Vergebung mitten im Krieg

«Das machen wir so, wir sind ja schliesslich Christen»

Livenet-Redaktor Hauke Burgarth erlebte bei einem Hilfseinsatz im Irak live viel Eindrückliches. Unter anderem erkannte er, wie selbstverständlich die Christen dort Feindesliebe leben. Hier sein Bericht.

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Darian beim Tragen von Hilfsgütern
Ich stehe neben einem jungen Iraker und wir laden gemeinsam Hilfsgüter in einen Kleinlaster: palettenweise Babynahrung, Müsli, Nudeln und Pudding von dem Hilfswerk GAiN. Darian strahlt mich an und meint: «Das hier ist alles für Daesch (das arabische Wort für den IS). Aber das machen wir so, wir sind ja schliesslich Christen …» Natürlich frage ich zurück, wie er das meint.

Vom Ladenbesitzer zum Flüchtling

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Darian in seinem Markt (li), der ganz vom IS zerstört wurde (re).

Der 25-jährige Mann Darian (Name geändert) stammt aus Bartella, einer Kleinstadt östlich von Mossul. Hier lebten früher hauptsächlich Christen. Bis vor drei Jahren war er als Inhaber von drei kleinen Supermärkten und Hausbesitzer für sein Alter recht erfolgreich. Zusammen mit seiner Frau schaute er hoffnungsvoll in die Zukunft, doch dann kamen die IS-Truppen. «Wir konnten gerade noch weglaufen», erzählt er. «Eine Stunde später kam Daesch und nahm alles in Besitz. Wir hatten nur noch das, was wir auf dem Leib trugen, aber Gott sei Dank waren meine Eltern, meine Brüder, meine Frau und ich noch am Leben.»

Was folgt, war ein «normales» Flüchtlingsschicksal: Monatelang waren sie in einem Lager untergebracht. Schliesslich fand Darian Arbeit. Für ein kleines Gehalt hilft er jetzt in einem Hotel aus. Sein Verdienst reichte gerade dafür, die Familie aus dem Lager zu holen und eine kleine Wohnung zu mieten. Hier wurde auch Mariam geboren, seine jetzt anderthalbjährige Tochter. «Ihr eigentliches Zuhause hat sie noch nie gesehen», meint er, «doch das wird sich hoffentlich bald ändern.»

Darian war inzwischen wieder in seiner alten Heimat. Bartella ist bereits befreit, doch die Frontlinie ist nur wenige Kilometer entfernt. Die ehemals schönen Läden und sein Haus sind geplündert, verbrannt, zerstört. Er will trotzdem dorthin zurück. «Ich habe etwas Geld gespart. Es ist nicht viel, aber ich will noch einmal anfangen. Ich will nicht ins Ausland gehen, das hier ist doch mein Land, hier gehöre ich hin.»

Hilfe für ehemalige Feinde

Dann kommt Darian auf die Hilfsgüter zurück: «Weisst du», erklärt er mir, «die ganzen Sachen hier gehen an sunnitische Flüchtlinge, die gerade vor dem IS aus Mossul geflohen sind. Bevor wir damals gehen mussten, haben viele von ihnen Daesch geholfen – es sind ja Glaubensbrüder. Etliche von ihnen haben unsere Häuser geplündert. Aber nun sind sie selbst auf der Flucht – und da helfen wir ihnen. Das machen wir so, wir sind ja schliesslich Christen.» Mit diesen Worten nimmt Darian den nächsten schweren Karton auf die Schulter, um seinen Feinden zu helfen.

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Hauke Burgarth
Hauke Burgarth war über die Weihnachtszeit für vier Wochen mit dem Hilfswerk Global Aid Network (GAiN) im Irak. Begegnungen wie diese mit Darian, der sich als Christ selbstverständlich für seine ehemaligen muslimischen Nachbarn einsetzt, haben seine Zeit dort geprägt.

Zum Thema:
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Datum: 15.01.2017
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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