In der Sprache selbst liegt
eine grosse Kraft. Neben dem wirksamen Wort gibt es aber auch das «wunde Wort»,
wie tsc-Dozent Stefan Felber am Forum Kommunikative Theologie Mitte Januar auf
St. Chrischona erklärte.«Die Macht liegt bei denen, die Sprache prägen können», sagte bereits
der umstrittene Philosoph und Religionskritiker Friedrich Nietzsche. Ideologien
haben davon reichlich Gebrauch gemacht, heute anschaulich am Beispiel der
gendergerechten Sprache. Sprache soll nach dem Willen der Ideologen
Wirklichkeit neu deuten und das Denken der Menschen verändern. Laut Nietzsche
gebe es nur noch Interpretationen der Wirklichkeit, die miteinander ringen. Und
diese interpretierte Wirklichkeit würde durch die Sprache erst erzeugt.
Sprache als Mittel der Manipulation
Der sprachkundige Theologe Stefan Felber hat sich intensiv mit der
Wirkung der Sprache beschäftigt und darüber unter anderem das Buch «Zwischen
Babel und Jerusalem – Aspekte von Sprache und Übersetzung» geschrieben und sich
darin zum Beispiel gegen die «Sprachumweltverschmutzung» eingesetzt. Felber
bestätigt die Feststellung von Friedrich Nietzsche insofern, als er die These
aufstellt: «An den
Sprachbemächtigungsversuchen wie am Bemühen, sie zu verteidigen, wird erkennbar,
dass ... Sprache eine Macht innewohnt, und dass diejenigen, die die Sprache zu
kontrollieren suchen, damit auch Denken und Handeln diese Sprecher
kontrollieren wollen.»
J.R.R. Tolkien
Am Beispiel des 2019 präsentierten Films über den englischen
Schriftsteller J. R. R. Tolkien zeigte Felber aber besonders die positive
gestaltende Kraft der Sprache auf, die in Dialogen in diesem biografischen Film
zutage tritt. Sprache habe eine darstellende, repräsentierende und
vergegenwärtigende Kraft. Sie könne aus- und abgrenzen, aber auch sozial
verbinden. Sie könne abstossen, aber auch Schönheit vergegenwärtigen. Sie könne
konservieren und bewahren, aber auch verändern.
Das Wunder der Sprache
Zwar haben Christen und Nichtchristen ein Interesse an guter Sprache und
an funktionierender Kommunikation. Das ist für Felber klar. Christen jedoch
erwarten vom (biblischen) Wort ausserdem, dass es ihnen einen Blick ins Herzen
Gottes ermöglicht. Und darin liege eben das «Wunder der Sprache», das denen,
welche die Welt nur materialistisch reflektieren, unerschlossen bleibe. Dieses
Wort aber sei ein «wirkmächtiges Wort». Gott sprach, und es geschah,
insbesondere schon auf den ersten Seiten der Bibel, welche über die Schöpfung
berichten. Und der Mensch erhalte die Vollmacht, Sprache wirksam anzuwenden,
wenn er den Auftrag erhalte, die Tiere mit Namen zu benennen. Dieser
«performative» Aspekt des Sprechens sei im übrigen Gott vorbehalten. Etwas
davon komme aber auch beim Segnen oder in der prophetischen Rede wieder zum
Ausdruck.
Das wunde Wort
Es gibt aber auch den Missbrauch der Sprache, wie ihn schon die Schlange
im Bericht über den Sündenfall angewandt hat, indem sie das Wort Gottes
verdrehte. Auch Kain belog Gott. Das Wort störte oft, sodass Propheten mundtot
gemacht wurden. Und Mose litt an mangelnder Sprachbegabung, sodass er Hilfe
brauchte. Das Aussprechen der Wahrheit kann heilen, aber Lügen kann eine ganze
Welt durcheinanderbringen.
Mit Jesus kam das Wort selbst in diese Welt, wie das erste Kapitel des
Johannes-Evangeliums bezeugt. Deshalb ist das Wort Gott. Und damit sind «die Worte, die ich
euch gebe, Geist und Leben», sagte Jesus seinen Nachfolgern. Aber mit Jesus wird auch das
Wort gekreuzigt. Es setzt sich nicht zwangsweise durch, wie es die Potentaten
und Ideologen dieser Welt tun. Das Wort von Gott ist damit auch verwundbar.
Sprache in ihrer höchsten Potenz
Stefan Felber sagt es so: «Das Neue Testament entdeckt in Jesus Christus
neu die performative Kraft schöpferischen Sprechens. Wahres Deklarieren,
vertrauenswürdiges Informieren paaren sich mit performativen Dimensionen. 'Denn
das Reich Gottes steht nicht in Worten, sondern in Kraft'. Aber diese entwickelt sich aus dem Wort.»
Felber legt daher den Christen folgendes ans Herz: «Am Bibelwort können
wir Sprache in ihre höchsten Potenz, Würde und Kreativität lernen, ebenso, was
Lüge und Verstellung bedeuten und welche Folgen diese haben.»