Daniel Williams in Zürich

«Antwort aus dem Westen reicht für Nahost-Christen nicht»

Viele Jahre lebte Daniel Williams als Korrespondent im Nahen Osten, unter anderem für die «Washington Post» und die «Los Angeles Times». In einem Buch analysiert er die jüngsten Geschehnisse in dieser Region. Einen Einblick gewährt er am 4. Mai um 18.00 Uhr im Glockenhof Zürich. Zum Anlass lädt «Christian Solidarity International» (CSI). Livenet sprach mit John Eibner, Mitglied des Internationalen Managements von CSI und Nahost-Verantwortlicher bei CSI-Schweiz.

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Daniel Williams spricht in Zürich
Livenet: John Eibner, was wird das Hauptthema im Referat von Daniel Williams in Zürich sein?
John Eibner: Daniel Williams lebte viele Jahre als Polit-Reporter im Nahen Osten. Aus erster Hand sah er die lebensbedrohliche Gefährdung der Christen in der Region. In Ländern wie dem Irak und Syrien herrscht grausame Gewalt im Namen des islamischen Dschihad. Williams sah ebenfalls die grobfahrlässig unzureichende Antwort der westlichen Regierungen, Kirchen und der zivilgesellschaftlichen Institutionen, die sich gerne als Champions der Menschenrechte darstellen. 

Gerade verfasste Daniel Williams ein Buch zum Nahen Osten. Es trägt den Titel «Forsaken», also «Vergessen». Wie sieht diese jüngste Analyse aus?
Die treibende Kraft hinter der Verfolgung der Christen im Nahen Osten ist laut Daniel Williams die Ideologie des Dschihad. Der sunnitisch-muslimische Vorherrschaftsglaube ist zu einem globalen Machtfaktor geworden, einschliesslich in Europa, insbesondere aufgrund seiner Unterstützung durch ölreiche Staaten wie Saudi-Arabien und Katar, welche beide Schlüsselalliierte der USA sind. Al-Kaida, der Islamische Staat und andere dschihadistische Rebellengruppen in Syrien tauchen als die extremsten Befürworter dieser saudisch-katarisch unterstützten anti-christlichen Kräfte auf.

Doch es gibt noch einen anderen Aspekt, den Daniel Williams beleuchtet: Die westlichen Demokratien zeigen sich im Grossen und Ganzen blind gegenüber dem Genozid-Prozess, der das Christentum aus dem Nahen Osten fegt.

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John Eibner, Mitglied des Internationalen Managements von CSI
Zuletzt recherchierte Williams über den Arabischen Frühling. Welche Ergebnisse wird er am CSI-Abend liefern?
Williams zeigt auf, wie der Dschihadismus im Irak aufwallte, nachdem die Amerikaner Saddam Hussein stürzten. Die staatlichen Institutionen waren zerstört, was anti-christlichen Dschihad-Kräften Raum gab. Diese Kräfte strebten danach, eine sunnitische Vorherrschaft wiederherzustellen. Ähnliches geschah in Syrien. Der «Arabische Frühling» wurde von anti-christlichen Sunni-suprematistischen Kräften schnell dazu genutzt, das Land vom «ungläubigen», alawitischen Präsident Bashar al-Assad zu übernehmen. Armiert von Washington, Saudi-Arabien, Katar und der Türkei eroberten die Dschihadisten bald grosse Teile des Landes und führten Scharia-Zonen ein. Auch unter der Regierung der Muslimbrüder in Ägypten wurde die Verfolgung der Christen intensiviert. Doch nachdem General as-Sisi diese Kräfte entfernte, wurde der anti-christliche Dschihadismus eingedämmt.

CSI lädt regelmässig mit wachsender, öffentlicher Beachtung zu Vorträgen in Zürich. Welche Resultate sind mittlerweile zu erkennen, was konnte bewegt werden?
Wir sehen ein rapide wachsendes öffentliches Bewusstsein für die harte Realität, der die Christen und andere religiöse Minderheiten im Nahen Osten ausgesetzt sind. Das hat eine starke Auswirkung auf die Befähigung von CSI und andere NGOs, die für die Opfer des Dschihad einstehen. Doch wir haben ein grösseres Ziel, das noch nicht erreicht ist. Wir wollen demonstrieren, dass der Schutz der religiösen Minderheiten im Interesse der starken, von Washington angeführten Allianz, die auch europäische und sunnitische Staaten beinhaltet, ist. Geschieht das nicht, müssen die religiösen Minderheiten in einem Exodus aus den bedrohlichsten Situationen in der Region unterstützt werden.  

Sie reisen selbst regelmässig in den Irak und Syrien was begegnet Ihnen da?
Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, um die Umstände zu beschreiben, die ich bei meinen Begegnungen in Syrien und im Irak vorgefunden habe. Der Geruch von Tod, Zerstörung und Vertreibung hängt schwer über beiden Ländern. Keine religiöse Gruppe ist unversehrt davongekommen. Die christliche Gemeinschaft im Irak steht vor der Auslöschung, ohne dass ein nennenswerter Schützer in Sicht ist. Von den noch rund 200'000 Christen im Irak lebt die Mehrheit innerhalb des Landes als Vertriebene.

In Syrien besteht ein wenig mehr Hoffnung. Dies weil die säkulare Assad-Regierung, gestützt von Russland, immer noch einen grossen Teil des Landes kontrolliert und in diesen Gegenden die Minderheiten – inklusive den Christen – geschützt sind. Dagegen sind jene Landesteile, die von den Rebellen gehalten werden, nahezu komplett «religiös gesäubert». Wenn Washingtons Allianz mit dem Ziel, die syrische Regierung zu stürzen, erfolgreich ist, dürfte die syrische Christenheit keine existenzfähige Gemeinschaft mehr sein.

In der Schweiz stehen wir diesem Geschehen scheinbar hilflos gegenüber - deshalb die grosse Frage: Was können wir tun?
Mehr oder weniger jeder Schweizer oder Deutsche kann humanitäre Hilfe für Dschihad-Opfer geben. Eine grössere Herausforderung ist es, Druck auf die Regierungen zu machen, dass sie eine Politik verfolgen, die den Nahen Osten stabilisiert und mit jener aufhören, welche destabilisiert. Dazu gehört, dass nicht mehr Regierungswechsel verlangt werden, ohne sicherzustellen, dass die Minderheiten geschützt sind. Auch sollte kein Schulterschluss mit muslimisch-suprematistischen Staaten auf Kosten der Christen und anderer Minderheiten erfolgen. Doch die Herausforderung ist nicht hoffnungslos, wenn Christen und andere mit gutem Willen ihre Stimme kollektiv erheben und agieren.

Es wird nicht der letzte Abend von CSI zum Thema sein, welche Termine folgen nun?
Der nächste ist am 14. Juni im Glockenhof in Zürich geplant. Rednerin ist Dr. Mariz Tadros von der Universität von Sussex, die über den Wandel nach dem «Arabischen Frühling» in Ägypten spricht, nämlich die Herausforderungen des sozialen Pluralismus. Wir werden weiterhin die Öffentlichkeit über die existenzielle Krise informieren, die den Christen und anderen religiösen Minderheiten im Nahen Osten widerfährt und wie das die Sicherheit in Europa gefährdet.

Zum Thema:
Freiheit für Raif Badawi: CSI gibt Petition in Saudi-Botschaft ab
CSI-Bericht von John Eibner: Optimismus der Christen in Syrien schwindet
Mahnwache in Zürich: «Wenn nicht wir, wer dann?»

Datum: 04.05.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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