Die Diskussion um die No-Billag-Initiative hat die Frage neu aufgeworfen: Was für einen Staat wollen wir? Nicht zufällig stecken hinter der Initiative Befürworter eines Staates, der die Menschen mit möglichst viel privater Initiative glücklich machen will. Aber funktioniert das?
Die Diskussionen um die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren in der Schweiz hat deutlich gemacht, dass die Initianten zu einem Staatsverständnis neigen, das dem Staat nur noch die notwendigsten Aufgaben wie Justiz, Polizei und Armee überlassen will. Gegen die No-Billag-Gebühren kann aber auch sein, wer die Steuer als unsozial ansieht. Weil ein Sozialstaat Aufgaben eigentlich nicht über eine Kopfsteuer finanzieren dürfte, die von finanziell Schwachen genauso wie von Wohlhabenden zu entrichten ist.
Zwischen staatlicher Fürsorge und Selbstverantwortung
Die Diskussionen machen deutlich, dass man auch moderne demokratische Staaten sehr unterschiedlich gestalten kann. Die sogenannten Libertären haben Morgenluft gewittert, nachdem sich die westlichen Staaten mit ihren Sozial- und Gesundheitsaufgaben immer schwerer tun. Sie sehen in der Privatisierung des Service public das Heil. Demnach wären letztlich alle für ihr eigenes Wohl verantwortlich. Wem es gut geht, der soll von Steuern und Abgaben weiter entlastet werden. Sozial Schwächeren soll durch Privatinitiative geholfen werden. Noch stehen aber die meisten Demokratien dem Ideal näher, dass der Staat niemanden ganz fallen lässt, dem es – aus welchen Gründen auch immer – schlecht geht. Mit guten Gründen.
Kein bedingungsloser Gehorsam
Die Bibel vermittelt kein Staatsverständnis. Sie kritisiert zwar schlechte Könige und absolute Willkürherrschaft (Antichrist). Paulus fordert die Christen in Römer, Kapitel 13 aber auf, den staatlichen Behörden grundsätzlich Gehorsam zu leisten, zumindest so weit sie ihrer Aufgabe, öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, nachkommen.
Jesus selbst sagt sehr wenig über einen guten oder gerechteten Staat. Als er auf die Steuerpflicht gegenüber den römischen Besatzern angesprochen wird, sagt er das bekannte Wort «Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.» Was dies im konkreten Fall bedeutet, muss immer wieder erarbeitet werden.
Gott mehr gehorchen ...
Doch auch im Neuen Testament wird unter Umständen Widerstand gegen Behörden gerechtfertigt, zumindest gegen religiöse. Petrus beruft sich beim Verhör vor dem obersten Religionsrat darauf, Gott mehr zu gehorchen als Menschen. Widerstand gegen Anordnungen der Staats- (oder Kirchen-)Macht kann damit Christenpflicht sein. Das hat sich in den Verfassungen westlichen Demokratien niedergeschlagen. Sie garantieren das Recht auf Gewissens- und Meinungsäusserungsfreiheit sowie der Religionsfreiheit.
Informationsmacht und Geldmacht
Wache Christen werden immer darauf achten, diese wichtigen Pfeiler der Demokratie zu schützen. Es bedeutet, dass sich auch Leute äussern dürfen, die eine völlig andere Meinung vertreten, als mir lieb ist. Dazu braucht es unabhängige Informationsnetzwerke, die aber öffentlich rechenschaftspflichtig sind. Sie dienen dazu, auch Minderheiten eine Stimme zu geben und Informationsmacht nicht mit Geldmacht zu paaren. Und es braucht Menschen, die auch dann für die Wahrheit eintreten, wenn sie weh tut.