Der «Arabische Frühling» hat seit Ende 2010 mit viel Engagement für grosse politische Bewegungen, hohe Erwartungen und tiefe Enttäuschungen gesorgt. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit haben währenddessen in Algerien Zehntausende zum Glauben an Jesus Christus gefunden.
Basilika Unserer Lieben Frau von Afrika in Algier, der Hauptstadt von Algerien
Der Leiter des algerischen Zweiges von «Operation Mobilisation» (OM), Youssef Ourahmane (58), berichtet, dass in den vergangenen 30 Jahren mehr als 100'000 Muslime Christen geworden sind – die meisten gehören zum Volk der Berber. Der Algerier, der selbst in einer muslimischen Familie aufwuchs, betont gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur Idea, dass viele von ihnen durch Träume, Visionen und Heilungserfahrungen zum Glauben an Jesus Christus kommen.
Zwischen Kleingruppe und Gemeinde
Diese algerischen Christen versammelten sich in Gruppen von sechs bis zehn Personen. Es gebe aber auch etablierte evangelische Gemeinden. Die grösste mit etwa 1'200 Mitgliedern befinde sich in der etwa 90'000 Einwohner zählenden Stadt Tizi Ouzou, dem Zentrum der Kabylei. Dort würden jedes Wochenende mehrere Gottesdienste gefeiert, die jeweils bis zu sechs Stunden dauern. Feste Bestandteile seien Anbetung, Predigt, Gebet und Segnung.
«Haus der Zuflucht»
Die Vereinigung der Algerischen Protestantischen Kirchen ist in dem muslimischen Land staatlich anerkannt. Zwar stellt ein Gesetz aus dem Jahr 2006 die Missionierung von Muslimen unter Strafe, trotzdem wenden sich viele Bürger dem christlichen Glauben zu. Um diesen Schutz und Hilfe zu bieten, gründete Ourahmane zusammen mit seiner aus Malaysia stammenden Ehefrau He Tee ein «Haus der Zuflucht» im westalgerischen Oran. Dort werden Christen vorübergehend aufgenommen, die wegen ihres Religionswechsels von ihren muslimischen Familien angefeindet oder gar verfolgt werden – vor allem Frauen mit ihren Kindern. In den vergangenen fünf Jahren fanden etwa 100 Christen hier Zuflucht. Ourahmane unterstreicht, dass christliche Gemeinden auch von der Polizei vor Übergriffen islamischer Extremisten geschützt würden. Der Staat erkenne an, dass Christen «gute Bürger» seien.
Jüngerschaft und Gebet
Laut Ourahmane haben biblische Unterweisung und die Ausbildung von Gemeindeleitern höchste Priorität. OM betreibe daher «Timotheus-Schulen», in denen Christen einjährige Jüngerschaftskurse durchlaufen. Zusätzlich gebe es Sommerfreizeiten für neue Christen, Kinder, Ehepaare und Verfolgte. Weitere Unterstützung erhalten die neuen Gläubigen durch christliche Fernsehprogramme des arabischen Fernsehsenders SAT7 in Nordafrika.
Viele führen das starke Gemeindewachstum, aber auch die relativ politische und wirtschaftliche Stabilität Algeriens, darauf zurück, dass die algerischen Christen regelmässig beteten und fasteten. Die Gemeinden hatten zum Beispiel gezielt für einen Abbau der Staatsschulden gebetet: Heute sei das Land vor allem dank der Ölexporte wirtschaftlich stabil und unabhängig von Subventionen etwa aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Auch habe der Arabische Frühling keine negativen Folgen wie etwa in den Nachbarländern Libyen und Tunesien hinterlassen.
Als grösstes afrikanisches Flächenland ist Algerien eine islamische Republik. Nach Angaben der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen im Mittleren Osten leben dort bis zu 365'000 Christen – die meisten sind ehemalige Muslime. Das sind etwa 1,5 Prozent der 32,4 Millionen Einwohner.