Japan

Mehr Interesse am christlichen Glauben

Fast drei Monate sind seit der Flut- und Reaktorkatastrophe in Japan vergangen. Bei den Hilfsaktionen arbeiten Christen über die Konfessionsgrenzen hinweg zusammen. Verschiedene christliche Organisationen bestätigen, dass es heute in Japan einfacher sei, über den Glauben zu reden. Die Japanische Bibelgesellschaft hat – neben humanitärer Hilfe – auch 20‘000 Bibeln im Krisengebiet verteilt.

Als Folge von Fukushima wird in der Schweiz momentan vor allem die Stilllegung der AKWs diskutiert. Über Japan wird kaum noch gesprochen, obwohl die Folgen des stärksten je gemessenen Erdbebens (Stärke 9.0) am 11. März 2011, des anschliessenden Tsunamis mit einer bis zu 30 Meter hohen Flutwelle und der Nuklearkatastrophe von Fukushima noch längst nicht ausgestanden sind. Und wie wirkt sich die Mehrfachkatastrophe auf die geistliche Lage im Land aus? Die Evangelische Nachrichtenagentur idea hat bei Hilfswerken nachgefragt.

50 neue Gemeinden im Krisengebiet geplant

Vor allem US-amerikanische Missionsexperten beobachten, dass das Interesse am christlichen Glauben in der japanischen Bevölkerung gewachsen ist. Europäische Fachleute sprechen etwas zurückhaltender von «erfreulichen Einzelfällen». 1,6 Prozent der 127 Millionen Japaner sind Christen, 83 Prozent Schintoisten.

Der Präsident des in Japan tätigen Hilfswerks Asian Access (Asiatischer Zugang), Joe Handley (Fukushima), sagte dem Informationsdienst Mission Network News (Grand Rapids/US-Bundesstaat Michigan), vor allem die einheimischen Christen hätten sich stark für die notleidenden Menschen engagiert: «Es ist unglaublich, wie viel Liebe die japanischen Kirchen mobilisiert haben, um die Menschen zu erreichen und ihnen beim Aufräumen zu helfen.» Ein Gemeindebund habe den Wunsch geäussert, in der Präfektur Iwate im Nordosten der Hauptinsel Honschu 50 Gemeinden zu gründen. Eine andere Gruppierung wolle vor allem in jenen Hafen- und Küstenstädten christliche Gemeinschaften aufbauen, in denen es bisher keine gibt. Die gesteigerte Missionsbereitschaft sei eine Folge der Zusammenarbeit bei den Hilfsaktionen über Konfessionsgrenzen hinweg. Unmittelbar nach dem Erdbeben hat nach Handleys Worten eine geistliche Erneuerung eingesetzt. Zuvor sei es Tabu gewesen, über geistliche Dinge – auch die Bibel – zu sprechen. Doch immer mehr Einwohner fragten nun vor allem die einheimischen Christen nach den Gründen für ihre Hilfe.

Einheit unter Christen

Diese Beobachtungen bestätigt der für die Deutsche Missionsgemeinschaft tätige Japan-Missionar Martin Heißwolf. Er war nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima mit seiner Familie zunächst nach Deutschland ausgeflogen worden, kehrte aber kürzlich nach Yokohama zurück. «Viele Menschen sind tatsächlich offener für den christlichen Glauben», sagte Heißwolf gegenüber idea. Von Deutschland aus hatte er die deutschsprachige Internetseite www.crashjapan.de betreut.

CRASH ist ein Zusammenschluss christlicher Hilfsorganisationen, die sich für Japan und andere Krisenherde engagieren. Heißwolf verweist auf einen Bericht im Internet. Christen hatten einen buddhistischen Tempel in Onagawa im Norden des Landes aufgesucht, um die rund 100 Menschen zu unterstützen, die dort vorübergehend untergekommen waren. Die Ehefrau des Priesters war von der Hilfe der Christen so beeindruckt, dass sie einräumte: «Vielleicht sollte ich meine Bibel hervorholen und wieder anfangen darin zu lesen.» Ihr Ehemann frage sich, ob er Pfarrer werden solle. Wie Heißwolf ferner sagte, habe die abgestimmte Nothilfe christlicher Organisationen zu einem neuen Zusammenhalt unter den christlichen Gemeindeverbänden in Japan geführt: «Früher hat es viel Streit und Uneinigkeit gegeben.» Die neue Einheit werde wahrgenommen und führe zu einem verstärkten Interesse am christlichen Glauben.

ÜMG: Neues Team vor dem Start

Die Überseeische Missionsgemeinschaft (ÜMG) organisiert ihre Japan-Arbeit neu. Sie ist mit 120 internationalen Missionaren im Land tätig. Mit den erfahrensten Japan-Missionaren soll in der Präfektur Iwate entlang der Küste ein neues Team aufgebaut werden. «Wir gehen damit in eine Region, in der bisher keine Missionswerke gearbeitet haben», sagte Missionsleiter Hans Walter Ritter (Mücke bei Gießen) gegenüber idea. Von anderen Missionsfeldern würden Mitarbeiter abgezogen. Laut ÜMG-Feldleiter Wolfgang Langhans (Tokio) ist dieses Projekt zunächst für zwei Jahre geplant. Statt Gemeinden zu gründen, wolle man mit den einheimischen zusammenarbeiten. Man wolle sich auch um die vielen Waisenkinder kümmern, die durch die Katastrophen ihre Eltern verloren haben.

20.000 Bibeln für das Krisengebiet

Unterdessen hat die Japanische Bibelgesellschaft in Sendai nicht nur Hilfsgüter weitergegeben, sondern auch Bibeln. Insgesamt sollen je 10.000 Kinderbibeln und Bibeln für Erwachsene neue Besitzer finden. Auch beim Wiederaufbau zerstörter Kirche will sich die Bibelgesellschaft engagieren.

Allianz-Mission: Kreuz aus dem Schutt hervorgezogen  

Die freikirchliche Allianz-Mission ist mit 15 Missionaren und sieben Kurzeitmissionaren in Japan tätig. Sie wollten in der Millionenmetropole Sendai mitten im Katastrophengebiet Kontakte zu anderen Hilfsorganisationen herstellen. Zahlreiche einheimische Christen aus den 35 Freien Evangelischen Gemeinden in Japan hätten bereits an mehrtägigen Hilfseinsätzen teilgenommen, teilte die Mission mit: «Sie helfen bei der Verteilung von Hilfsgütern, beim Wegräumen der riesigen Schutt- und Abfallberge, reinigen Häuser und kümmern sich um traumatisierte Menschen.» Missionsleiter Erhard Michel hat sich im April selber einen Eindruck von der Lage gemacht. Das Ausmass der Zerstörungen sei «einfach unfassbar». Er besuchte auch eine zerstörte Kirche. Michel: «Gemeindemitglieder haben das Kreuz aus dem Schutt und Schlamm hervorgezogen und wieder aufgerichtet. Auf einer Holztafel stehen in japanischen Schriftzeichen die Worte: ‚Wir glauben an eine Erweckung für diesen Ort.’»

Zum Thema:
Crash Japan (Zusammenschluss christlicher Hilfsorganisationen)
Livenet-Dossier zur Katastrophe in Japan

Datum: 05.06.2011
Quelle: idea.de

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