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Feindesliebe in der Ukraine

Ein Anführer der pro-russischen Separatisten bedrohte einen Pastor zweimal mit dem Tod. Dann starb er selbst. Jetzt kümmert sich die christliche Gemeinde des Pastors um die hinterlassene Frau und die beiden Kinder. Linus Pfister von der HMK Schweiz war in der Ukraine und hat mit Direktbetroffenen gesprochen.

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Die Zivilbevölkerung in der Ukraine leidet. Auch Christen werden immer wieder von Aufständischen bedroht. Sie reagieren mit Feindesliebe.
Erst vor kurzem besuchte Linus Pfister die Ukraine. Der Geschäftsführer des Hilfswerks «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» in Thun: «Was in der Ostukraine und auf der Krim geschieht, bewegt alle Ukrainer. Es wäre, als würde Italien das Tessin 'annektieren'.»

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Hilfsbedürftige in der Ukraine
Ein Pastor erhielt zweimal Morddrohungen von einem jungen pro-russischen Anführer der Separatisten. Wenn er nicht kooperiere, würde er sterben und pro-russische Kräfte würden sein Gemeindehaus zerstören. Der Pastor versuchte, ihm von Gott zu erzählen und dass die Interessen nicht mit Gewalt durchgesetzt werden sollen. Linus Pfister: «Kurz darauf ist der junge Anführer selbst umgekommen. Er hinterlässt eine Frau und zwei kleine Kinder. Auch wenn man von ihm bedroht wurde und er sich unmöglich benahm: Man kannte den Menschen. Er ging der russischen Propaganda auf den Leim und verwirkte sein Leben völlig sinnlos.» Die christliche Gemeinde beschloss, die Witwe und ihre Kinder zu unterstützen, so dass sie über die Runde kommen. «Das ist gelebte Feindesliebe.»

Vermummte vor der Gemeinde

«Die Pastoren, die ich kenne, sind alle von den Aufständischen bedroht worden», erinnert sich Linus Pfister. «Sie wurden angehalten, ihren Gemeinden einzuimpfen, dass sie sich auf die russische Seite schlagen sollen. Wer nicht 'Hurra' rief, wurde bedroht. Zum Beispiel, dass das Kirchengebäude niedergebrannt werde.» Die Drohungen waren massiv, man wusste nicht, wie ernst sie zu nehmen sind. «Bei manchen Gemeindehäusern liefen draussen vermummte Gestalten herum und filmten. Ob es darum ging, einen Angriffsplan zu entwickeln, ob es gesammelt wurde, um Druck zu machen oder einfach zum Einschüchtern, ist nicht bekannt.»

Es gibt auch nachdenkliche Situationen. Ein christlicher Leiter ärgerte sich an einem der Check-Points, dass er angehalten wurde. Er war auf dem Weg zum Gottesdienst. Die Aufständischen sagten fast entschuldigend: «Wir wollen nur die unabhängige Republik Donbass verteidigen.» Später dachte er, dass er den Kämpfern besser von Gott erzählt hätte, anstatt seinen Ärger kundzutun. Und dass er ihnen doch hätte sagen sollen, dass es gefährlich sei, sich für einen fiktiven Staat einzusetzen. Er wollte nochmals bei diesen Aufständischen vorbei, doch es sollte nicht mehr dazu kommen. Denn wenige Tage später fuhr eine Limousine beim Check-Point vor und die Aufständischen wurden erschossen. Pfister: «Es sind Menschen. Und sie sind völlig sinnlos gestorben. Der Pastor hatte das Gefühl, als Christ und Mensch versagt zu haben. Auch wenn seine Worte vielleicht nichts bewirkt hätten.»

«Entschuldigung»

Andernorts kreuzten Aufständische vor einem Drogenrehabilitations-Zentrum auf, um nach Waffen zu suchen. «Der Leiter betonte, dass es sich um eine christliche Einrichtung handelt, die sich in keiner Weise an den Kämpfen beteiligt. Das erkannten dann auch diejenigen, welche die Razzia durchführten. Sie entschuldigten sich und verliessen friedlich das Zentrum.»

Die lokalen HMK-Partner berichten, wie unzählige Check-Points in der Ostukraine das Leben verlangsamt haben. Aufständische untersuchen die Autos. Zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, kann tödlich enden. «Die Anspannung ist riesig. Der Strom fällt aus und wochenlang bleibt das Trinkwasser weg», so Linus Pfister.

Bruder gegen Bruder

Es schmerze zu sehen, wie Menschen ideologisiert werden. Vor Ort gebe es keine Medienvielfalt zur freien Meinungsbildung. Linus Pfister erinnert sich an ein Kinderheim. «Ein 18-Jähriger musste in die ukrainische Armee einrücken. Sein Bruder und zwei Kollegen hingegen schlossen sich den Aufständischen an. Die vier jungen Männer, alle aus zerrütteten Familienverhältnissen, waren im gleichen Kinderheim gross geworden. Wenn es nun dumm läuft, schiessen die Brüder aufeinander. Oft sind Eltern dieser Heimkinder alkohol- und drogenabhängig, die Nachkommen sind anfällig auf 'ehrenvolle Propaganda'.»

Erst vor kurzem haben 40 pro-russische Separatisten die christliche Universität Donezk als ihr Hauptquartier besetzt. Sollte es Kämpfe geben, wird wohl auch das Universitätsgebäude beschossen.

Hoffnung bleibt

Um die Not zu lindern, setzt die HMK Schweiz über ihre einheimischen Projektpartner (Pastoren, Gemeindeleiter, Sozialarbeiter) gerade auch im Osten des Landes sozial-karitative Hilfsprojekte um. Dazu gehören Drogenrehabilitations- und Alkoholentzugsstationen oder Hilfe bei Trauma- und Stressbewältigung. Pastoren können helfen, durch Gespräche dramatische Erlebnisse zu verarbeiten. «Ich erinnere mich, dass jemand nach dem Passieren eines Check-Points nicht mehr Autofahren konnte, weil seine Hände zu stark zitterten.» Kurzzeitig half die HMK auch beim Evakuieren von Pastoren, da diese teils massiv bedroht werden. Sie organisierte Transport, Unterkunft und Betreuung.

In anderen Gemeinden können Löhne nicht mehr bezahlt werden, weil die Hälfte der Mitglieder geflohen ist. «Bei mehreren haben wir nun den Lohn übernommen, bis sich die Lage normalisiert. Auch fahren wir im September mit einem Hilfsgüter-Transport soweit wie möglich in das Gebiet hinein. Und wir hoffen, dass wir dieses Jahr die 'Aktion Weihnachtspäckli' wieder durchführen können.»

Webseite:
HMK
HMK bei Facebook

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Datum: 17.07.2014
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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