TV-Moderator Ruedi Josuran (Fenster zum Sonntag) besuchte in Nepal Einrichtungen für Leprakranke. Kaum zurück in der Schweiz, erschütterte ein Erdbeben das kleine Land am Himalaya.
Ruedi Josuran mit einem Leprakranken in Nepal.
idea Spektrum: Ruedi Josuran, Sie sind zwei Tage vor dem grossen Erdbeben aus Kathmandu weggeflogen. Was waren die ersten Gedanken, nachdem Sie die Schreckensnachrichten vernommen haben?
Ruedi Josuran: Das war ganz eigenartig. Kaum angekommen, sollte dort so etwas Schreckliches passiert sein? Ich konnte es zuerst gar nicht fassen und brachte die Bilder der Zerstörung nicht mit dem zusammen, was ich vorher am selben Ort erlebt hatte. Erst nach einiger Zeit begann ich zu verstehen. Die Gefühle wechselten ab zwischen der Dankbarkeit, heil davongekommen zu sein und der beklemmenden Frage, warum hast du überlebt, während so viele sterben mussten?
Kamen Ihnen auch Menschen in den Sinn, die Sie in Nepal kennengelernt haben?
Ja, in mir lief eine innere Diaschau ab. Ich dachte an einzelne Menschen und dann erinnerte ich mich auch an Häuser, Dörfer und Landschaften. Ich stehe zum Teil immer noch vor der Frage, wie es ihnen wohl geht und wie es dort jetzt aussieht.
Sie haben Nepal in Zusammenarbeit mit der Lepra-Mission besucht und Einrichtungen besichtigt, in denen Lepra-Patienten betreut werden. Wissen Sie, ob auch diese Kliniken vom Erdbeben betroffen wurden?
Wir haben unter anderem das Anandaban-Spital besucht. Dort werden jährlich 4500 Leprapatienten kostenlos behandelt – mit Operationen, Wiederherstellungschirurgie und Nachbehandlungen. Meine Frau und ich haben dort zweimal übernachtet. Es ist bitter und bewegt mich stark, dass dort zwei Spitalgebäude eingestürzt sind und die meisten Abteilungen beschädigt wurden. Viele Kranke werden derzeit im Freien behandelt.
Das muss ein Schock für Sie sein…
So ist es. Ich stehe noch immer unter dem Eindruck der Begegnungen mit vielen Leprakranken, die teilweise in sehr abgelegenen Orten wohnen und wegen des Bebens nun von jeglicher Hilfe abgeschnitten sind. In mir trage ich die Bilder der Leprakranken und über die Medien kommen täglich die Bilder der Erdbebenkatastrophe. Es ist für mich ganz eigenartig, beides zusammenzubringen.
Die Begegnungen mit den Leprapatienten waren offensichtlich bewegend.
Sehr. Und zwar nicht nur, weil sie körperlich entstellt sind, sondern auch deshalb, weil sie stigmatisiert und regelrecht aus Familie und Gesellschaft ausgestossen werden. Deshalb war es umso beeindruckender, mitzuerleben, wie sie im von der Lepra-Mission unterstützen, christlich geleiteten Anandaban-Krankenhaus ohne Wenn und Aber aufgenommen und würdevoll und mit Respekt behandelt werden. «Love and Care» ist das Motto dort, liebevolle Zuwendung. Ich war beeindruckt.
Lepra wäre doch medizinisch heilbar?
Ja, es gibt wirksame Medikamente. Aber ich stellte fest, dass ein an Lepra erkrankter Mensch doppelte Not erlebt. Zum einen die körperliche Krankheit, die Gliedmassen zerstört. Das ist schlimm. Ich meine aber, dass die Stigmatisierung, das Ausgestossenwerden, für die Betroffenen fast noch schlimmer ist; das führt zu tiefen seelischen Wunden. Der Staat hilft nicht.
Was steht hinter der Stigmatisierung?
Es ist eine irrationale Mischung aus religiösem Karma-Denken mit göttlichem Strafgericht und der Angst, angesteckt zu werden. Deshalb will man mit solchen Menschen nichts mehr zu tun haben. Viele Kranke verstecken sich und wollen keine Hilfe annehmen, weil sie sich schämen.
Wie beurteilen Sie den Dienst der Lepra- Mission?
Ich war – wie gesagt – beeindruckt. Die geleistete medizinische Hilfe ist auf hohem Niveau. Die Mitarbeiter versuchen, der Stigmatisierung zu begegnen und die Kranken aus der Isolation herauszuholen.
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