NT in Kuni

Missionare brachten das Evangelium und beendeten Stammesfehden

In diesen Tagen konnte Wycliffe Schweiz in Papua-Neuguinea ein Neues Testament in einer neuen Sprache übergeben. Diese ist so komplex, dass ein Verb in Zehntausende von Formen konjugiert werden kann. Thomas Deusch, Direktor von Wycliffe Schweiz, erklärt die jüngste Übersetzung im Hintergrund-Interview mit Livenet.

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Der Missionar Roland überreicht dem Mitarbeiter Kozap das neu übersetzte Neue Testament in Kuni.
Livenet: Thomas Deusch, im Januar wurde das Neue Testament in Kuni übergeben. Was ist das genau für eine Sprache?
Thomas Deusch: Kuni ist ein Dialekt der Kuni-Boazi Sprache. Die ganze Sprachgruppe hat zirka 4'000 Sprecher, der Kuni-Dialekt etwa 2'500. Kuni ist eine sehr komplexe Sprache, hat einen grammatikalischen Ton mit über 100 Tonmustern auf Satzebene. Die Verben können in Zehntausende von Formen konjugiert werden.

Die Kuni selbst sind traditionellerweise Jäger und Sammler. Manche haben immer noch einen halbnomadischen Lebensstil und halten sich zeitweise wochenlang im Dschungel bei den Sagosümpfen auf. Bevor sie anfangs der 1950er-Jahre mit der Zivilisation in Berührung kamen, waren sie Kopfjäger und Kannibalen. Damals paddelten einige Dorfälteste den langen Weg auf dem Fly River in den Süden bis nach Daru, der Provinzhauptstadt, und baten den australischen Polizeivorsteher, ihnen einen Missionar zu schicken, um den Stammesfehden ein Ende zu bereiten und Schulen sowie medizinische Versorgung zu bringen.

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Thomas Deusch
Die Kuni leben auf Inseln und Halbinseln am Lake Murray in der Western Province in Papua-Neuguinea nahe der indonesischen Grenze. Seit ein paar Jahren haben viele der Kuni-Familien kleinere Kautschukplantagen und leben zum Teil vom Verkauf des Kautschuks.

Wie ist die Übergabe verlaufen?
Es war ein sehr schöner Tag, an dem Gott die Ehre gegeben wurde. Die Kuni hatten viel in die Vorbereitungen investiert. Auch wurde für die 45 auswärtigen Gäste gut gesorgt. Schon der Empfang am Samstag war für die Gäste ein grosses Erlebnis, mit diversen Gruppen von traditionell bekleideten Männer und Frauen, die die Gäste vom Flugzeug bis zum Schulhaus, wo sie untergebracht wurden, mit Gesang und Tanz begleiteten. Am Sonntagmorgen wurde das Programm mit einem Gebet eröffnet. Dann wurde der Missionar Roland gebeten, Bänder über der Türe einer kleinen Hütte, die sie gemäss einer alten Tradition «forbidden house» (verbotenes Haus) nannten, durchzuschneiden. Die darin versteckten Neuen Testamente wurden nun in einer Holzkiste auf zwei langen Stangen von vier Trägern von dieser Hütte zur Tribüne gebracht. Dort wurde die Schachtel mit den Neuen Testamenten aus der Holzkiste – einer Art Bundeslade – gehoben, Roland öffnete die Kartonkiste und nahm ein Neues Testament heraus und gab es Kozap, einem unserer Mitarbeiter und ein respektierter Kirchenleiter, mit den Worten: «Das ist Gottes Wort in der Kuni-Sprache. Ich lege es symbolisch in deine Hände für alle Kuni Leute. Ihr Kuni-Leute, lasst es nicht fallen und verliert es nicht.» Anschliessend lasen vier Personen aus drei verschiedenen Generationen diverse Passagen daraus vor.

Danach wurden die vorverkauften Neuen Testamente, Abspielgeräte und Micro-SD-Karten verteilt und verkauft. Am Abend zeigten wir den Jesus Film auf Kuni. Es sassen mindesten 1'000 Leute auf dem Platz, um sich diesen Film, für die meisten zum ersten Mal, anzuschauen.

Es war ermutigend, am nächsten Morgen aufzuwachen und zu hören, wie in verschiedenen Häusern im Dorf Leute mit den Abspielgeräten das Wort Gottes hörten.

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Die Kunis kauften viele NTs in ihrer Sprache
Wie lange hat das Projekt gedauert und was haben die Mitwirkenden dabei erlebt?
Vor 25 Jahren fingen wir mit dem Projekt an. Wir haben erlebt, wie Gott durchträgt, ermutigt, bewahrt, Weisheit und immer wieder Hoffnung gibt, besonders wenn wir an einem Punkt waren, wo wir nicht weiter wussten. Leben mit den Kuni war und ist eine Bereicherung, eine Horizonterweiterung.

Die Männer und Frauen, die mit uns zusammen gearbeitet haben, haben Gottes Wort besser kennen und lieben gelernt, und viele stehen fester im Glauben als vorher. Zum Beispiel werden die Gläubigen bei den Gottesdiensten immer wieder ermutigt, Gott zu vertrauen, auch wenn die Lebensumstände schwierig sind, wie zum Beispiel während der anhaltenden Trockenheit im letzten Jahr, die leider immer noch nicht ganz vorbei ist. Einige unserer Mitarbeiter haben mutmachende Zeugnisse, wie Gott in schwierigen Situationen direkt durch Bibelteile in Kuni zu ihnen gesprochen hat.

Kürzlich sagte ein Regierungsbeamter: «Bis jetzt haben wir Gottes Wort immer nur auf einer anderen Sprache gehört und gelesen, wobei wir oft vieles nicht richtig verstanden haben, aber nun spricht Gott direkt und klar zu uns!»

25 Jahre sind eine lange Zeit, doch haben wir gemerkt, dass genau dieser Aspekt grossen Stellenwert bei den Kuni hat. «Dass ihr so viele Jahre in diese Übersetzung investiert habt, zeigt uns, dass es etwas Wichtiges ist», sagte beispielsweise ein Kuni.

Ziel von Wycliffe ist, bis zum Jahr 2025 in allen nötigen Sprachen ein Übersetzungsprojekt zu starten. Wie ist die aktuelle Situation?
2025 ist keine magische Zahl. Als das Ziel im Jahr 1999 so formuliert wurde, war das Hauptanliegen dahinter, dass noch in dieser Generation die nötigen Projekte starten können. Damals wurden jährlich etwa 40 neue Projekte begonnen. Inzwischen kommen jedes Jahr ungefähr 100 neue Projekte dazu! Unter anderem, weil sich mehr und mehr Partnerorganisationen engagieren. Aktuell gehen wir davon aus, dass noch knapp 1'800 Projekte begonnen werden müssen. Das heisst, in den frühen 2030er Jahren wäre es soweit...  

Dabei werden technische Hilfsmittel wie Computer, Computerprogramme oder elektronisch zugängliche Datenbanken sehr geschätzt. Sie machen den Übersetzungsprozess nicht immer schneller, sie machen das Ergebnis jedoch definitiv besser.

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Für das Neue Testament wird Schlange gestanden
Wycliffe steht Flüchtlingen, die Deutsch lernen wollen, helfend zur Seite. Wie engagiert sich das Werk?
Helfend zur Seite stehen möchten wir vor allem den Gemeinden und Kirchen hier in der Schweiz. Wir unterstützen als christliches Werk die Gemeinde Jesu in ihrem Auftrag. Im Schweizer Kontext sehen aktuell mehr und mehr Gemeindeglieder den Auftrag, Flüchtlingen zu helfen, zum Beispiel mit Deutschkursen. Da Sprache und Sprachelernen zum Kern des Auftrags von Wycliffe gehören, können wir bei diesem Thema unsere Erfahrungen mit einbringen, indem wir vollständig ausgearbeitete Lektionen «Deutsch für Flüchtlinge» anbieten.

Jeder kann damit auf spannende und kreative Art anderen helfen, Deutsch zu lernen. Weiterhin gibt es eine Reihe von Videos, die den Gebrauch der Unterrichtslektionen erklären.

In wie vielen Projekten ist Wycliffe Schweiz zurzeit involviert?
Von den rund 90 im Ausland Mitarbeitenden von Wycliffe Schweiz sind einige als Übersetzer aktiv, andere prüfen übersetzte Bibeltexte. Wieder andere helfen mit, dass aus übersetzten Texten Audiobibeln entstehen oder dass Bibelinhalte in den Kirchen eingesetzt werden. Dazu kommen noch die Buchhalter, die Lehrer, die Alphabetisierungsspezialisten, oder diejenigen, die irgendwo eine Leitungsfunktion inne haben... Im vergangenen Jahr waren Schweizer Mitarbeitende an insgesamt knapp 40 Sprachprojekten beteiligt.

Zur Webseite:
Wycliffe

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Datum: 25.02.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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