Die geraubte Universität

Der Ehrendoktor für den Patriarchen kann das Unrecht nicht kaschieren

Die Türkei tut sich weiterhin schwer mit den Rechten für die Christen. Ein Beispiel dafür ist die tragische Geschichte des evangelischen «Robert College» in Istanbul.

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Patriarch Bartholomaios I.
Von der offiziellen Seite der Türkei wird die Verleihung eines Ehrendoktortitels für Patriarch Bartholomaios I. durch die staatliche Eliteuniversität Bogazici (Bosporus) am 19. Dezember als Beweis für ihre Christenfreundlichkeit herausgestellt. Zu ihrem 150-jährigen Bestehen hat die Uni ihm das Ehrendoktorat der Umweltwissenschaften verliehen. Bei diesem «Juwel des türkischen Hochschulwesens», das nur ein Prozent der Besten aller Maturantinnen und Maturanten des Landes aufnimmt, handelt es sich aber um eine «Raubuniversität», die den evangelischen Christen 1971 schlichtweg gestohlen wurde.

Es geschah im gleichen Jahr und mit dem gleichen Gesetz, das auch die griechisch-orthodoxe Theologische Hochschule von Chalki zum Schliessen zwang. Der Amtsvorgänger von Bartholomaios, Patriarch Athenagoras, war immerhin klug genug, die angebotene Fusionierung mit einer türkischen Staatsuniversität zu vermeiden. So blieben wenigsten die Baulichkeiten und Einrichtungen von Chalki samt seiner berühmten Bibliothek der Kirche erhalten – wenn auch unter Verschluss.

Das evangelische «Robert College» glaubte hingegen den Versprechungen, im Rahmen der neu zu gründenden staatlichen «Bosporus-Universität» eigenständig weiter bestehen zu können. So sah es sich aber bald um seinen gesamten Campus und sogar den eigenen Namen gebracht!

Das Robert College hatte 1863 der amerikanische Prediger Cyrus Hamlin mit finanzieller Unterstützung des Philanthropen Robert Rhinelander gegründet, nach dem es auch benannt wurde. Es handelte sich um eine von mehreren missionarischen Bildungseinrichtungen aus den USA, wie etwa den Amerikanischen Universitäten von Beirut oder Kairo. Das Robert College entwickelte sich zur führenden Hochschule für Istanbuls Christen, die bis nach dem Ersten Weltkrieg die Mehrheit der Einwohner bildeten. Besonders für eine junge akademische und christlich geprägte Generation der Bulgaren – damals noch Untertanen des Sultans – erlangte es führende Bedeutung. Zugleich pflegte das unitarisch ausgerichtete College enge Beziehungen zum türkischen Islam, besonders dem Bektaschi-Orden. Das vortrinitarische Gottesbild der Unitarier erleichterte diesen Brückenschlag.

Doch 1971 fand das alles mit dem Schlag Ankaras gegen die letzten «fremdreligiösen» Hochschulen des Landes ein Ende. Erst neuerdings besinnt sich die Bosporus Universität wieder auf das Erbe des Robert College. Ihr Ehrendoktor für Bartholomaios, der energisch um die Wiedereröffnung des Seminars auf Chalki kämpft, weist jedenfalls in diese Richtung.

Zum Thema:
Nationalisten gegen Christen: Putschistenprozess in der Türkei
Türkische Protestwelle: Die Unrast am Bosporus bedroht auch die Kirchen
Re-Islamisierungs-Schacher: Hagia-Sophia-Moschee gegen theologische Fakultät

Datum: 16.12.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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