Der Wertewandel hat sich in den vergangenen Jahren rasend schnell vollzogen, und nun drängt er immer mehr auch den Gesetzgeber zu Änderungen. Stichworte sind «neue Familienformen», Adoption für alle, Präimplantationsdiagnostik. Welcher Zug fährt hier ab?
Als
vor Jahresfrist die Studie der Basler Psychologieprofessorin Ingeborg
Schwenzer zur Reform des Familienrechts publik wurde, wähnten sich viele im falschen Film. Die Vorschläge reichten von der Legalisierung der Homo-Ehe bis zur Polygamie, Adoption für
alle, automatische Anerkennung von Paaren als Lebensgemeinschaft und
anderes mehr. Das ganze roch nach einer gesellschaftlichen Utopie aus
dem Elfenbeinturm einer Uni.
Der Express rollt
Inzwischen
ist knapp ein Jahr vergangen, und der politische Beobachter staunt, wie
etliche Ideen der abgehoben scheinenden Psychologieprofessorin bereits
in der parlamentarischen Debatte angekommen sind. Ein Fanal ist
zweifellos die Reaktion aus dem Parlament auf den Versuch der CVP, in
ihrer Initiative zur Abschaffung der Ehestrafe eine traditionelle
Definition der Ehe in die Verfassung zu schreiben. Dieses Vorhaben
erwies sich im bürgerlich dominierten Nationalrat nicht als mehrheitsfähig. Die Diskussionen um die Ehedefinition verdrängten das Anliegen, die Ehestrafe im Steuerrecht endlich abzuschaffen.
Warum sollen wir nicht dürfen?
Die Offenheit für «neue Familienformen», wie von Schwenzer empfohlen, ist im Parlament gross. Ganz nach dem Motto «Warum sollen sie nicht dürfen, wenn es niemandem schadet?» Mit der Homo-Ehe wird auch eine registrierte Partnerschaft für alle Paare angestrebt. Was durchaus seine Logik hat. Gleichzeitig werden auch die Schleusen für die Reproduktionsmedizin und die Präimplantationsdiagnostik geöffnet. Sie kommen dem Wunsch entgegen, nur gesunde Babys zu gebären, wenn man schon die Mühen und Kosten der teueren und mühsamen Prozedur auf sich nimmt.
Die Gesetzgeber wären gut beraten, zwei Überlegungen zu machen. Erstens war die Ehe nie einfach eine Option, sondern die Basis zur Gründung
einer Familie mit Kindern gedacht und gesetzlich entsprechend mit Schutzmechanismen umgeben, welche auch bei einem Schicksalsschlag
das wirtschaftliche Überleben
erleichtern sollen. Deshalb war auch das unverbindliche Zusammenleben von
Paaren bis in die Zeit nach dem 68er-Umbruch gar nicht erlaubt.
Kosten unbekannt
Zweitens beschert uns der postmoderne Umbau der gesellschaftlichen Strukturen, die nun mit der Anerkennung «neuer Familienformen»
aller Art legalisiert werden sollen – nebst viel persönlichem Leid – Kosten, welche die Politik nicht kennt
und auch nicht kennen will. Entsprechende Studien wurden trotz Vorstössen im Parlament nicht in Auftrag gegeben. Die Kombination von «alles ist möglich» mit «jedem nach seiner Façon» ergibt eine tückische Mixtur und wird hoffentlich noch in die Überlegungen einiger Ratsmitglieder einfliessen.
Eine Demokratie muss nicht zwangsläufig auf die zeitgeistigen und trendigen Wünsche
mit Mehrheitspotenzial aufbauen. Es gibt Grenzen, wie sie zum Beispiel
unser Nachbarland Frankreich momentan aufzeigt, wo das Parlament zwar
die indirekte Sterbehilfe einführt, aber die aktive ablehnt. Und dies, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung die aktive Sterbehilfe laut Umfragen klar unterstützt.