Verkehrte Welt in der Türkei

Hausgemeinden gefährlicher als öffentliche Gemeinden

Iraner, Türken und Georgier treffen sich in einer neu gegründeten Gemeinde in Ordu. Trotz Schwierigkeiten und Anfeindungen entstehen in der Türkei immer neue Gemeinden – ganz offiziell, denn für Christen sei es sicherer, sich in öffentlichen Kirchgebäuden zu treffen, als in Hauskreisen, berichtet ein Pastor.

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Die neu gegründete Gemeinde in einer Lagerhalle.
An vielen Orten der Welt sind Hausgemeinden die einzige Möglichkeit für Christen, sich zu treffen und gemeinsam Gottesdienst zu feiern, weil es in der Öffentlichkeit zu gefährlich für sie wäre. Nicht so in der Türkei. Gerade in den kleinen Orten gäbe es keine Anonymität, berichtet das Missionswerk Christian Aid Mission. Wenn sich Christen hier in ihren Häusern treffen würden, wären Nachbarn sofort misstrauisch und alarmiert. Da das türkische Volk sehr beziehungsorientiert, gastfreundlich und redefreudig sind, seien auch ihre Wohnungen keine verschlossenen, privaten Räume, wie man dies aus westlichen Ländern kennt.

Pastor Matta*, der in der Küstenstadt Ordu eine Gemeinde gründen wollte, hörte deshalb schon bald mit Hausbesuchen auf. «Die Menschen haben Angst davor, Kleingruppen in ihren Häusern zu organisieren», berichtet der türkische Pastor. «Man verdächtigt sie schnell, dass sie etwas Geheimes organisieren, das ihre Gemeinschaft zerstören wird. Jeder, der eine andere Botschaft verkündet, wird als Fremder betrachtet und passt nicht in die Gesellschaft. Wenn Christen einen Bibelkreis zu Hause organisieren, verlieren sie ihre Arbeit, ihre Familien lehnen sie ab und es besteht die Gefahr, dass die Kinder von der Schule geworfen werden.» Es würde zwar heissen, dass in der Türkei Religionsfreiheit herrscht, doch dies sei nicht so. Laut Joshua Project gehören 96,5 Prozent der Türken dem Islam an.

Vom Park in die Lagerhalle

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Strassenschild weist auf neue Gemeinde hin.
Stattdessen ging Pastor Matta mit einem Kollegen in Parks, um sich dort mit Menschen zu treffen, die am Evangelium interessiert waren. Durch die Webseite der Gemeinde machten sie auf die Treffen aufmerksam und boten über Zeitungsannoncen Neue Testamente an. Immer mehr Interessierte meldeten sich und kamen in die Parks. Dies wurde aber vor allem in den Wintermonaten problematisch.

Pastor Matta merkte bald, dass neue Christen durchaus bereit sind, öffentliche Kirchenräume zu besuchen. Diese seien zwar von der muslimischen Nachbarschaft ungern gesehen, doch sie akzeptierte es, da eine offizielle Kirche etwas Legitimes an sich habe. Und Kirchengebäude gibt es in den Hafenstädten am Schwarzen Meer sehr viele – nur werden sie derzeit für andere Zwecke genutzt. Und so mietete Pastor Matta vor etwa einem Jahr eine alte Lagerhalle, und nun kann «jeder ganz frei zur Kirche kommen, wann immer er Zeit hat», berichtet der Gemeindegründer.

Wenn Nachbarn den Pastor bitten, kein Schild oder kein Kreuz aufzuhängen, erklärt er ihnen immer wieder, dass die Christen in der Türkei eine lange Tradition haben: «Vor hundert Jahren gab es [in Ordu] zehntausende Christen. Christen sind keine Fremden in diesem Land und in dieser Kultur. In der Vergangenheit lebten die Menschen friedlich beieinander, bitte sondert uns nicht ab.» Seitdem hängt das Gemeindeschild über der Eingangstür.

Gemeinden am Schwarzen Meer wachsen

Zurzeit treffen sich in der Gemeinde 31 Menschen, vor allem iranische Flüchtlinge, aber auch türkische Christen, ein Armenier und drei Georgier. «Wir glauben, dass die Gemeinde wachsen wird und immer mehr Christen unseren Herrn in Ordu anbeten werden», erklärt Pastor Matta. Er selbst wohnt in Samsun, wo er vor 13 Jahren bereits eine Gemeinde gründete. Ausserdem reist er regelmässig in die Städte Amasya und Sinop, um dort zu evangelisieren. «Wir wünschen uns, dass ihr für uns betet, damit mehr Türken Christus finden und mehr Gemeinden für sein Reich gegründet werden.»

*Kompletter Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt

Zum Thema:
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Datum: 28.05.2015
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Christian Aid Mission

Kommentare

Es ist interessant zu erfahren, dass die Türken offenbar so ganz anders "ticken" als wir. In diesem Artikel eine positive und ermutigende Feststellung. Dass "öffentliches" Christstein so ganz anders empfunden wird, und das in einem moslemischen Land! Wie viele Türken kennen überhaupt "ihre" Geschichte und Vergangenheit? Von den ersten Gemeinden waren viele in der Türkei, denken wir nur an die Sendschreiben. Wie viele Türken wissen das heute wohl? Schön, wenn sich dies positiv auswirken könnte.

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