Faktencheck Christentum

Sind die Frommen intolerante Heuchler?

Zoom
Christen sind gegen Homosexualität und Abtreibung. Dabei sehen sie sich als lebensfreundlich. Doch im Mittelalter haben sie Andersgläubige verfolgt und Religionskriege angestiftet. Ist nun das Christentum lebensfreundlich oder lebensfeindlich?

Eines scheint klar: In jedem Fall sind Christen intolerant, und das macht sie unbeliebt. Doch nicht nur Christen, sondern die meisten Religionen sind gegen Homosexualität, Abtreibung und aktive Sterbehilfe. Und in der Vergangenheit praktisch aller Religionen finden sich Zeiten der Verfolgung Andersdenkender, Religionskriege und die Tendenz zu Machtstrukturen. Die Geschichte der Atheisten und gottlosen Ideologien ist erst recht voll von Gewalt und Intoleranz, denn wenn das Leben nichts anderes ist als ein Ablauf von chemischen und physischen Prozessen, dann verliert es jeden objektiven Wert.

Das menschliche Herz als Grundproblem

Tatsächlich ist die ganze Geschichte der Menschheit intolerant. Das menschliche Herz ist das Grundproblem. Und dieses Herz sucht ununterbrochen nach Wegen, um jede Ideologie, auch das Christentum, dazu zu missbrauchen, den eigenen Triumph zu verwirklichen. Die Evangelien sind insbesondere unschuldig daran, denn wer die Geschichte von Jesus anschaut bzw. liest, findet unglaubliche, bis zu seiner Zeit ungekannte Toleranz.

Er zwang niemanden zu seiner Religion. Ausgerechnet den gefürchteten Samariter machte er zum Helden der Barmherzigkeit. Er verbot seinen Jüngern, andere Menschen zu richten. Stattdessen lehrte er sie, Feinde zu lieben und Verfolger zu segnen. Was bedeutet denn «die Letzten werden die Ersten sein» anderes als Toleranz gegenüber allen Schwachen der Gesellschaft? Am Kreuz vergab Jesus seinen Mördern.

Schöpfungsordnung Gottes beibehalten

Tatsächlich stellt sich das Christentum im Allgemeinen gegen Homosexualität, Abtreibung und gegen aktive Sterbehilfe. Aber aktive Christen haben mit der Demokratie erstmalig eine Staatsform erfunden, welche es denjenigen, die anderer Meinung sind, ermöglicht, alle diese Dinge frei zu praktizieren. Diese Bewegungen sind nicht zufällig ausgerechnet in der christlichen Welt entstanden. Die liberalen Gesetze Europas, die aus dem biblischen Denken entstanden sind, haben erst alle Arten von Frauen- und Menschenrechten ermöglicht und garantiert.

Andererseits warnt die gleiche Bibel vor den Gefahren dieser Freiheit, weil ihr das Leben heilig ist. Aufgrund der Lehren von Jesus in den Evangelien wird aber die freie Entscheidung dem Menschen überlassen. Christen sind also nicht gegen die freiheitliche Gesellschaft, welche sie ja selber erfunden haben. Sie proklamieren aber, dass die Schöpfungsordnung Gottes nicht zerstört werden soll, und dafür kämpfen sie mit allen legalen Mitteln. Eine feste Meinung zu vertreten, ist das Recht eines jeden Menschen und hat nichts mit fehlender Toleranz zu tun, sondern ist im Gegenteil Voraussetzung dafür.

Das Rote Kreuz als Inbegriff der Toleranz

Der beste Inbegriff dessen, was Toleranz bedeutet, ist für mich das Rote Kreuz. An allen Kriegsfronten der ganzen Welt werden alle Verletzten aufgelesen und unter Lebensgefahr in Sicherheit gebracht. Egal ob diese Buddhisten, Muslime oder Christen, Zivilpersonen oder Soldaten, «Unschuldige» oder Terroristen, Schwarze oder Weisse sind.

Doch wie kam Henry Dunant überhaupt auf diese unglaubliche, alles andere als selbstverständliche, geniale Idee? In vielen Medien wird er oberflächlich einfach als «Humanist» bezeichnet. Er selber beschrieb sich allerdings ganz anders: «Ich wollte nie etwas anderes als ein Jünger von Jesus Christus sein.» Schon in jungen Jahren war er an der Gründung der Schweizerischen Evangelischen Allianz und des Weltbundes des christlichen Vereines junger Männer direkt beteiligt gewesen. Und das Rote Kreuz ist nichts Anderes als die Anwendung der Bergpredigt auf weltweite Nöte.

Hätte Dunant das Rote Kreuz auch erfinden können, wenn er Atheist, Hinduist oder Muslim gewesen wäre? Tatsächlich sind seit Urzeiten in aller Welt unzählbar viele Schlachten geschlagen worden, ohne dass sich jemand um die Verletzten kümmerte. Allerhöchstens um die eigenen Leute. Nein, weder ein Atheist noch Hinduist noch Muslim hat das Rote Kreuz erfunden, denn die Bergpredigt findet sich eben nun mal nur in der Bibel. Und wenn es die Evangelien nicht gäbe, dann wäre die Menschheit bis heute nicht auf die Idee gekommen, Toleranz gegenüber Andersdenkenden überhaupt als etwas Gutes zu sehen. In den meisten Kulturen gilt nämlich Toleranz bis heute als Schwäche, als Schande, als grosser Fehler. Und so war es ursprünglich auch in Europa.

Zum Thema:
Dossier: Faktencheck Christentum
Sexuelle Minderheiten: «Toleranz wird erzwungen»
Christliche Wurzeln: Toleranz – und viel mehr

Datum: 20.07.2022
Autor: Kurt Beutler
Quelle: Livenet

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Allianzgebetswoche 2023
Christen sind zur Freude aufgerufen – doch wie geht das konkret im Alltag? Darum geht es in der diesjährigen Allianzgebetswoche vom 8. bis 15. Januar...
Glaube oder positives Denken?
Gott reagiert auf unseren Glauben. Doch wie können wir zu einem grösseren Glauben gelangen? Viele Christen fühlen sich schuldig, zu wenig zu glauben...
Mehr als persönliche Führung
«Gott spricht auch noch heute.» Das ist vielen Gläubigen wichtig. Einige erfahren sein Reden übernatürlich durch Träume oder Visionen. Die meisten...
«Ohne Glauben kaum zu erklären»
«Mit Zuversicht und Gottvertrauen setzte sich der Theologe Dietrich Bonhoeffer gegen die Barbarei des Dritten Reiches zur Wehr.» Markus Somm erklärt...

Anzeige

RATGEBER

Zielbewusst und entspannt Gute Vorsätze für 2023
Die ruhigere Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr scheint dazu einzuladen, dass man sich überlegt...