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Mathias Wüthrich
«Du bist kein Opfer deiner Geschichte!»
Viele
Menschen erleiden in ihrem Leben harte Schläge. Dies erlebte auch
Mathias Wüthrich aus Schüpbach im Emmental. Heute spricht er vielen
Leuten Mut zu und hilft ihnen, eine hoffnungsvolle, positive
Lebenseinstellung zu finden.
Mathias Wüthrich blickte guten Mutes in die Zukunft. Er war gerade 27 Jahre alt und stand ein halbes Jahr vor seiner Hochzeit. Doch dann wurde eine Sehbehinderung diagnostiziert. Ein schwieriger Weg begann, auf dem Mathias letztlich seinen eigenen Wert und tiefes Gottvertrauen fand.
Hochzeitsfreude und Ungewissheit
Anfänglich war unklar, was die diagnostizierte Sehbehinderung genau bedeutete und so wurden monatelang weitere Abklärungen gemacht. 2002, vier Tage vor seiner Hochzeit, kam dann der harte Schlag. Mathias erinnert sich: «Auf ärztliche Anordnung musste ich meinen Fahrausweis abgeben…» Damit konnte er auch seinen geliebten Job bei der Post, wo er aufs Fahrzeug angewiesen war, nicht mehr ausüben. Für den aktiven und unternehmungsfreudigen jungen Mann war der Verzicht auf das Auto auch privat ein Verlust von Lebensqualität.
Derweil kündigten die Ärzte an, dass sich seine Sehschärfe weiter zurückbilden würde. Während der ganzen Zeit der Ungewissheit bewahrte sich Mathias positive Gedanken der Zukunft gegenüber – seine Hochzeit, die Flitterwochen und einen geplanten Aufenthalt in Südafrika stets vor Augen.
Wenn das Wunder ausbleibt
Immer wieder wurde Mathias von Christen auf göttliche Heilung hingewiesen. «Um geheilt zu werden, musst du nur genug glauben!», sagten ihm manche. Andere betonten die Wichtigkeit von Beten und Fasten. «Ich stand unter einem immensen, frommen Stress und wollte Gott beweisen, dass er mir Heilung schenken müsse.»
Im Vorfeld ihres neunmonatigen Aufenthalts in Südafrika hatten Mathias und seine Frau grosse Erwartungen – gewiss würde Gott ihn dort heilen. «In Afrika beteten viele Leute für mich», erzählt Mathias. Doch die Heilung blieb aus. «Das quälende Gefühl, zu wenig zu glauben und dadurch nicht zu genügen, wurde immer stärker», bekennt er.
Als Mathias sich gegen Ende des Afrikaaufenthaltes ernsthaft mit dem Gedanken auseinandersetzte, dass Gott ihn vielleicht nicht heilen würde, brach alles zusammen: «Es ging auch um den Wert von mir als Person. Ich glaubte, dass man mich als Behinderten mit Einschränkung nicht mehr gebrauchen könne.»
Noch bis vor kurzem hatte Mathias dem Gedanken, dass Gott ihn nicht heilen würde, keinen Raum gegeben. Der Zusammenbruch ereignete sich in einem der letzten Gottesdienste. Mathias berichtet: «Es war eine Zeit der totalen Verzweiflung, ich konnte nur noch weinen. Jemand sagte mir dann, dass ich nicht mehr kämpfen müsse. Es sei gut und ich würde in Gottes Augen genügen.» Da kam ein Friede in die Situation und der grosse Druck legte sich.
Sehbehindert und kinderlos…
Einige Jahre später zeigten medizinische Abklärungen, dass Mathias und seine Frau keine Kinder haben konnten. «Warum trifft es schon wieder mich?», fragte sich der junge Mann und stellte erneut seinen Wert infrage: «Wer bin ich denn schon? Jetzt kann ich nicht einmal Vater sein…»
Dann verwandelte sich das «Warum?» in ein «Wozu?». Mathias berichtet: «Das öffnete uns eine neue Perspektive. Letztlich adoptierten wir zwei Kinder aus Äthiopien.» Es war ein schwieriger Prozess, doch heute sieht Mathias seine beiden Kinder als grosses Geschenk und Bereicherung für sein Leben. Er hat ein klares «Ja» zu seiner Familiengeschichte gefunden und freut sich an seinen beiden Kindern.
Grosse Erkenntnis und Erleichterung
2004, nach seinem Aufenthalt in Südafrika, begann Mathias in seiner Kirche mitzuarbeiten. «Nach einer zweijährigen Leiterschulung absolvierte ich ein Theologiestudium. Dort lehrte eine schwerstbehinderte Frau über das biblische Menschenbild», erzählt er. Von da an begannn Mathias zu verstehen, dass in Gottes Augen jeder Mensch gleichwertig ist.
«Beim Reflektieren des Unterrichts sprach ich zum ersten Mal aus, dass mein Leben trotz Behinderung wertvoll ist. Das war ein grosser Durchbruch», bekräftigt Mathias. Er ist heute mit seiner Sehbehinderung versöhnt. Den Glauben, dass ein Leben mit Gott ohne Leid verläuft, teilt Mathias nicht. Aber: «Gott gibt uns eine hoffnungsvolle Zukunft. Auch wenn wir leidvolle Situationen durchleben. So bekam das Thema Heilung für mich einen ganz anderen Schwerpunkt.» Noch immer glaubt Mathias an einen Gott der kleine und grosse Wunder tut. Er präzisiert: «Das Thema Heilung hat heute für mich sehr viel mehr Facetten. Auch eine Gesellschaft, in der zerbrochene Menschen angenommen werden, ist für mich ein Wunder.»
Als Coach und Pastor für andere da
In seinen Identitätsfragen hat Mathias jahrelang gerungen und Gott dadurch viel tiefer kennengelernt. Dies führte dazu, dass er Gott immer stärker vertraut, ohne sein Vertrauen an Bedingungen oder Erwartungen zu knüpfen. Später absolvierte Mathias eine Coachingausbildung. Sein Ziel: Menschen in alltäglichen und herausfordernden Situationen zu begleiten und ihnen eine hoffnungsvolle Perspektive zu vermitteln, sei es in der Arbeitswelt oder im Privatleben.
«Wenn wir unsere eigene Geschichte nicht betrachten und uns mit ihr versöhnen, bleiben wir im Leben stehen», hat Mathias selbst erfahren. Er ergänzt: «Ich bin kein Opfer meiner Geschichte!» Als Coach verhilft Mathias heute anderen Menschen zu einer positiven Lebensperspektive, als Pastor versichert er den Gottesdienstbesuchenden, dass sie wertvoll sind. Er freut sich über jede Gelegenheit, Menschen auf den Wert hinzuweisen, den Gott ihnen gibt – ganz unabhängig von ihrer Geschichte, von den Umständen oder ihrer Persönlichkeit.
Seine herausfordernden und leidvollen Lebenserfahrungen haben Mathias reifen lassen. «Befiehl dem Herrn dein Leben an und vertraue auf ihn, er wird es richtig machen.» Diese Worte aus der Bibel, aus Psalm 37 Vers 5, sprechen ihn besonders an. «Ich darf Gott vertrauen, dass er es richtig machen wird», bestätigt der Coach und Theologe. Die Erkenntnis, dass Gott gut und vertrauenswürdig ist, verschont ihn nicht vor Leid, aber sie verleiht ihm eine andere Perspektive und tiefe Erfüllung.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Hope-Regiozeitung
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Datum:
22.12.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Hope-Zeitungen
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Hope-Zeitungen
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