Wenn Jugendliche anderen Menschen in Notsituationen helfen, prägt diese Erfahrung ihr Welt- und Selbstbild. Wer sich für andere engagiert, erntet Lebenssinn. Nächstenliebe ist keine Einbahnstrasse.
Zu diesem Schluss kommen Bildungsforscher der Universität Würzburg. Entscheidend sei für Jugendliche dabei das Gefühl, Menschen in Not helfen zu können und aktiv Handelnde zu sein. Viele erweitern ihren Erfahrungshorizont, wenn sie in Gesprächen mit den Betroffenen Neues erlebt haben: Sie erleben den Alltag alter Menschen, spüren Barrieren von Rollstuhlfahrern selbst und denken neu über soziale Gerechtigkeit nach.
Sinn ermöglichen
«Die Art der Tätigkeit ist für Jugendliche wichtiger als die Frage, ob sich das Engagement innerhalb einer gemeinnützigen Organisation abspielt oder nicht», resümiert Studienleiter Heinz Reinders. Wohltätigen Verbänden rät er deshalb, speziell den jugendlichen Helfern ein Sinnerlebnis zu ermöglichen, indem sie sich konkret für das Wohl anderer einsetzen. Das motiviere Jugendliche dazu, auch langfristig ehrenamtlich aktiv zu bleiben.
Findet das Engagement im Rahmen einer Organisation statt, stehen die Chancen gut, dass der Einsatz über längere Zeit andauert. Jene untersuchten Jugendlichen, die in der Kirche aktiv sind, waren meist schon zwei bis drei Jahre aktiv, jene die auf eigene Faust anderen halfen, meist kürzere Zeit. Bestätigen konnten die Forscher auch die Meinung, dass sich Junge eher in Organisationen nützlich machen, während Mädchen mehr den direkten Umgang mit Menschen suchen.
Welt mit anderen Augen sehen
Ein Teil der Jugendlichen waren in ihrem Leben schon ehrenamtlich aktiv. Die meisten von ihnen glauben, dadurch einen wichtigen Beitrag geleistet und Sinn erfahren zu haben, so das Ergebnis. «Besonders deutlich zeigte sich der Zusammenhang bei jenen, die direkt in Kontakt mit denen waren, denen sie geholfen haben: etwa Senioren, Migranten oder Menschen mit Behinderungen», berichtet die Psychologin und Studien-Mitarbeiterin Gabriela. Die Zusammenarbeit mit bedürftigen und benachteiligten Personen beeinflusst das Weltbild Jugendlicher stärker als andere Formen des Engagements.
«Wir sehen an den Ergebnissen ganz deutlich, dass nicht jede Form von ehrenamtlichen Engagement die gleichen positiven Auswirkungen auf die Entwicklung von Jugendlichen hat», erläutert die Psychologin Gabriela Christoph die Befunde. «Die Welt mit den Augen von Bedürftigen zu sehen», nennt sie das.
Lebenssinn erfahren
Schon in den 90er Jahren wiesen Forscher der Universität Michigan nach, dass Personen, die sich freiwillig in irgendeiner Form für andere Menschen engagierten, sich besonders glücklich und wohl fühlten. Das schlägt sich offenbar sogar in unserer Lebenserwartung nieder: Freiwilligen Helfer hatten eine um 40 Prozent höhere Chance auf ein langes Leben als jene Probanden, die sich nicht für andere einsetzten.
Wer den Eindruck hat, es mache sehr wohl einen Unterschied, ob er auf der Welt sei oder nicht, hat für sich selbst eine Antwort auf die dem Menschen eigene Frage nach dem Sinn des Daseins parat – eine ganz wichtige Voraussetzung für dauerhafte Lebenszufriedenheit. Der zentrale Dreh- und Angelpunkt für unser Wohlbefinden ist unser Verhältnis zu anderen Menschen. Liebe, Freundschaft und Anerkennung sind für uns alle genauso wichtig wie die Luft zum Atmen.
Hilfsbereite Menschen können eine erstaunliche Erfahrung machen: Der Einsatz für andere ist immer auch ein Einsatz für sich selbst. Mit dieser Erkenntnis bekommt die Empfehlung von Jesus: «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» eine erweiterte Bedeutung.