Missionar ermordet

Warum begeben sich Christen in der Mission in Lebensgefahr?

Das Foto von John Allen Chau, das gerade durch die christliche Medienlandschaft in den USA geht, zeigt einen fröhlichen jungen Mann mit Rucksack in der Natur. Offensichtlich ein Abenteurer. Sei letztes Abenteuer als Missionar kostete ihn jetzt allerdings das Leben. Wie kam es dazu? Und sind solche «Märtyrer» noch zeitgemäss?

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John Allen Chau: «Ich heisse John, und ich liebe euch, und Jesus liebt euch auch …».
Noch liegen nicht alle Fakten auf dem Tisch. Doch es scheint klar, dass der 27-jährige John Allen Chau als Missionar auf die Insel North Sentinel reisen wollte. Seine Missionsgesellschaft «All Nations» erklärt auf ihrer Webseite, dass Chau seit seiner theologischen Ausbildung dafür lernte, plante und trainierte, um den Menschen auf North Sentinel das Evangelium zu bringen.

Ein unerreichtes Volk

Die Sentinelesen sind eine sehr kleine Volksgruppe – man schätzt sie auf 50 bis 400 Menschen. Sie gelten als das letzte isoliert lebende indigene Volk auf den Andamaneninseln. Sie leben völlig abgeschnitten von der sonstigen Zivilisation. Ihre Sprache ist unerforscht. Eindringlingen gegenüber gelten sie als feindlich – was wegen Entführungsversuchen und Wilderei von aussen auch erklärlich ist. Um sie zu schützen, verhängte die indische Regierung bereits vor vielen Jahren ein absolutes Kontaktverbot. Chau hatte dieses kleine Volk offensichtlich schon länger auf dem Herzen. Dreimal war er in den vergangenen Jahren in der Region, bevor er sich im Herbst 2018 auf den Weg zu den Sentinelesen machte.

Eine fehlgeschlagene Mission

Wegen des Verbots, zur Insel zu fahren, bestach Chau ein Gruppe Fischer. Diese brachten ihn am 16. November bei Nacht vor die Insel North Sentinel. Der junge Missionar wusste um das Risiko. Kate Shellnut von «Christianity Today» zitiert einen Brief an seine Familie, den er am Tag vorher schrieb: «Ihr müsst denken, dass ich verrückt bin, aber ich glaube, dass es das wert ist, diesen Menschen Jesus zu verkünden. Seid nicht wütend auf sie oder auf Gott, falls ich getötet werde.»

Chau verliess das Fischerboot mit einem Kajak. Er steuerte auf die Insel zu, und die Fischer sahen, dass er immer wieder mit Pfeilen beschossen wurde. Mehrmals zog er sich zurück und versuchte dann, an einer anderen Stelle zu landen. Irgendwann am nächsten Tag sahen die Fischer, wie Sentinelesen ihn an Land schleiften. Da war er offensichtlich bereits tot. Laut seinen Tagebucheinträgen wollte er den Einheimischen bei der Begegnung zurufen: «Ich heisse John, und ich liebe euch, und Jesus liebt euch auch…». Doch John Allen Chau überlebte seinen Missionseinsatz nicht.

Bringschuld oder Abwarten?

Für die einen ist Chau ein Märtyrer, ein neuer Jim Elliot. Andere beurteilen sein Verhalten als unverantwortlich und ungesetzlich. Tatsächlich bewegte der sogenannte biblische Missionsbefehl in der Geschichte zahlreiche Christen, sich in ferne Gegenden zu fremden Völkern aufzumachen: «So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Weltzeit!» (Matthäus, Kapitel 28, Verse 19-20).

Chau ist einer von ihnen. Ja, er war abenteuerlustig. Aber seine Missionsgesellschaft beschreibt ihn gleichzeitig als kulturell erfahren – er war zuvor im Irak, in Kurdistan und Südafrika unterwegs. «John war ein freundlicher und einfühlsamer Botschafter Jesu Christi, der wollte, dass andere von Gottes großer Liebe zu ihnen hören», beschrieb ihn Mary Ho, Internationale Leiterin von «All Nations». Bei aller Kritik, die man durchaus an Chaus Vorgehen üben kann, ist es seit Jahrhunderten ein Kennzeichen missionarischer Christen, dass sie der ganzen Welt die befreiende Botschaft von Jesus weitergeben wollen. Und dass sie damit nicht warten, bis sie eingeladen werden oder alle Probleme auf dem Weg beseitigt sind.

War es das wert?

In dem Moment, wo Mission Menschenleben fordert, stellt sich direkt die Frage: Was kann es wert sein, sein Leben dafür aufs Spiel zu setzen? In unserer westlich geprägten Kultur des 21. Jahrhunderts lautet die Antwort meistens: nichts. Doch zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen kamen Christen immer wieder zu anderen Antworten. Die Kirchengeschichte bezeugt, dass fast alle der Jünger von Jesus eines gewaltsamen Todes starben. Die Herrnhuter Missionare reisten im 18. Jahrhundert mit einem Sarg im Gepäck aufs Missionsfeld und unterstrichen damit, dass sie nicht zurückkehren würden. Der bereits genannte Jim Elliot verlor sein Leben beim ersten Kontakt zu den ecuadorianischen Huaorani-Indianern (früher: Aucas). Elisabeth Elliot, seine Witwe, schrieb darüber das Buch «Im Schatten des Allmächtigen», durch das viele junge Menschen bewegt wurden, in die Mission zu gehen.

Ganze Gesellschaften wurden und werden von solcher Opferbereitschaft geprägt. Südkorea hat heute Zehntausende von christlichen Missionaren ausgesandt, doch noch vor wenigen Jahrzehnten galt es selbst als «Grab der Missionare». Erst der Einsatz von Menschen wie Homer Hulbert, einem Journalisten und Missionar, änderten dies. Auf seinem Grabstein auf dem Yanghwajin Friedhof für ausländische Missionare steht: «Ich wäre lieber in Korea begraben als in der Westminster Abbey». Sein Wunsch wurde erfüllt…

Mit derselben Einstellung kehren momentan viele Christen aus dem Irak in ihre alte Heimat zurück. Sie wissen nicht, was sie genau erwartet. Sie rechnen mit Schwierigkeiten bis hin zum Tod. Aber sie gehen, weil sie wissen, dass sie dort Gottes Liebe weitergeben sollen.

Mission und die Sinnfrage

Wer heute die Begriffe «opferbereit» und «Glaube» zusammen hört, denkt man wahrscheinlich zuerst an fanatisierte Selbstmordattentäter, die sich und andere gewaltsam in den Tod reissen. Das hat absolut gar nichts mit der Einstellung christlicher Missionare zu tun. Sie wollen sich nicht profilieren. Sie wollen sich keine paradiesische Belohnung erkaufen. Und sie wollen erst recht niemandem schaden. Stattdessen haben sie etwas im Leben gefunden, das ihren ganzen Einsatz wert ist. Diese Christen gehen nicht, um zu sterben. Sie gehen, um andere auf das Leben hinzuweisen, das sie selbst in Christus gefunden haben. John Allen Chau informierte sich beim Joshua Project über die fast unbekannte und völlig unerreichte Volksgruppe der Sentinelesen. Wahrscheinlich betete er für diese Menschen, wie dort vorgeschlagen wird: «Beten Sie, dass die indische Regierung es Christen erlaubt, das Vertrauen der Sentinelesen zu gewinnen und unter ihnen leben zu dürfen.»

Weltfremd?

Solch eine Haltung klingt schnell unzeitgemäss. Ein Einsatz auf Leben und Tod für etwas, woran ich glaube? Doch scheinbar sind nicht nur Christen auf der Suche nach gerade solchen Herausforderungen. Nach Aufgaben, die ihrem Leben einen Sinn verleihen, selbst wenn sie diese nicht überleben sollten.

Typisches Beispiel ist die geplante Weltraummission «Mars One». 24 Männer und Frauen sollten ab 2022 von Fernsehkameras begleitet eine Kolonie auf dem Mars eröffnen. Eine Rückkehrmöglichkeit besteht nicht. Inzwischen scheint dieses Himmelfahrtskommando auf Eis gelegt zu sein, doch es bewarben sich immerhin 200'000 Menschen dafür! Warum? Sie waren der Meinung, dass dieser Einsatz ihr Leben wert ist. Dasselbe denken Christen, die ihre Komfortzone verlassen und andere Menschen zum Glauben einladen wollen: Es kann teuer werden, sehr teuer, aber es lohnt sich.

Zum Thema: 
Jemens Untergrundchristen: «Wir wollen von den Märtyrern lernen»

Apostel, Bibelautor, Märtyrer: Wer war Paulus?
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Datum: 24.11.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today

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