«Niemand kann sich immer nur in andere investieren»
Junge Erwachsene tauchen in der Kirche oft nur als Mitarbeitende auf. Mit dem «Sonday», einer Art Wohnzimmergottesdienst, hat die evangelische Kirchengemeinde Nierenhof im deutschen Ruhrgebiet ein Angebot für sie geschaffen, das Anklang findet.
Das Café «Kostbar» in der Gemeinde Nierendorf ist ein Angebot für junge Erwachsene.
Es ist Sonntagabend, die Kirche ist dunkel, doch hinter der Kirche im
Café Kostbar tönt Musik im Hintergrund; hier findet gleich ein
Gottesdienst statt. Hinter der Bar steht eine junge Frau, Berit. Sie
macht Kaffee, gibt Limo und Kuchen aus und plaudert mit den Gästen.
Manche von ihnen sitzen an Tischen und quatschen oder spielen Dog, ein
Brettspiel – so ähnlich wie «Mensch ärgere dich nicht».
Die erste Idee
Spiel und Spass am Sonday-Gottesdienst
Die Gäste sind hier nicht fremd – es sind die jungen Erwachsenen der
Kirchengemeinde Nierenhof im Ruhrgebiet. Vor zwei Jahren entstand die
Idee, ein Angebot für sie zu schaffen, wo sie einfach ankommen,
entspannen, auftanken können, ohne permanent ehrenamtlich mitarbeiten zu
müssen. Berit bemerkte damals: Wenn Jugendliche erwachsen werden, gibt
es keine Treffpunkte mehr für sie. Sie bringen sich ein, z.B. in den
Programmen für Kinder; doch niemand kann immer nur in andere
investieren. Deshalb wünschten Berit und ihre Freunde sich einen Ort nur
für sich.
Berit begann, regelmässig dafür zu beten, traf sich mit anderen, sie
tauschten sich aus. Nach sechs Monaten stand das erste Konzept fest. Es
sollte ein Wohnzimmergottesdienst mit dem Namen Sonday werden. Alle zwei
Wochen wurden jede Menge Sofas und Tische in die ansonsten leere Kirche
geschleppt. Ein Dart und ein Tischkicker ergänzten die gesellige
Atmosphäre. Das Programm ähnelte einem aufwendigen Jugendgottesdienst,
den Input lieferten Gastsprecher. Leider kam dieses erste Konzept nicht
so gut an wie geplant. Die Sofas und Tische musste irgendjemand auch
wieder wegschleppen, deshalb bedeutete der Sonntagabend eher Arbeit als
Entspannung. Ausserdem predigten die Gastredner so unterschiedlich, dass
die Teilnehmenden nie genau wussten, was sie erwartet.
Umzug ins Café
Wegen dieser Überraschungstüte kamen manche der jungen Leute nicht
mehr. Also musste das Konzept überarbeitet werden. Berit erzählt, dass
es jetzt schon die dritte Version des Sonday gibt. Immer wieder muss
überprüft werden, ob das Angebot zur Zielgruppe passt.
Inzwischen finden
die Wohnzimmergottesdienste im heimeligen Café Kostbar statt und das
Programm ist schlicht. Ab 18 Uhr ist das Café für den Sonday offen. Gegen 19 Uhr beginnen
zwei der jungen Erwachsenen, nur mit Klavierbegleitung einen
Lobpreisteil anzuleiten. Die Gespräche an den Tischen verstummen, manche
stehen auf. Später geht Josephin Jansen nach vorne, sie leitet mit
ihrem Mann Nico die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen der
Gemeinde. Josi liest eine Geschichte des Neuen Testaments vor und teilt
ihre Gedanken dazu. Es ist keine wortgewaltige Predigt, sondern viel
mehr eine persönliche Andacht. Bevor sie sich wieder in die Gruppe
mischt, gibt Josi den jungen Leuten noch vier Gesprächsanregungen mit.
An der Leinwand sind sie noch einmal zu sehen.
An den Tischen beginnt
das Gemurmel. Josi hat die Teilnehmenden dazu eingeladen, sich
auszutauschen und miteinander zu beten. Nach einer Weile steht Nico auf
und beendet die Gesprächsgruppen; er gibt aktuelle Infos aus der
Gemeinde und zum Sonday weiter. Doch damit ist der Abend nicht beendet.
Wie alles ganz offen begonnen hat, so endet es auch offen: Wer möchte,
kann bleiben, Kuchen essen, einen Tee trinken, ins Gespräch kommen, ein
Brettspiel spielen. Denn dieser Ort ist wie ein Wohnzimmer, in dem man
einfach da ist und entspannt.
Flexibles Format
Abwechselnd zum Wohnzimmergottesdienst finden im zweiwöchigen
Rhythmus Hauskreise statt. Wer mitmachen möchte, meldet sich für drei
Monate an. Nach dieser Zeit werden neue Gruppen angeboten. Denn die
Lebensphase zwischen 18 und 24 Jahren verändert sich meist schnell, z.B. wenn ein Auslandssemester oder ein Praktikum ansteht. Durch die
dreimonatigen Angebote können alle frei entscheiden, ob sie gerade an
einem Hauskreis teilnehmen möchten oder nicht.
Cover des Magazins «3E»
Josephin Jansen erklärt: «Weil diese Generation so dynamisch ist,
muss auch das Angebot so dynamisch sein.» Etwa 30 junge Erwachsene gibt
es in der Gemeinde, von denen ungefähr 20 zu einem Sonday kommen. Beim
aktuellen Konzept wissen sie genau, was sie erwartet, sie können
flexibel entscheiden, wann sie Zeit haben, und sie wissen: An diesem Ort
kann ich mich fallen lassen.
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