Präsident Mursi abwesend

Ägyptens Präsident brüskierte Koptenpatriarchen

In Kairo wurde der neue koptische Patriarch, Tawadros II., am Sonntag in der Markus-Kathedrale inthronisiert. Die Jubelrufe von tausenden Gläubigen und Glückwünsche von Ehrengästen aus der ganzen christlichen Welt konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass einer fehlte: Ägyptens Staatsoberhaupt, der Muslimbruder Muhammad Mursi. 

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Mohammed Mursi
Der Präsident hatte seine Teilnahme schon seit Wochen angekündigt. Er wollte damit bekräftigen, dass er Landesvater für alle Ägypter sein will, für Muslime und Christen in gleicher Weise.

Nun hat der ägyptische Machthaber diese Zusage gebrochen. Wie schon so viele seiner früheren Versprechen, von der Ernennung eines christlichen Vizepräsidenten bis zu endlich wirksamem Polizeischutz der koptischen Minderheit vor Kirchenstürmen, Attentaten und Vertreibungen aus ganzen Ortschaften und Stadtvierteln. Diese Bedrängnis, die schon seit Jahrzehnten sporadisch hereinbrach, ist nun unter Herrschaft der Muslimbruderschaft zum Dauerzustand geworden.

Schlechtes Omen

Kairoer Beobachter sind überzeugt, dass Mursi wirklich zur Amtseiführung des Patriarchen kommen wollte, aber von der Führung der Muslimbrüder «zurückgepfiffen» wurde. Der eher leutselige, volkstümliche Beschwichtigungspolitiker verfügte über genau die richtige Art, um die Präsidentenwahlen vom vergangenen Juni zu gewinnen – und auch das nur knapp. Jetzt hat die «Oberste Geistliche Führung» der Bruderschaft aber auf eine härtere Gangart geschaltet. Der leere Platz Mursis im koptischen Patriarchendom gilt daher als schlimmes Vorzeichen für noch härtere Zeiten der Christen am Nil.

Islamische Verfassung

Bis zum 12. Dezember soll der Entwuf für die neue Verfassung vorliegen. Was darüber bisher zu erfahren ist, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen: Das Grundgesetz soll nicht nur den islamischen Satzungen entsprechen, sondern diese auch im ganzen Staatsgebiet auf alle anwenden. Damit werden die Sonder- und Gruppenrechte hinfällig, die das bisherige System den Kopten und anderen Christen sowie den letzten ägyptischen Juden noch gewährt hatte. Sie alle macht man in ihrer angestammten Heimat zu Fremden, für die es vieleicht schon bald gar keinen Platz geben wird.

Die Vertreter der Christen, aber auch andere demokratische Kräfte, haben daher Ägyptens Verfassunggebende Versammlung schon letzte Woche unter Protest verlassen. Sie versuchen damit, die internationale, ja gesamtchristliche Öffentlichkeit aufzurütteln: Ist eine strikt islamische Ordnung in der extrem heutigen Auslegung erst einmal einzementiert, wird es Nacht für alle Andersgläubigen und -denkenden in Ägypten!

Zum Thema:
«Gebe Gott, dass Ägypten kein Iran wird!»

Ägyptens Christen hoffen auf starke Persönlichkeit

Ägypten vor «Herrschaft Allahs»

Datum: 19.11.2012
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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