Überall in der Schweiz wird die Fusion von kleinen Dörfern vorangetrieben. Dabei haben gerade kleinere Kommunen ihre grossen Stärken, die mit dem «Prinzip der Nähe» zusammenhängen. Das hat auch die Gemeinderätin Karin Briggen entdeckt und in ihrem 550-Seelen-Dorf Brenzikofen bei Oberdiessbach BE vor einem Jahr das Projekt «Brenzicare» gestartet.
Das 550-Seelendorf Brenzikofen bei Oberdiessbach BE
Der finanzschwache Kanton Bern gibt zunehmend Aufgaben zurück an die Gemeinden – und damit auch ihre Finanzierung. Das wird gerade für kleinere Gemeinden immer mehr zu einem Problem. «Es will sich sowieso niemand mehr für die Allgemeinheit einsetzen», war eine häufige Meinung in Brenzikofen. Karin Briggen widersprach: «Vielleicht haben wir als kleine Gemeinde auch Vorteile.» Sie lud aktive Einwohner und Vereine zum Runden Tisch ein.
Kleine Schritte wagen
Karin Briggen
Im Nu war eine illustre und engagierte Runde um den Tisch versammelt. Der Frauenverein war da; eine Frau mit kleinen Kindern, die einen Müttertreff aufgezogen hatte; eine Person, die bei der Spitex arbeitet oder auch jemand, der Arbeit suchte. In der Runde wurde nach den Bedürfnissen der Dorfbevölkerung gefragt und in einer Mindmap den Ressourcen gegenübergestellt. Da gab es die Frau, die wegen zunehmender Demenz in ihrer Wohnung immer mehr vereinsamt. «Fragt mich, wenn ihr jemanden braucht», hatte eine andere Frau angeboten. Jetzt ginge es eigentlich nur noch darum, Nachfrage und Angebot zusammenzubringen, wurde im Gespräch rasch klar. Damit das über den Einzelfall hinaus klappt, brauchte es eine Art «Hilfe-Pool».
Nach dem ersten Runden Tisch war die Stimmung gut, man blieb aber realistisch. «Nur keine Luftschlösser bauen», hiess die Devise, «sondern lieber klein beginnen.» Rasch stand der Name des Projektes fest: C-A-R-E, der englische Begriff für «Hilfe, Sorgfalt» liess viele Möglichkeiten offen und wurde so umschrieben: C für «Chum mer z Hilf», A für «Alli für alli», R für «Rasch u unkompliziert» und E für «Ei Dienscht ergit dr anger».
Die Initiantin legte besondere Sorgfalt auf den ersten Auftritt. Sie engagierte einen professionellen Grafiker, der eine ansprechend gestaltete Karte schuf (Bild). Und sorgte gleich aus dem eigenen Sack für deren Finanzierung. Zum Auftritt gehörte auch die originelle Handy-Telefonnummer: der Vorwahl 079 folgen die Postleitzahl von Brenzikofen (3671) und dann drei Mal die Null.
An der nächsten Gemeindeversammlung wurde das Projekt mit einer Powerpoint-Präsentation – und mit viel Herzblut – vorgestellt. Auch in der Gemeindeinformation, die jeweils in alle Haushalte verteilt wird, kam das Projekt «Brenzicare» zur Sprache. Karin Briggen war klar, dass der Gemeinderat dieses Projekt mittragen musste. Sie brachte das Anliegen vor Brenzicare und wurde beauftragt, ein Projekt zu entwickeln. Später machte der Gemeinderat dafür einen kleinen Betrag locker.
Zum Helfen verhelfen
Die Karte zum Projekt «Brenzicare»
Das Prinzip von «Brenzicare» ist einfach. Auf einem Meldeblatt können Ressourcen oder Bedürfnisse angekreuzt bzw. erwähnt werden. Wünsche oder Angebote wie Fahrdienst, Besuche oder Aufgaben im bzw. um das Haus. Die Meldung wird detailliert beschrieben (Was, Wann, Wo?) und mit den persönlichen Angaben ergänzt. Die Meldung geht dann via Website, e-Mail, Telefon oder Briefwurf an das Brenzicare-Büro. Dort werden Wünsche und Möglichkeiten miteinander kombiniert. Die vermittelten Partner handeln dann die weiteren Details – wie etwa eine allfällige Entschädigung – direkt aus. So hörte die Initiantin von einem Knaben, der alle 14 Tage zwei Stunden für das Erledigen von Gartenarbeit anbot. «Zufälligerweise» erfuhr sie von jemandem, der alle 14 Tage den Rasen vor dem Haus mähen lassen wollte. Und schon war der Handel perfekt.
Kürzlich wurde eine erste Impulsveranstaltung zum Thema «Demenz geht uns alle an» durchgeführt. Immerhin 62 Leute wurden für dieses wichtige Thema sensibilisiert. In der Zwischenzeit ist im Dorf ein Geist der Aufmerksamkeit spürbar. «Die Leute merken, dass sie Nachbarn haben», sagt Karin Briggen. Seit langer Zeit segnet sie das Dorf beim Joggen. Ihre Überzeugung bringt sie so auf den Punkt: «Die Liebe von Gott muss Hände und Füsse erhalten.»
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