Wenn es dunkel wurde, war Renato Enzler als Kind und Jugendlicher selten allein. Eindrücklich erzählt der heute 46-Jährige wie die Geister kamen – und wie sie wieder gingen.
Allerlei Kleinvieh, aber vor allem Schweine, sorgen auf dem Bauernhof
von Enzlers für Leben – und für sehr viel Arbeit. Harte Arbeit, die
gnadenlos auch auf die Schultern von Renato und seinem älteren Bruder
abgewälzt wird. Die Schweine bringen leider kein Glück. In der Schule
wird Renato wegen des intensiven Geruchs gehänselt. Hinter dem Haus baut
der Vater eine Garage, kümmert sich um kaputte Karossen – aber
zeitlebens viel zu wenig um Renato: «Wäre es nach meinem Vater gegangen –
er hätte mich abgetrieben.» Doch damit nicht genug.
Aberglaube und Alpträume
Der Glaube, den seine italienische Mutter lebt, verursacht Renato
Albträume. «Alles, was ich tat oder nicht tat, war mit Drohungen, mit
Teufel- und Hexengeschichten verbunden», erklärt er. Eingeimpft werden
ihm die Schauergeschichten schon in der Vorschulzeit. Renato verbringt
damals oft mehrere Monate bei seinen Verwandten in Italien. Deren Worte
verfehlen ihre Wirkung nicht: «Ich spürte die Geister um mich herum und
litt unter Verfolgungswahn. Später versuchte ich mich in diversen
okkulten Praktiken und konnte – meist unter Einfluss von Drogen – auch
meinen Körper verlassen», erklärt Renato.
Gefesselt und gewürgt
Als Zehnjähriger habe er eines Nachts geträumt, von einer Hexe
gefesselt worden zu sein. «Am nächsten Morgen lag tatsächlich eine
Schnur auf meiner Bettdecke. Ich habe keinen blassen Schimmer, woher und
wie sie dorthin kam», berichtet Renato. Beklemmend sei auch jenes
nächtliche Erlebnis gewesen, als er einen warmen Hauch um sich herum
gespürt habe.
Renato erinnert sich: «Ich war etwa 18 und wusste jeweils genau, ob
sich das Geistwesen links oder rechts von mir befand. In meiner Not
begann ich, mich selbst zu würgen. Ich dachte, wenn mein Atem
stillstünde, würde ich das Wesen hören. Kurz bevor ich erstickte, wachte
ich auf, und rannte zum Lichtschalter. Bei Licht war der Spuk vorbei.»
Gepfiffen und gesungen
Dunkelheit war für Renato immer am schlimmsten. Oft liess er aus
Angst vor nächtlichem Besuch das Licht bis zum Morgen brennen. Und wenn
er in den verhassten dunklen Keller geschickt wurde, sang oder pfiff er
laut. «Solange ich Töne von mir gab, signalisierte ich meiner Familie,
dass ich noch am Leben war», erklärt Renato. Trotz dieser Erlebnisse –
betont er – habe er zu seiner Mutter und deren Familie in Italien seit
jeher ein gutes Verhältnis.
Hasch und Hoffnung
Seine Lehre als Werkzeugmaschinist bricht Renato nach einem Jahr ab.
Acht Jahre lang konsumiert er Haschisch und LSD: «Ich fühlte mich
einsam, wusste nicht, wer ich war, und was ich auf dieser Welt sollte.»
Ein Freund erzählt Renato eines Abends vom Gott der Bibel. Renato sieht
einen Weg aus seinem Elend und bittet Gott, fortan sein Leben zu lenken.
Ein halbes Jahr lang geht alles gut, sogar der Drang nach Drogen
verschwindet. Doch Renato lebt seinen Glauben allein und ist bald wieder
im alten (Drogen)-Trott. In seiner Not betet er um ein Zeichen und
bittet Gott um die Kraft, das neue Leben auch leben zu können. Da lädt
ihn ein Töff-Kollege an das Pfingstwochenende einer Freikirche in Elgg
ZH ein. Renato erfährt viel über Gott, und dass dieser ihn bedingungslos
liebt. Zudem lernt er an jenem Wochenende seine heutige Frau Cinzia,
42, kennen.
Frieden und Freiheit
Der Vater dreier erwachsener Kinder arbeitet heute als Buschauffeur
und wohnt in Wängi TG. Er besucht und engagiert sich noch immer in der
Freikirche, die damals das Pfingstwochenende veranstaltete. Seine vielen
Lebenslügen und schrecklichen Erlebnisse sind nach und nach ans Licht
getreten.
«Sie mussten der Wahrheit der Bibel weichen», erklärt Renato. Auch
die Geister der Vergangenheit plagen ihn nicht mehr. Und obwohl ihn sein
Vater verbal noch immer verletzt, konnte er ihm von ganzem Herzen
verzeihen. Renato Enzler weiss: «Gott ist Liebe und Licht. Er hat mich
aus dem Dunkel geholt und mir das Leben, ja sogar ewiges Leben
geschenkt.»