«TownVillage»

Wie eine grosse Vision wahr wird

«Dieses Projekt lässt mich auffliegen wie ein Adler», strahlt Johannes Wirth. Nach 23 Jahren steht der Winterthurer Pastor und Pionier kurz vor der Umsetzung einer grossen Vision: einem Wohnprojekt für Senioren, Familien und Menschen mit Behinderungen. Kostenpunkt: knapp 30 Millionen Franken.

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Johannes Wirth
Alles beginnt 1989 im Schlafzimmer. Auf den Knien. Johannes Wirth will sich mit der grossen Not der jungen Drogensüchtigen nicht abfinden. Und da ist die Vision: Ein Areal mit Wohnhäusern und Werkstätten für Menschen mit suchtbedingten und psychischen Problemen und für Teenager in schwierigen Situationen. Er sieht Kinder, Senioren, Alleinstehende, Pflegebedürftige, Menschen am Rand der Gesellschaft. Sie helfen sich gegenseitig. Im gemeinsamen Leben und Arbeiten spüren sie, dass alle wertvoll sind. «Eine solche Vision hatte ich vorher nie», bekräftigt Wirth in seinem Büro in der «Parkarena», dem 2006 eingeweihten Zentrum der GvC Chile Hegi in Winterthur. «Eine starke Erfahrung! Sie hat mir geholfen, immer wieder an das Projekt zu glauben.»

Zuerst der Frust

Von seiner Vision tief beeindruckt, lässt der Pastor damals das Bild von einem ganzheitlichen Lebens- und Arbeitszentrum gleich aufzeichnen. Bald stellt er es dem Ältestenrat seiner GvC (ehemals «Gemeinde von Christen») vor. Geschätzte Kosten: 20 Millionen. Antwort: «Nein - für eine Kirche mit vielleicht 150 Leuten masslos übertrieben!» Grosser Frust beim Pastor. Er denkt daran, die Gemeinde zu verlassen und die Vision allein aufzugreifen. Dann trifft ihn ein Bibelwort: Er habe sich der Gemeindeleitung unterzuordnen! «Also Grind runter und weiterbeten», sagt sich der Visionär. Die Erkenntnis: Die Vision muss wohl im Kleinen mit einem ersten Haus umgesetzt werden. So geschieht es 1990 auch mit der Gründung der Quellenhof-Stiftung. Heute leben hier 140 Menschen in verschiedenen Wohneinheiten und Werkstätten Teile dieses Traumes. Der Visionär wird ganz Realist, wenn er meint: «Eine Vision ist erst der Anfang. Das Schwierigste ist die Frage, wie sie umgesetzt wird.»

Trakt mit 68 Wohnungen

Nach 23 Jahren fehlt von der ursprünglichen Vision nur noch ein einziges Puzzleteil. Aber ein grosses! Es ist dies das generationenergänzte Wohnen für Senioren. Nach Jahren des Betens und Wartens bietet sich direkt neben dem Stiftungszentrum und der «Parkarena» eine unverhoffte Möglichkeit: Die Generalunternehmerin Implenia will im neuen Stadtteil Neu-Hegi 220 Wohnungen für rund 100 Millionen Franken bauen. Davon könnte ein Trakt mit 68 Einheiten gekauft werden. Für Wirth wird die Vision damit konkret: «Die Lage des Projekts ermöglicht uns eine einmalige infrastrukturelle wie personelle Synergie quer durch die ganze Stiftung.» Gleich sprudeln auch konkrete Vorstellungen für ein «TownVillage» heraus:

  • Eine Frau mit starken psychischen Begrenzungen aus dem betreuten Wohnen unterstützt eine Seniorin bei Haushaltarbeiten und liest ihr zweimal wöchentlich aus einem Buch vor.

  • Ein junger Mann aus dem Therapiehaus beginnt hier eine Lehre als Fachmann Hausunterhalt. Später zügelt er in das begleitete Wohnen und beendet da seine Ausbildung.

  • In der eigenen Wäscherei gibt es geschützte Arbeitsplätze. Beim Ausliefern der Kleider ergeben sich auch Kontakte mit Senioren.

Leben wie im Dorf

Johannes Wirth spricht von einem «gesellschaftsrelevanten Projekt». Die demografische Entwicklung, die ungebremsten Sozialkosten und die Vereinsamung machten neue Wohnformen erforderlich. Die Zukunft liege in der dörflichen Gemeinschaft. Doch das «TownVillage» unterscheide sich deutlich von andern Seniorenprojekten: so durch das Zusammenspiel mit den verschiedenen Generationen und psychisch Schwachen, umfassende Serviceleistungen, eine 24-Stunden-Anlaufstelle und ein subventioniertes Angebot auch für minderbemittelte Mieter. Durchmischtes Seniorenwohnen heisst, dass 60 Prozent der Wohnungen für Senioren und der Rest für Singles, Familien, Wohngruppen und als Time-Out-Wohnungen gedacht sind.

5 Millionen bis zum Herbst

Selbstverständlich sollen im «TownVillage» auch die Gottesdienste der benachbarten GvC Chile Hegi übertragen werden. Doch Trägerschaft ist die Quellenhof-Stiftung, verantwortlich der von Wirth präsidierte Stiftungsrat. Die grosse Knacknuss ist die Finanzierung. Bei Gesamtkosten von rund 30 Millionen Franken ist ein Eigenkapital von 7,3 Millionen nötig. Bis Ende Oktober sollten 5 Millionen vorliegen. Das Fundraising läuft auf drei Schienen: Gesucht werden 500 Personen, die je 10 000 Franken spenden, dazu Investoren und Beiträge von Förderstiftungen. Projektleiter Wirth zur Zwischenbilanz: «Die Rückmeldungen sind absolut ermutigend. Doch es bleibt viel Platz für Gottes Hilfe!»

Wenn die Zweifel kommen

Implenia hat das Baugesuch eingereicht. Nun folgen Verhandlungen zum Projekt und den Preisen. Im März 2013 ist der Baubeginn geplant, Ende 2014 der Bezug. Keine Zweifel am Gelingen? «Natürlich!», gesteht der Visionär. «Der Weg ist noch weit. Doch wenn die Zweifel kommen, schaue ich zurück auf das, was Gott an der Quellenhof-Stiftung und an der GvC Chile Hegi schon alles an Wundern getan hat. Dann glaube ich daran, dass sich auch der letzte Teil der Vision erfüllen wird.» Wird sich der Visionär und Pionier einst selbst im «TownVillage» niederlassen? «Ich bin jetzt 57», rechnet Wirth vor. «Ich nehme an, dass es mich bei diesem Projekt noch zehn Jahre brauchen wird. Ein solches Projekt beflügelt mich. Es lässt mich auffliegen wie ein Adler! Doch dann? Ja, ich kann mir vorstellen, auch einmal im 'TownVillage' zu wohnen.»

Dieser Artikel hat uns freundlicherweise «ideaSpektrum Schweiz» zur Verfügung gestellt.

Webseite:
Townvillage
Quellenhof Stiftung

Datum: 16.08.2012
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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