Saïda Keller-Messahli

Öffentlich für einen offenen Islam eintreten

Saïda Keller-Messahli vertritt in der Schweiz sozusagen die Gegenposition zum fundamentalistischen Islamischen Zentralrat der Schweiz. Mit dem von ihr gegründeten «Forum für einen fortschrittlichen Islam» FFI hat sich die gebürtige Tunesierin in den Medien Gehör verschafft. Aufgrund ihres unerschrockenen Engagements wurde die Schweizer Muslimin von der Zeitschrift Beobachter mit acht anderen Persönlichkeiten für den «Prix Courage» nominiert.

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Saïda Keller-Messahli
Die humanistische Haltung zum Islam und das Einstehen und Kämpfen dafür hat sie von ihren Eltern, sagt Saïda Keller-Messahli im Gespräch mit der Presseagentur Kipa am 31. August. Sie sieht es als ihre Aufgabe, sich in die Diskussion über den Islam einzumischen. «Wenn ich mich öffentlich einmische, ist das konsequenter, hat einen ethischen Aspekt. Es gibt viele, die privat Kritik üben oder die Faust im Sack machen, auch in Tunesien. Für mich ist es konsequenter, wenn ich ein wichtiges Anliegen auch in die Öffentlichkeit bringen kann.» Angst lähme nur und mache unfrei.

Der von ihr gegründet Verein «Forum für einen fortschrittlichen Islam» habe nicht nur Muslime als Mitglieder. Es sind Leute, die mit ihrer Mitgliedschaft «unsere Arbeit unterstützen wollen». Fortschritt meine Bewegung nach vorne, Versöhnung mit der Moderne: «Den Koran nicht so lesen, wie er im 7. Jahrhundert gelesen und gelebt wurde, sondern aus unserer Sicht, aus der Sicht des 21. Jahrhunderts.»

Viele Leute kämen auf sie zu, Jugendliche und Erwachsene, die Probleme zu Hause haben, auch homosexuelle Muslime. Frauen wegen der Gewalt mancher Männer oder dem «Abdriften» der Töchter. Unter der Oberfläche gebe es viel Elend im islamischen Milieu in der Schweiz. Keller-Messahli möchte eine professionelle Beratungsstelle gründen und sucht nun Geld dazu. Aber bisher gab es nur Absagen.

Kritikfähiger Islam

Ihr Verein, vor sechs Jahren gegründet, stelle in der Schweiz im Bereich «Islam» neue Ansprüche. «Wir fordern vor allem von den islamischen Organisationen Kritikfähigkeit und eine moderne Lesart des Korans. Auch fordern wir, dass übernommene Traditionen hinterfragt werden. Damit sind wir natürlich ein totaler Fremdkörper unter den islamischen Organisationen, sie empfinden uns als Störenfried.» Der Vereine hinterfrage etwa, ob muslimische Friedhöfe wirklich nötig seien. «Wir möchten das gerne diskutieren, aber schon das sorgt für Verunsicherung.» Tabuthemen wie die Homosexualität, die Verschleierung des Frauenkörpers oder der Konvertierungszwang des Ehemanns einer Muslimin müssten aufs Tapet gebracht werden.

Ihr gehe es nicht darum, den «Islam als Ganzes» zu begraben. «Für uns ist der Islam aber wichtig als spirituelle Quelle.» Sie vertrete eine Kraft, die den Islam anders lesen will. «Wenn ich mich für einen fortschrittlichen Islam einsetze, kann ich nicht an läppischen Traditionen festhalten, die sich vor allem auf den Körper der Frau stürzen und die Unfreiheit zur Tugend erklären», so Keller-Messahli. «Wir sagen, woran wir als Muslime leiden, was wir gerne verändern möchten und warum.»

Gemeinsam vorwärts

Vom interreligiösen Dialog hält die Vereinsgründerin nicht viel. Dieser führe nirgendwohin. In «harmoniebedürftigen» Gesprächen lasse man sich gegenseitig in Ruhe und störe einander nicht. Es gebe sicher viel Gemeinsames unter den Religionen. «Das ist kostbar, aber wenn man dauernd nur das Gemeinsame zelebriert, kommt man keinen Schritt vorwärts.»

Wenn sich Nicht-Muslime produktiv einbringen wollen, müssen sie die problematischen Seiten des Islam offen ansprechen und nicht aus Anstand schweigen - nicht nur hier, sondern auch in den islamisch geprägten Ländern.

Datum: 03.09.2010
Quelle: Kipa

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