Einsamkeit hat stets zwei Seiten, wird im Gespräch mit der Evangelischen Theologin und Lebensberaterin Monika Riwar deutlich. Oftmals sei das Gefühl von Einsamkeit mit unerfüllten Wünschen verknüpft – oder mit Lebenslügen, die wir verinnerlicht haben. Auch der Zolleinnehmer Zachäus in der Bibel habe wohl eine solche Lebenslüge gekannt und sich korrigieren lassen.
Einsamkeit im Zeitalter der Kommunikation – wie passt das zusammen? Monika Riwar: Es kommt darauf an, wie man Kommunikation definiert. Digital vernetzt zu sein, gehört heute sicher dazu. Dabei geht es jedoch oft darum, Informationen zu verbreiten oder sich selbst darzustellen. Konkret: seine Follower zufriedenzustellen. Für mich bedeutet Kommunikation auch, dass man etwas mit jemandem teilt und beide Seiten Anteil aneinander nehmen. Im persönlichen Kontakt können wir Freud und Leid offen und ehrlich äussern, Wertschätzung und Respekt erfahren. Kommunikation auf öffentlichen Plattformen ist anders ausgerichtet: Was man erlebt und fühlt, kann mitgeteilt, aber nicht gleich geteilt werden wie in der persönlichen Begegnung. Zudem verhindert die Angst, den Erwartungen der anderen nicht zu entsprechen, Authentizität. Digitale Kanäle sind eine gute Ergänzung. Sie sollten reale Begegnungen aber nicht ersetzen, sondern unterstützen.
Lebensberaterin Monika Riwar
Was raten Sie Menschen, die unter Einsamkeit leiden?
Einsamkeit als Erfahrung gehört zu unserem Leben – übrigens Langeweile ebenso. Wer sich jedoch andauernd einsam fühlt, sollte möglichen Lebenslügen nachspüren: «Ich genüge nicht» oder «Ich gehöre nicht dazu». Lebenslügen werden zu unbarmherzigen und unerfüllbaren inneren Forderungen an sich selbst und an andere. Als Christen sind wir von Gott bedingungslos angenommen und geliebt. Zeiten von Enttäuschung und Einsamkeit werden uns trotzdem nicht erspart. Aber Gott bleibt an unserer Seite und führt uns hindurch.
Sehr oft ist Einsamkeit mit unerfüllten Wünschen verknüpft. Finden Sie heraus und leben Sie aus, was Gott an Talenten in Sie hineingelegt hat. Es sind Dinge, die Ihnen Freude bereiten, die Ihnen guttun und Sie aufblühen lassen – am allermeisten, wenn Sie sie mit anderen Menschen teilen.
Können wir punkto Einsamkeit von Personen aus der Bibel lernen?
Ich denke an die Geschichte von Josef (nachzulesen in der Bibel, in 1. Mose, Kapitel 37-50). Er wurde von heute auf morgen von seiner Familie getrennt und kannte Traurigkeit und Einsamkeit wohl bestens. Aber er bestimmte sein Schicksal aktiv mit, indem er seine Gaben einsetzte, seinen Werten treu blieb und sich in allem Gott anvertraute. Oder Mose, der das Volk Israel anführte. Er war mit dieser Aufgabe überfordert. Er musste die Position der «einsamen Spitze» verlassen. Mose musste lernen, loszulassen und zu delegieren, das heisst, anderen zu vertrauen (2. Mose, Kapitel 18, Vers 13).
Ein anderes Beispiel ist Zachäus: Er war ein kleiner Mann. Als Zolleinnehmer hatte er nach aussen hin eine gewisse Macht, tief innen fühlte er sich jedoch vermutlich sehr einsam. Vielleicht lenkte ihn die Lebenslüge «Ich genüge nicht». Er sehnte sich nach Veränderung und setzte alles daran, Jesus zu sehen. Durch die Begegnung mit Jesus fand Zachäus ein neues Lebensfundament und konnte lernen, ehrlich und freundlich mit den Menschen umzugehen (Lukas-Evangelium, Kapitel 19, Verse 1-10).
Kann es sinnvoll sein, Einsamkeit bewusst zu suchen?
Ja. Jesus lebte es uns vor. In der Bibel (u.a. im Markus-Evangelium, Kapitel 1) ist wiederholt zu lesen, dass er sich bewusst in die Einsamkeit zurückzog. In der Stille betete er zu Gott, seinem Vater. Auch wir brauchen manchmal Zeiten der Einsamkeit, um überhaupt wieder hören zu können. In uns hineinzuhören: «Wie geht es mir?», «Wonach sehne ich mich?», «Was ist mir wichtig?». Aber auch, um Gott zu hören und seine Gedanken über uns und unser Leben zu erfahren. Wenn wir ständig auf Achse sind, ist das nicht möglich.
Ich denke an die biblische Person Elia. Er hatte sich mit ganzem Herzen dafür eingesetzt, dass das Volk Israel sein Vertrauen auf Gott setzt und ihn nicht mit den Göttern der anderen Völker verwechselt. Aufgrund einer Morddrohung der Königin verlor er allen Mut und floh in die Wüste. Die Einsamkeit der folgenden 40 Tage nutzte Gott, um Elia und seine Beziehung zu ihm zu stärken. Dann beauftragte er Elia neu und bestimmte einen Nachfolger für ihn. So konnte Elia die Sache abschliessen, ohne sich als Versager zu fühlen. Sein Vertrauen zu Gott war gewachsen. Das können auch wir erleben, wenn wir es wagen, aus unserer Betriebsamkeit auszubrechen.
Monika Riwar ist Evangelische Theologin und Lebensberaterin. Infos und Kontakt unter riwarberatung.ch.
Dieser Artikel stammt aus dem Jesus.ch-Print Nr. 48 zum Thema «Einsamkeit». Hier können Sie die neue Ausgabe bestellen oder herunterladen und verteilen.
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