Lebens(un)wertes Leben?

«Gott» – die furchtbare Freiheit

Wem gehört unser Leben? Und wer entscheidet über unseren Tod? Das ARD setzte sich mit einem Kernthema unserer Gesellschaft auseinander, das das grosse Dilemma der menschlichen «Autonomie» in grelles Licht rückt.

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«Ich bin 78 Jahre alt, gesund, aber ich möchte nicht mehr leben. Seit dem Tod meiner Frau ist mir das Leben verleidet. Sie ist weg und ich bin noch da – das ist nicht richtig», stellt Herr Gärtner im Schauspiel «Gott» von Ferdinand von Schirach fest. Er möchte das Medikament erhalten, das ihm das Leben endlich abnimmt. Was da am Montagabend in die Stuben flimmerte, war eine hervorragend gemachte Darstellung des grossen Dilemmas unserer liberalen Gesellschaft.

Egal, ob gesund oder krank

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat im Februar dieses Jahres – theoretisch – den Weg zu einer Euthanasielösung frei gemacht, die zu den freizügigsten der Welt gehört. Unabhängig von Alter und Gesundheitszustand, schliesst das «Recht auf selbstbestimmtes Leben die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen». Und: «Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.»

Diese «Freiheit» will Herr Gärtner in Anspruch nehmen. Seine Hausärztin verweigert ihm den lebensbeendenden Cocktail und rechtfertigt das mit ihrem ärztlichen Eid, Leben zu erhalten. Kein Arzt kann gezwungen werden, beim Suizid zu helfen. Die Staatsanwältin weist darauf hin, dass auch am Anfang der Nazi-Euthanasie «feine Akzentverschiebungen» gestanden haben: «Es wurden Lebenszustände definiert, die nicht lebenswert waren. Das Sterben wurde verhandelbar.» Am Ende dieses Weges standen 300'000 Euthanasie-Morde.

«Dammbruch»

Mehrere Male wird im Film das Wort «Dammbruch» erwähnt. Der Vertreter der Kirche, Bischof Thiel, erzählt die Geschichte einer 31-jährigen Frau, die es sich selbst nicht vergeben kann, dass sie ein Kind tödlich überfahren hat. «Ich kann mir selbst nicht vergeben. Ich will sterben», habe sie ihm gesagt. Wenn der Suizid so offensichtlich zu einer gesellschaftlich akzeptierten Option wird, sei der Schritt zum Nützlichkeitsdenken nicht mehr weit: «Innerhalb kurzer Zeit wird der Druck auf alte Menschen wachsen, sich umzubringen. 'Ihr habt lange genug gelebt', werden die Jungen zu den Alten sagen.»

Der Anwalt des lebens-müden Herrn Gärtner zählt eloquent all die Gründe auf, die dafür sprechen, dass sein Klient doch sterben dürfe; die katholische Kirche habe – nach allen Sex-Skandalen – keine moralische Autorität mehr, die Bibel verbiete keinen Selbstmord, und schon bei der Antibabypille sei es nicht zu dem befürchteten moralischen «Dammbruch» gekommen (meint er).

Wem gehört unser Leben?

Die beiden zentralen Fragen in dem – auch zum Nachschauen sehr sehenswerten – Film werden am Rande gestreift: Wem gehört mein Leben? Und: Was macht es lebenswert? Nach christlicher Überzeugung ist das Leben von Anfang bis zum Ende ein Geschenk Gottes. Keiner hat sich selbst zum Leben gebracht. Gott hat uns gewollt. Es tut gut, sich das mal wieder ganz persönlich zu vergegenwärtigen: Gott hat gewollt, dass es dich gibt. Darum ist es gut, dass du lebst.

Und er gibt auch die «Bedienungsanleitung» dazu. Was ist ein «lebenswertes» Leben? Wenn Glück, Partnerschaft, Gesundheit und Wohlleben zum Lebenssinn werden, dann wird ein unheilbar krankes Leben natürlich bald einmal als «sinn-los» empfunden. Auch in der Bibel haben Leute – zum Beispiel Elia – in der Depression gesagt: «Es ist genug, Gott, lass mich sterben.» Aber selbst da waren sie immer noch im Gespräch mit Gott. Und Gott hat sich sehr wohl um diese lebensmüden Menschen gekümmert.

Der «Sinn» unseres Lebens ist nicht, dass es uns möglichst gut geht. Gerade in schweren Zeiten finden wir ihn nicht im Leben selbst. Sondern dass wir mit unserem Schöpfer und Vater in einer Beziehung leben. Jesus verstand sich, sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung als «Wieder-Anknüpfer» von uns Menschen an Gott. Erfülltes Leben ist unter allen, auch schwierigen, Umständen möglich; das bezeugen unzählige Nachfolger Christi. Und vielleicht ist es der grösste Akt menschlicher Autonomie, nicht zum Tod, sondern zum Angebot des Lebens Ja zu sagen.

Sie werden damit zu einer Minderheit gehören, die für das Leben ist und gegen den Strom schwimmt. 70,8 Prozent der Zuschauer stimmten dafür, dass Herr Gärtner das tödliche Medikament erhalten soll.

Zum Thema:
Corona und Schutz des Lebens: Wer darf leben und wer nicht?
«System ist ausser Kontrolle»: Niederlande: Euthanasie geht immer weiter
Neuer Vorstoss in Holland: Selbstmord-Ursache «genug vom Leben»?

Datum: 25.11.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

Kommentare

Eine sehr bewegende und lehrreiche Sendung. Von früheren Beispielen her ist man sich fast gewohnt, dass der christliche Standpunkt als exotische, holzschnittartige Zugabe porträtiert wird, kaum ernst zu nehmen und deshalb nicht wirklich relevant. Nicht so in dieser Sendung. Der Bischof hatte viel Raum für seine Ausführungen und man spürte, dass es die Filmemacher nicht aufs Lächerlichmachen des christlichen Standpunkts anlegten. Zeitweise nahm seine Diskussion mit dem Anwalt gar Züge einer theologischen Disputation an. Doch es nützte alles nichts: Das Schweizer TV-Publikum stimmte mit nur unwesentlich geringerem Prozentsatz als das deutsche für die Verabreichung des Gifts.

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