einlädt. Und es endet noch lange nicht mit den Möglichkeiten zum
Gespräch, die Christen aus aller Welt in Katar haben werden.
Trotzdem ist klar, dass Katar nicht gerade zu
den freien Ländern der Erde zählt, aber gerade der Fokus aufs Land kann dort
Veränderungen bewirken. Ohne die WM wären Menschenrechte und Arbeitsbedingungen
in Katar sicher nie weltweit diskutiert worden.
Contra – Warum viele die WM nicht schauen werden
«Fussball gehört weder in den Winter noch in
die Wüste», behaupten etliche und verweisen damit auf die fehlende
Fussballtradition des Emirats, das dieses Manko offensichtlich durch gekaufte
Fans ausgleichen möchte (die Sportschau berichtete).
Bereits im Vorfeld der WM gingen die
Menschenrechtssituation und völlig unzulängliche Sicherheitsstandards für
Arbeitsmigranten in Katar durch die Presse. 6'500 bis über 15'000 Menschen starben
bei den Bauarbeiten für die WM. Das ist mehr als nur eine Schieflage bei einem
Event, das sonst jede Kleinigkeit nach internationalen Standards regelt. Eine
fünfstellige Zahl an Toten ist für eine WM nicht hinnehmbar.
Freiheit ist in Katar nach westlichen Massstäben
ein Fremdwort: Das beginnt bei fast nicht existenten Frauenrechten und hört bei
einer stark beschränkten Pressefreiheit noch lange nicht auf. Laut «Reporter ohne Grenzen» liegt Katar auf
Rang 119 von 180 weltweit.
Eine freie Glaubensausübung im Land ist nur
möglich, wenn man ein muslimischer Mann ist und das bleiben möchte.
Ausländische Christen im Land werden laut Idea
immer wieder Repressalien ausgesetzt. Einheimische Christen darf es laut Katar
kaum geben. So verwundert es nicht, dass das Land auf dem Weltverfolgungsindex
nach den «führenden» Nationen Afghanistan und Nordkorea Rang 18 bekleidet.
Und nun?
Dürfen Christinnen und Christen die Spiele der WM
anschauen? Natürlich. Wer sollte es ihnen verbieten – sie werden ja sogar
öffentlich ausgestrahlt. Ist es sinnvoll und richtig? Das muss wohl jede und
jeder selbst entscheiden. Tatsächlich gibt es zahlreiche gute Argumente für Pro
und Contra. Keine Seite kann für sich in Anspruch nehmen, dass sie alle
entscheidenden Fakten wüsste und auch auf den Tisch legen kann. Wichtig dabei
ist der respektvolle Umgang mit Menschen, die zu einer anderen Schlussfolgerung
gekommen sind als man selbst.
Auch Organisationen wie Amnesty International tun sich
schwer mit einer eindeutigen Haltung. Tendenziell lehnt Amnesty einen Boykott der WM ab,
um weiterhin Menschenrechtsverletzungen sichtbar machen zu können. Etliche
christliche Organisationen sind hier zurückhaltender: Sie befürchten negative
Folgen für Christen im Land.
Man darf gespannt sein, wie die WM vom 20. November bis 18. Dezember 2022
in Katar verläuft. Neben allem Diskutieren darüber ist das Gebet dafür eine
echte christliche Option.
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