Die deutschen Theologen und Gemeindeforscher
Tobias Faix und Tobias Künkler haben eine neue empirica-Studie zur Situation
junger Christen in Deutschland vorgelegt – mit herausfordernden Ergebnissen.
Das Buch zur Studie mit
dem Titel «Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche» wurde auf der
Frankfurter Buchmesse der Öffentlichkeit vorgestellt. Die beiden Forscher Tobias
Faix und Tobias Künkler haben 3'187 evangelische Jugendliche und junge Erwachsene
im Alter zwischen 14 und 29 Jahren über ihre Einstellungen zum Glauben befragt.
Es ging dabei um «hochreligiöse» junge Menschen, deren Wahrnehmung, Denken und
Verhalten durch ihren Glauben stark beeinflusst wird. Knapp die Hälfte der
Befragten (48 Prozent) fühlt sich der Evangelischen Kirche zugehörig. Der Rest
verteilt sich auf landeskirchliche Gemeinschaften und Freikirchen oder machte
keine Angaben zur Gemeindezugehörigkeit, wie das Medienmagazin «pro»
berichtet.
Lobpreis: Eigener Körper als Resonanzraum
Der Lobpreis übernimmt
nach Ansicht von Faix die Funktion einer Liturgie. Es gebe wenig «Emotionalität
und Körperlichkeit» in vielen Gottesdiensten, darum sei der Lobpreis für junge
Leute so wichtig. «Lobpreis ist auch deshalb so beliebt, weil der eigene Körper
von den Jugendlichen als Resonanzraum empfunden wird, in dem sie Gott erleben.
Sie spüren sich und Gott», erklärt Faix im Gespräch mit «pro». Überhaupt
ziehe sich die «Emotionalisierung des Glaubens» wie ein roter Faden durch alle
Ergebnisse der Studie. Und während die ältere Generation den Gottesdienst «aus
einer gewissen Tradition heraus» und aus «innerer Verpflichtung» besuche, gehe
es den jungen Leuten vor allem darum, durch den Gottesdienstbesuch Beziehungen
zu leben.
Nachholbedarf: Bessere Lobpreislieder
Tobias Faix
Die Studie enthüllt: Liederdichter
und Lobpreisleiter prägen die hochreligiösen Jugendlichen mehr als die Pfarrer.
Dessen müssten die Liedermacher sich mehr bewusst sein und ihre Lieder
«geistlich, theologisch und biblisch aufladen». Nur Bibelverse zu vertonen sei
nicht genug. «Es gibt kaum Lobpreislieder, die soziales Engagement von
Gemeinden zum Gegenstand haben, oder die Bewahrung der Schöpfung in den Blick
nehmen. Das ist eine Verantwortung, wo musikalisch, aber auch lyrisch
Nachholbedarf besteht», so Faix im Gespräch mit «pro».
Kein Unterschied zwischen Bibel- und
Lobpreisvers?
Mit ihrem Buch wollen
Faix und Künkler auch eine Diskussion über das allgemeine Bibelverständnis
anstossen. «Teilweise können Studierende nicht mehr zwischen einer Strophe aus
einem Lobpreislied und einem Bibelvers unterscheiden», stellt Faix fest. Die
Jugendlichen wüchsen oftmals «in einer emotionalen, geistlichen Glaubensblase
auf, die aber wenig biblisch verortet ist», hält der Theologe fest. Es gebe keine
eindeutige Bibelauslegung mehr, sondern eine grosse Unsicherheit, wie die Bibel
zu verstehen und gebrauchen ist. Lediglich 19 Prozent der befragten
hochreligiösen Jugendlichen befürworteten die wörtliche Auslegung der Bibel.
Fazit von Faix: «Die Bibel ist wichtig, spielt aber im praktischen Alltag der
hochreligiösen Jugendlichen nur noch eine untergeordnete Rolle.» Sehr deutlich werde
das z.B. in ethischen Fragen. «Theoretisch, sagen die Jugendlichen, steht in
der Bibel, dass Homosexualität und Sex vor der Ehe Sünde sind. Aber praktisch
hat es wenig Konsequenzen», erklärt Faix.
Hoch engagiert – Kirche von heute
Positiv bringt die
Studie zum Ausdruck, dass 88 Prozent der Befragten in ihrer (Kirch)Gemeinde
engagiert seien. Bei sinkenden Mitgliedszahlen sei das ein Hoffnungszeichen – «die
Jugendlichen wollten Kirche mitgestalten und mitentscheiden». Die junge
Generation wünsche sich moderne, generationsübergreifende Gottesdienste
und es sei wichtig, sie in die kirchlichen Strukturen einzubinden. Die Jugend
müsse ins Zentrum der Kirche rücken, fordert Faix im Gespräch mit «pro». Entgegen
dem oft gehörten Wort, Jugend sei die Kirche von morgen, hält der Theologe fest:
«Jugend ist die Kirche von heute, die die Kirche von morgen prägt.»