Christen versichern immer wieder: «Gott ist Liebe». Aber, ist man
sich überhaupt über die ungeheure Bedeutung dieser Aussage bewusst? Kommt man
nicht ins Grübeln, wenn man eine logische Erklärung darüber abgeben will?
Viele ahnen es. Gottes Liebe muss unendlich sein – aber
wer kann die Unendlichkeit erfassen? Deshalb liegt diese Frage zum Teil
jenseits der Denkmöglichkeiten. Gottes Liebe kann man nicht vollständig
ausloten. Vermutlich deshalb nimmt Gott in der Bibel oft die menschliche
Liebe, besonders das Verhältnis zwischen Mann und Frau, zu Hilfe, um die Liebe
zu verdeutlichen.
Werden meine Gefühle erwidert?
Eines Tages begegnet der junge Mann dem jungen Mädchen
und fühlt sich zu ihr hingezogen. Es ist leichter, diese Anziehung zu erfahren, als
sie zu beschreiben. Der junge Mann wird sich Gedanken darüber machen, auf
welche Weise er um das Mädchen werben will. In diesem Stadium gibt es für ihn
nur eine Frage. Er will so bald wie möglich und vor allen anderen Fragen darauf
eine Antwort finden: Ja oder nein – werden meine Gefühle erwidert?
Werben sollte eine zarte Kunst sein. In dem Augenblick,
wo Gewalt den Platz der liebenden Werbung einnimmt, versiegt die Liebe. Das
kann auch in Beschuldigungen und Leiden enden.
Die Liebe ist ihrem Wesen nach auf gegenseitiges
Verstehen angelegt. Liebe schliesst den absoluten Respekt vor der freiwilligen
Entscheidung des Partners ein. Grundlage ist der freie Willensentschluss von
beiden.
Prinzip bleibt gleich
Wenn nun die menschliche Liebe der göttlichen Liebe als
Illustration dient, dann darf man auch annehmen, dass die Prinzipien hinter der
menschlichen Liebe auch auf die Liebe Gottes anwendbar sind.
Wenn Gott, in diesem für uns fassbaren Sinn, Liebe ist,
dann dürfen wir daraus auch schliessen, dass er auch auf Erwiderung seiner
Liebe wartet. Gott ist Liebe, und deshalb liegt es nicht in seinem Wesen, Liebe
zu fordern oder zu erzwingen. Schon der Versuch, Liebe zu erzwingen, führt zur
Zerstörung der Grundlage der Liebe. Als wirklich Liebender stellt Gott seine
Liebe zu uns unter Beweis. Er wird in Jesus – Mensch unter Menschen – Teilhaber
unserer Nöte. Jesus hat Liebe vorgelebt. Es war ihm ernst, todernst. «Grössere
Liebe hat niemand, als dass er sein Leben lässt für seine Brüder», sagt er in
der Bibel. Damit meinte Jesus auch seinen Tod am Kreuz. Hier wird Gottes Wesen
transparent. Er setzt sich voll ein für die Menschen.
Gottes Liebeswerben
Was wäre geschehen, wenn Gott den Menschen ohne die
Möglichkeit einer freien Willensentscheidung erschaffen hätte? Jeder müsste
automatisch dem Willen Gottes nachkommen, wie ein programmierter Roboter.
Könnte so eine «Marionette» wirklich lieben? Die Antwort liegt auf der Hand.
Einer Marionette fehlt die Persönlichkeit. So kann sie auch nicht frei
entscheiden. Die Voraussetzung für das Wesen der Liebe fehlt.
Das bringt uns zum Kern der Sache. Das Liebeswerben
Gottes kann auf Gleichgültigkeit, Ablehnung und Hass stossen. Wollte Gott
Geschöpfe haben, die ihn wahrhaft lieben, dann musste er wirklich freie
Persönlichkeiten schaffen, frei wie er selbst. Denn er ist Liebe und schuf uns
zu lieben. Der Plan Gottes, einen wahrhaft liebenden Menschen zu erschaffen,
einen Partner, schloss aber das Risiko mit ein, nicht geliebt zu werden. Gott
hat nun freie Partner, welche die Wahl haben, ihn aus freiem Entschluss zu
lieben.