Aktive Sterbehilfe

Mehrheit der Schweizer möchte selbstbestimmt sterben

Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer befürwortet die Möglichkeit von Sterbehilfe und Suizidbeihilfe. Das hat eine Umfrage des Kriminologischen Instituts der Universität Zürich ergeben. In bestimmten Fällen solle auch eine direkte aktive Sterbehilfe erlaubt sein.

Rund 1500 Personen wurden im Rahmen dieser Umfrage um ihre Meinung gebeten. Es wurden ihnen konkrete Sterbehilfe- und Suizidbeihilfefälle vorgelegt, zu denen sie sich äussern sollten. Die Mehrheit der Befragten will demnach selbstbestimmt entscheiden, wann ihr Leben enden soll. Bei todkranken Krebspatienten würden sie sogar eine direkte aktive Sterbehilfe gesetzlich erlauben.

Die Befragten seien aber eher dagegen, dass psychisch Kranke und ältere lebensmüde Menschen ohne körperliche Beschwerden Suizidbeihilfe erhalten können. Nur 36 Prozent würden selbst die Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation beanspruchen, ist dieser landesweiten Studie zu entnehmen.

Eine Mehrheit spricht sich gegen den sogenannten Sterbe-Tourismus aus: Im Ausland wohnhafte Personen sollen nicht in die Schweiz kommen, um sich mit Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation das Leben zu nehmen.

Professor Christian Schwarzenegger, Professor für Strafprozessrecht und Kriminologie, erläuterte an einer Medienkonferenz in Zürich diese Studie. Ihm zufolge würde eine Mehrheit auch die heute verbotene direkte aktive Sterbehilfe für Menschen erlauben, die an einer tödlichen Krankheit im Endstadium leiden.

«Diese Einstellungen», erklärte Schwarzenegger, «korrespondieren mit einer positiven Sicht auf das selbstbestimmte Sterben und einer schwach ausgeprägten Religiosität». Eine Minderheit der Schweizer Bevölkerung dagegen erachte fast alle Formen von Sterbehilfe und Suizidbeihilfe als moralisch falsch und befürworte rechtliche Verbote.

Zustimmung der Angehörigen

Bei Personen, die nicht mehr selbst darüber entscheiden können, ob ihre Behandlung abgebrochen werden soll, komme es wesentlich auf die Zustimmung und Einigkeit der Angehörigen an. Dies sei zum Beispiel bei einem Komapatienen ohne Aussicht auf ein wiederzuerlangendes Bewusstsein der Fall, bei dem die Angehörigen davon ausgehen, er selber würde in diesem Zustand nicht weiterleben wollen.

«Sind sich die Angehörigen darüber nicht einig, dann befürworten sie eine Sterbehilfe am wenigsten», so Schwarzenegger. Die Ärzte dürften bei dieser Form der Sterbehilfe nicht eigenmächtig handeln, meinte die Mehrheit jener 1500 Personen. Die Gefühle der Angehörigen sollten respektiert und ihre Auseinandersetzung mit dem Tod berücksichtigt werden.

Selbstbestimmung

Wie die Studie weiter zeige, spiele die Selbstbestimmung eine zentrale Rolle. Eine Mehrheit stimme der Aussage zu, dass jeder erwachsene Mensch selber darüber entscheiden dürfe, wann er sein Leben beenden will. Vor allem ältere Personen hätten vorgesorgt und in einer Patientenverfügung geregelt, was mit ihnen zu geschehen habe, wenn sie einmal schwerkrank würden und nicht mehr selbst entscheiden könnten. Von den Über-70-Jährigen besässen 34 Prozent eine solche Patientenverfügung.

Würdevolles Sterben

Die Mehrheit der Bevölkerung ist gemäss der Umfrage der Ansicht, Suizidhilfe-Organisationen würden ein würdevolles Sterben im Beisein der Angehörigen ermöglichen. Aber 41 Prozent der Befragten könnten sich «auf keinen Fall» oder «eher nicht» vorstellen, selbst einmal auf eine solche Hilfe zurückzugreifen, 36 Prozent dagegen durchaus.

Ärztlich assistierter Suizid

Besonders abgelehnt würde eine Suizidbeihilfe für betagte Menschen ohne körperlichen Leiden, die aus Lebensmüdigkeit Suizid begehen wollen. Eine Mehrheit der Befragten würde demnach Sterbehilfe für Lebensmüde verbieten. Auch die umstrittene Suizidbeihilfe für Menschen mit schweren psychischen Krankheiten stösst nicht auf breite Zustimmung.

86 Prozent der Befragten wollen, dass primär Ärzte bei der Selbsttötung mitwirken oder speziell ausgebildetes Pflegepersonal. Weniger als die Hälfte der Befragten, nämlich 43 Prozent, waren der Ansicht, Suizidbeihilfe sollte auch von ausgebildeten Mitarbeiter von Sterbehilfe-Organisationen durchgeführt werden. Die Schweizerinnen und Schweizer bevorzugten also ein Modell des ärztlich assistierten Suizids.

Gegen Sterbetourismus

52,5 Prozent der Befragten wären damit einverstanden, wenn eine entsprechende Organisation in ihrer direkten Nachbarschaft ihre Dienste anbieten würde; vor allem Personen, die sich vorstellen können, in Zukunft selbst eine derartige «Hilfe» in Anspruch zu nehmen.

Eine Mehrheit der Befragten ist aber gegen organisierte Suizidbeihilfe an im Ausland wohnhaften Ausländern: Zwei Drittel lehnen den Sterbetourismus «voll» oder «eher» ab.

Zum Thema:
Kommentar: Das Leben – kein Geschenk?

Datum: 03.09.2010
Quelle: Livenet / Kipa

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