Christoph Gysel

Tourismuspfarrer mit starkem Vertrauen und schwachem Rücken

Am 1. Februar tritt Christoph Gysel seine Teilzeitstelle als evangelischer Tourismuspfarrer im Kanton Wallis an. Doch zunächst wartet nicht die Kanzel, sondern die Klinik. Grosse Leidenschaft und starkes Leiden.

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Christoph Gysel
«Wer sind Sie eigentlich, Christoph Gysel?» Der 54-jährige Gastgeber zögert: «Das frage ich mich manchmal auch. Ich fühle mich jedenfalls auch in allen verrückten Lebenssituationen als ein Gotteskind mit grossem Grundvertrauen.» Das Vertrauen nimmt er quasi mit der Muttermilch auf. Als siebtes von neun Kindern einer einfachen Bauernfamilie wächst er im Klettgau im Kanton Schaffhausen auf. «Der Glaube wurde uns vorgelebt. Unsere Erziehung war von Vertrauen geprägt.»

Früh schulmüde, zieht der 15-jährige Christoph ins Welschland, um Winzer zu lernen. Bald engagiert er sich stark in der christlichen Jugendarbeit. Nach der Lehre zurück auf den väterlichen Betrieb. Dann der Unfall in der Jungschar: Beim Aufstehen aus dem Schneidersitz knackt es heftig in den Knien. Ursache: Fehlstellung in den Hüftgelenken. Die ersten Operationen. Der Arzt sagt: «Den Job als Winzer kannst du vergessen.» In der Nacht ringt er mit Gott: «Wenn du wirklich willst, gehe ich halt ans Predigerseminar St. Chrischona.» Darauf kann er bestens schlafen. Anderntags die Anmeldung, mehr spasshaft als ernsthaft gemeint. Er wird problemlos aufgenommen. Mit 22 beginnt das Theologiestudium, aber auch eine Zeit mit schweren Operationen an Knien und Hüften.

Katastrophe öffnet Türen

Kaum im Dienst als Prediger, die nächste Zerreissprobe: Chrischona möchte im katholisch geprägten Kanton Wallis eine Gemeinde gründen. Christoph Gysel ringt und zweifelt: «Doch mir gingen die Ausreden aus.» Er baut in Sierre eine zweisprachige Gemeinde auf. Im 55 Kilometer entfernten Saas Grund entsteht eine Aussenstation, zuerst beim Dorfarzt, dann im beschaulichen Hotel Atlas. 1993 der Umzug mit Ehefrau Regula und den drei Söhnen ins Saastal.

Als Multitalent wird er zum Pastor mit eigenem Hotel. Im Speisesaal bewirtet er seine Feriengäste und predigt zu seiner Gemeinde. Die Ablehnung im Dorf gegen den «Sektenprediger» ist gross. Wenn er kommt, wechseln die Saaser die Strassenseite. Im gleichen Jahr die Katastrophe: Dramatische Unwetter, 150 Häuser mit Geröll und Schlamm gefüllt. Mit einem Team von Freiwilligen leistet der Pastor einen aufopfernden Hilfseinsatz. Nun wächst die Akzeptanz. Sozialeinsätze gehören fortan zum Gemeindeprogramm. «Nächstenliebe muss konkret werden. Die Probleme im Tal gehen mich etwas an.»

Im Urlaub offen für Gott

Heute ist Christoph Gysel vielfacher «Problemlöser»: Pastor (50 Prozent), Präsident und Animator von Saasfee/Saastal-Tourismus (20 Prozent), Friedensrichter, Weinbauer mit kleinem Rebberg, Redaktor und Kolumnist im Regionalblatt «Allalin-News». Daneben führt seine Frau das «Atlas» nun als kleines Appartementhaus.

Ab 1. Februar ist er auch evangelischer Tourismuspfarrer im Wallis (20 Prozent). Er koordiniert die Gottesdienste in den Ferienzentren, predigt, tröstet, traut auch mal ein Pärchen in einer Bergkapelle. Eine grosse Chance: «Viele Gäste sind im Urlaub viel offener für Gott.» Doch vorerst wartet die Klinik, nicht die Kanzel: Versteifung der Lendenwirbel. Die Rückenschmerzen sind fast unerträglich geworden. Das Stehen und Gehen fällt unendlich schwer. Christoph Gysel leitet einen Seefahrerspruch für sich ab: «Was fürchte ich den Schiffbruch, wenn Gott der Ozean ist? Vertrauen trainiert man nur in Schwierigkeiten!»

«Was soll einmal in Ihrer Todesanzeige stehen?» Jetzt zögert der Tourismuspfarrer nicht: «Er hatte die schwierigen Walliser gern und war einer von ihnen. Er war als Christ konkret für sie da.»

Zum Thema:
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Datum: 27.01.2013
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: idea Spektrum

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