Alkoholindustrie wichtiger als die Gesundheit der Jugend?
Heute Mittwoch wird im Ständerat entschieden, ob es der Alkohollobby gelingt, dem geplanten Präventionsgesetz den Biss zu nehmen.
Der erste Entwurf zur Totalrevision des Alkoholgesetzes vom Juni 2010 sah vor, dass alkoholische Getränke im Einzelhandel mindestens kostendeckend sein müssen. Denn ein hoher Preis wirkt präventiv. Präventions- und Suchtfachstellen begrüssten diese Massnahme gegen Billigstangebote. Nun ist der Bundesrat davon abgerückt. Das kritisieren die Fachstelle «Sucht Schweiz» des Bundes und das Blaue Kreuz, wie der Pressedienst der Schweizerischen Stiftung für die Familie (SSF) berichtet.
Der Bundesrat will im neuen Alkoholgesetz keine preisgestaltenden Massnahmen mehr aufnehmen. Obschon die Preise für alkoholische Getränke stärker gesunken sind als jene für Nahrungsmittel. Und obwohl erwiesen ist, dass der problematische Alkoholkonsum über den Preis gezielt beeinflusst werden kann.
Massnahme ersatzlos gestrichen
Der Gesetzesentwurf des Bundesrates, den der Ständerat diesen Mittwoch beraten wird, enthält keine einzige preisgestaltende Massnahme mehr. Dies erstaunt, da der Preis den Alkoholkonsum besonders stark zu beeinflussen vermag. Wissenschaftliche Studien zeigen: Werden alkoholische Getränke teurer, wird weniger getrunken. Das gilt besonders für Jugendliche oder Menschen, die viel Alkohol konsumieren oder gar abhängig sind. Das Portemonnaie der moderat Konsumierenden würde nur unwesentlich belastet. «Und wo weniger konsumiert wird, verringern sich die Gesundheitskosten und alkoholbedingte Schäden wie Alkoholvergiftungen, Gewalt und Verkehrsunfälle oder auch Littering», stellt «Sucht Schweiz» fest. Und: «Gemessen an der gestiegenen Kaufkraft ist Alkohol heute sehr billig zu haben. Die Preise sinken sogar stärker als jene für Nahrungsmittel. Ein Rausch zum Preis eines Sandwiches ist heute problemlos möglich.»
Nicht zufrieden mit dem Entwurf ist auch das Blaue Kreuz, wie Geschäftsleiter Matthias Zeller auf Anfrage erklärt. Der Gesetzesentwurf könne das selbst gesteckte Ziel «den problematischen Alkoholkonsum und die Schäden, die dadurch verursacht werden können, zu vermindern …[und] insbesondere die Jugend zu schützen» so nicht erfüllen. Das Blaue Kreuz habe den Ständerat aufgefordert, ein deutliches Zeichen für die Gesundheit zu setzen und dafür in erster Linie bei «der Erhältlichkeit des Alkohols und beim Preis anzusetzen».
Blaues Kreuz schlägt griffige Massnahmen vor
Das Blaue Kreuz listete dazu Massnahmen auf wie ein Verkaufsverbot an unter 18-Jährige, eine Lenkungsabgabe für Billigstalkohol, eine Erhöhung der Spirituosensteuer auf 35 Franken pro Liter, ein Verkaufsverbot von Alkohol in der Nacht, ein Verbot von «Happy Hours» sowie die gesetzliche Verankerung von Testkäufen. Die Organisation regt auch an, beim Werbeverbot die Unterscheidung zwischen vergärten (Bier) und destillierten Getränken aufzuheben.
In Baden-Württemberg ist das Verkaufsverbot von Alkohol zwischen 22 und 5 Uhr an Tankstellen und Supermärkten bereits 2010 eingeführt worden – mit Erfolg: Nach zwei Jahren gelten nur noch sechs
Tankstellen als nächtliche Einsatzschwerpunkte der Polizei, welche alle eine
gaststättenrechtliche Verkaufserlaubnis hätten, berichtete die Badische Zeitung.
2010 galten noch 69 Tankstellen als Einsatzschwerpunkte. Auch die Fälle von
Gewalt, Körperverletzung und Widerstand seien gesunken.
Das Parlament ist am Zug
Kostendeckende Preise, Mindestpreise, eine Lenkungsabgabe oder die Erhöhung der Spirituosensteuer sind auch laut «Sucht Schweiz» wirksame Massnahmen gegen billigen Alkohol. Dass preisbildende Massnahmen vollständig aus dem Gesetzesentwurf verschwunden sind, zeige, dass die Interessen der Industrie eindeutig über die Interessen der öffentlichen Gesundheit gestellt werde. Hat sich der Bundesrat bereits dem Druck der Alkohlindustrie gebeugt?
«Sucht Schweiz» plädiert zusammen mit weiteren Organisationen aus dem Suchtbereich dafür, dass höhere Preise, welche den problematischen Konsum von alkoholischen Getränken wirksam reduzieren, in das neue Alkoholgesetz aufgenommen werden.