Sicherheit hier und in Nigeria

Wo das Leben eines Menschen weniger gilt als das einer Kuh

Im Sommer war Judith Ochoje für einige Wochen in ihrer alten Heimat Deutschland. «Ich habe abends wie immer angefangen zu beten, dass Gott uns beschützt. Und mich dabei ertappt, dass ich dachte: Wovor denn eigentlich? Hier ist doch alles sicher, was kann uns schon passieren?» Das Leben in Deutschland ist so anders: Im ländlichen Nigeria, wo Judith mit ihrer Familie ansonsten lebt, ist ihr diese Art von Sicherheitsgefühl fremd.

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Judith Ochoje vor ihrer Ausreise nach Afrika.
Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist hoch, Raubüberfälle sind normal. Dazu kommen Stammesfehden, wenn die nomadisch lebenden Fulanis ihre Rinder auf dem Grund der ansässigen Bauern grasen lassen. «Da sind die Macheten schnell gezückt», sagt Judith, «und das Leben eines Menschen gilt weniger als das einer Kuh.» 2014 ging die Angst vor einem Bürgerkrieg um, inzwischen hat sich die Lage wieder etwas beruhigt.

Sicherheit sieht anders aus

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Anders als in Europa ist die Begeisterung für Schule in Nigeria ziemlich gross.
Dass es trotzdem nicht sicher ist, dafür sorgt schon die islamistische Terrorgruppe Boko Haram. «Im Oktober hat es wieder vier Bombenanschläge innerhalb kürzester Zeit gegeben», erzählt Judith, «zwei davon im Markt in der nächstgelegenen Kleinstadt, wo wir auch immer einkaufen. Es gab 15 oder 20 Tote, aber der Alltag ist recht schnell wieder eingekehrt. Ob man von einer Bombe getroffen wird, ist ja relativ zufällig, Nigerianer gehen da schnell zur Tagesordnung über.» Es hat sie aufgeschreckt, dass dies so plötzlich und direkt bei ihnen passieren konnte, aber in Angst und Schrecken versetzt hat es sie nicht.

«Ich bete mehr, wenn mein Mann Elijah unterwegs ist», gibt Judith zu, «und mit den Kindern gehe ich im Moment nicht mehr dorthin. Aber beten müssen wir hier ohnehin viel.» In Afrika sterben die Menschen früher: Es gibt so viele Krankheiten, eine angemessene medizinische Versorgung ist alles andere als selbstverständlich, ausserdem gibt es immer wieder schlimme Unfälle. «Wenn wir abends ins Bett gehen, beten wir um Schutz, und wenn wir morgens aufwachen, danken wir Gott dafür, dass wir leben und gesund sind.»

Gebet als reales Mittel gegen Angst

Das Haus der Ochojes steht auf dem Gelände der Farm «Hope Eden». Dazu gehört auch eine Schule. Das Gelände hat keine Mauern, und das im Land übliche Sicherheitspersonal bewacht nur den Schulbereich. Sie wissen, dass viele Freunde auch in Deutschland regelmässig für sie beten – manche täglich, obwohl sie der Familie nie persönlich begegnet sind. Einige von ihnen haben erzählt, dass sie im Gebet eine Mauer aus Engeln um das Gelände herum gesehen haben. Für Judith ist dies ein sehr reales Mittel gegen die Angst. Um ihr Haus herum sind nachts oft Geräusche, die sie aufschrecken lassen; das Bewusstsein, von Gottesboten umgeben zu sein, lässt sie ruhig weiterschlafen.

«In der Nacht vor den Bombenanschlägen ist auch etwas Merkwürdiges passiert», erzählt Judith. «Es war schon dunkel und ich habe die Kinder geduscht, als David (5) meinte, er hätte einen Mann mit einem Kleid aus Licht am Fenster vorbeigehen sehen. Gibt's ja nicht, dachte ich, was soll das sein, ein Kleid aus Licht? Mein Verstand hat schon versucht, sich alle möglichen Erklärungen zusammenzusuchen. Aber vielleicht ist es gut, das so stehen zu lassen. Vielleicht hat er ja wirklich einen Engel gesehen.»

Auf der Flucht

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«Hope Eden» wird seinem Namen gerecht und verbreitet Hoffnung unter den Nachbarfamilien und Flüchtlingen.
Das Thema Flüchtlinge spielt auch in Nigeria eine grosse Rolle: Als Boko Haram letztes Jahr neue Regionen angriff, flüchteten Millionen von Menschen. «Die kommen mit schwerem Gerät, mit Panzern, Flugzeugen und Bomben. Da sind die Leute einfach losgerannt mit nichts als dem, was sie am Leib trugen. Sie sind gerannt und gerannt. Es gab Mütter, die mit ihren Kindern auf dem Arm losgelaufen sind und die Kinder irgendwann fallengelassen haben, weil sie nicht mehr konnten.

Tausende von Familien sind in dieser Zeit getrennt worden, weil einfach jeder in irgendeine Richtung losgelaufen ist. Manche haben sich als Familien wieder gefunden. Auch uns wurden zwei Familien zugewiesen, für die wir im Nachbarort eine Unterkunft gefunden haben. Die Kinder konnten in unsere Schule gehen und wir haben sie mit dem Nötigsten versorgt.»

Die nigerianische Campus für Christus-Bewegung arbeitet mit Kirchen vor Ort zusammen. Aber natürlich kommt es auch hier auf jeden Einzelnen an: «Ich war gerade beim Kochen, als uns zwei Mädchen der Flüchtlingsfamilie besuchten. Ich hab sie gefragt, ob sie noch etwas brauchten. Ja, einen Topf! Und zwar genau in der Grösse, wie ich ihn gerade benutzte. Es war ein alter Topf, noch aus Elijahs Studienzeit, und ich hing ein bisschen an ihm, aber ich dachte mir: Jetzt erst recht, ich sollte ihn weggeben. Am nächsten Tag haben wir von einer Deutschen, die Nigeria verliess, ihren ganzen Hausrat geschenkt bekommen, darunter auch mehrere Pfannen und Töpfe. Wir konnten noch viel weiterverschenken. Gott hat unseren alten Topf durch mehrere neue ersetzt.»

Gott versorgt

Solche Dinge passieren ständig. Elijahs verwaiste Nichten im Teeniealter leben mit in der Familie: «Einmal dachte ich nur kurz: Oh weh, die Mädchen wachsen aus ihren Sachen raus, und am nächsten Tag haben wir eine Tasche mit Kleidern in genau der richtigen Grösse bekommen. Oder Davids Sandalen waren kaputt, und am nächsten Tag haben wir gleich zwei Paar neue geschenkt bekommen …» Solche Geschichten gibt es jede Menge, und Judith ist begeistert von Gottes Versorgen, wenn sie sie erzählt.

Das Leben ist schon sehr anders als in Westeuropa. Es ist weniger sicher, kaum planbar, medizinische und materielle Versorgung sind nicht selbstverständlich. Aber Judith und ihre Familie wissen: Es ist ein Geschenk. Und sie sind sich ihrer Abhängigkeit von Gott sehr bewusst.

Judith Ochoje arbeitet seit 2007 mit Campus für Christus in Nigeria. Dort lernte sie ihren Mann Elijah kennen. Sie leben mit ihren Kindern David (5) und Joshua (2) und den Nichten Favour (12) und Sarah (15) auf der Farm «Hope Eden» in der Nähe der Hauptstadt Abuja. Judith leitet die angegliederte Schule mit Kindergarten, in der 130 Kinder in 6 Grundschul- und 3 Kindergartenklassen unterrichtet werden.

Zum Thema:
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Freiwilliges soziales Jahr: Ein Jahreseinsatz in Afrika mit Auswirkungen für Deutschland

Datum: 18.02.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Campus für Christus

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