Manche Ethnologen sagen, Christen würden Kulturen anderer Nationen zerstören. Die Wycliffe-Bibelübersetzer beweisen das Gegenteil. Neben der Bibel geben sie Wörterbücher, traditionelle Geschichten und Sprüche aus der einheimischen Kultur heraus. Regierungen und UNESCO würdigen die Arbeit der Organisation.
Etwa 70 Sprachen werden in Burkina Faso gesprochen. Seit den 1970er-Jahren unterstützt der Schweizer Zweig der internationalen Bibelübersetzer «Wycliffe» das Bestreben, die Heilige Schrift in diesen Sprachen zu erarbeiten.
Hannes Wiesmann, Leiter von Wycliffe Schweiz: «Burkina Faso gehört zu den ärmsten Länder der Welt.» Die Burkinabè seien ausserordentlich gastfreundlich, die Nation trage ihren Namen zu recht. Dieser besteht aus zwei Worten in zwei verschiedenen Sprachen, «Burkina» heisst «aufrichtige Menschen» auf Mooré, «Faso» bedeutet «Vaterland» auf Jula, was zusammengefügt denn Sinn «das Vaterhaus der aufrichtigen Menschen» ergibt.
«Die Regierung ist unserer Arbeit gegenüber wohl gesonnen.» Sie erleichtere den Einwohnern den Zugang zur Bildung. «Die Menschen lernen lesen und erkennen, dass die Buchstaben auf dem Papier etwas zu sagen haben. Wenn sie in ihrer Muttersprache lesen lernen, fällt auch der Wechsel in eine andere Sprache leichter.» Die UNESCO anerkennt, dass der Weg in die Bildung einfacher geht, wenn der Einstieg über die Muttersprache erfolgt. Die Wycliffe-Partnerorganisation SIL hat bei der UNESCO offiziellen Beraterstatus.
Kultur wird erhalten
Die Einheimischen würden auch darüber aufgeklärt, dass ihre verschiedenen Sprachen wertvoll sind. Viele Ausbildungen würden auf Französisch oder in regionalen Handelssprachen durchlaufen. «Aber die Menschen verstehen besser in ihrer Muttersprache. Eine Frau hatte in der Messe die Geschichte von Abraham in der Handelssprache gehört, hatte diese Begebenheit jedoch als Märchen empfunden. Erst in ihrer Muttersprache hat sie den Bericht wirklich als wahre Begebenheit erkannt.»
Durch diese Arbeit werde der kulturelle Reichtum eines Volkes festgehalten. «Oft geben wir auch Wörterbücher heraus, traditionelle Geschichten und Sprüche aus der einheimischen Kultur. Ich bin Ethnologe. Meine Berufskollegen sagen oft, Christen würden die Kultur zerstören.» Wycliffe zeigt, dass Mission auch genau das Gegenteil bewirken kann, dass die Kultur sogar gefördert wird.
In verschiedenen Ländern, gerade auch in Burkina Faso, sind es Einheimische, welche die Übersetzungsarbeit fördern. In den 1990er-Jahren wurde ein einheimischer Wycliffe-Zweig namens «ANTBA» gegründet (Association national pour la Traduction de la Bible et Alphabétisation), der gemeinsam mit Partnerorganisationen - in erster Linie mit der SIL - Übersetzungsprojekte in verschiedenen Sprachen vorantreibt.
2038 beginnt letztes Projekt
Vor geraumer Zeit entwickelte Wycliffe die «Vision 2025». Ziel ist, bis ins Jahr 2025 in allen Sprachen, wo eine Bibelübersetzung nötig ist, ein Übersetzungsprojekt wenigstens gestartet zu haben. Hannes Wiesmann: «Wir merkten, dass wir das Ziel nicht erreichen würden, indem wir uns einfach etwas mehr Mühe geben.» Seit 1999 werden vermehrt Einheimische ausgebildet, damit sie selber Übersetzungsprojekte leiten können.
Nicht selten wird die Bibel an einem Ort gleich in mehrere Sprachen transferiert, so etwa in Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas. In Nigeria alleine warten noch beinahe 400 Sprachen auf ein Übersetzungsprojekt. «Durch die Ausbildung von Einheimischen hat das Eröffnen neuer Projekte drastisch zugenommen. Hätten wir im gleichen Tempo weitergemacht wie 1999, wäre die letzte Übersetzung im Jahr 2150 in Angriff genommen worden. Inzwischen sieht es so aus, als könne man im Jahr 2038 mit dem letzten Vorhaben beginnen.»
Auf der ganzen Welt arbeiten einheimische Teams an Bibelübersetzungen.
Bibeln in Gebärdensprache
Wer von klein auf taub ist, dem sage die Schriftsprache wenig. Für solche Menschen sei es, wie wenn viele Zahlen aneinander gereiht seien, sagt Hannes Wiesmann. Auch sei die Gebärdensprache nicht unbedingt an die Landessprache gekoppelt. In Afrika allein vermute man beispielsweise rund fünfzig verschiedene Gebärdensprachen.
«In Kenia wurde nun eine DVD aufgenommen, auf welcher biblische Geschichten in der kenianischen Gebärdensprache wiedergegeben ist, dazu kommt ein Kommentar zur Bibel», berichtet Wiesmann, der das Projekt unlängst besuchte. Wenn jemand die kenianische Gebärdensprache beherrsche, sei es für ihn einfacher, andere Gebärdensprachen zu lernen als zum Beispiel englisch lesen zu lernen. «Von dieser DVD sind mittlerweile 600 Exemplare kostenlos verteilt worden, und womöglich wird die Bibel in Gebärdensprache künftig auch über das Internet zugänglich sein.»
Statistisches:
Weltweit werden 6900 Sprachen gesprochen. In 2479 ist die ganze oder ein Teil der Bibel übersetzt, in 451 Sprachen ist die ganze Bibel erhältlich, in 1185 weiteren das Neue Testament und in 843 wurden Teile der Heiligen Schrift übertragen. Heute sind noch rund 2250 Sprachen übrig, für die noch kein Übersetzungsprojekt gestartet wurde, diese Sprachen werden von etwa 353 Millionen Menschen gesprochen. Inzwischen gibt es weltweit 47 nationale Wycliffe-Organisationen. Die Bibelübersetzer arbeiten eng zusammen mit «SIL International», einst bekannt als «Summer Institute of Linguistics».