Japhet aus Ruanda war entschlossen, sich künftig selbst zu beschützen. Er begann mit einem harten Karate-Training – denn eines Tages, so hatte er sich es vorgenommen, wollte er den Tod seiner vier Brüder, seiner Schwester und seiner Mutter rächen.
Sie waren sechs der vielen hunderttausend Tutsis, die im April 1994 von
den Hutus in Ruanda niedergemetzelt wurden. «Ich war hart und bitter»,
erzählt Japhet. «Wenn ich an den Mord meiner Mutter und
Geschwisterdachte, war es, als würde jemand meine Haut aufritzen – so
sehr hat das weh getan.»
Rache ist Gottes Sache
«Mein Vater, ein Pastor, sprach viel von Vergebung, aber das ging in
ein Ohr rein und beim anderen wieder raus», berichtet der heute
30-Jährige. Sein Vater sagte ihm, dass Rache allein Gottes Sache sei. Es
hat dann fünf Jahre gedauert, bis Japhet sich mit der Frage der
Vergebung stärker auseinandersetzen konnte. «Ich merkte, dass ich mein
Herz vom Hass befreien musste.» Doch vieles in ihm sträubte sich, den
Mördern zu vergeben. «Ausserdem konnte ich mir nicht vorstellen,
jemandem zu vergeben, der nicht einmal um Vergebung bittet.» Doch die
Sache ging ihm nicht aus dem Kopf und kam ihm immer wieder in den Sinn,
wenn er folgenden Satz aus dem «Vater unser» betete: «Vergib uns unsere
Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.»
Ein Gefängnis
«Mir wurde klar, dass aus meinem Herzen ein Gefängnis geworden war.
Dort hatte ich all die eingesperrt, die Schuld am Tod meiner Familie
waren. Besonders schlimm war es bei einer ehemaligen Nachbarin. Als die
mordende Horde schon an unserem Haus vorbei war, wies sie die Leute noch
einmal darauf hin, dass sich da noch ein Junge versteckt haben musste,
und so kam auch mein vierter Bruder um.» Bei ihr dauerte es am längsten,
bis Japhet loslassen und verzeihen konnte. «Was ich dann über eine
längere Zeit lernte, war, immer wieder, trotz dem grossen Schmerz, zu
vergeben. Ich habe das über Wochen immer wieder unter Weinen und
Schreien gemacht.»
Ihrer Schuld nicht bewusst
«Wenn ich heute an das denke, was vor fast 17 Jahren passiert ist,
habe ich immer noch Schmerzen, aber es ist anders als früher.» Und wie
begegnet er heute den Menschen, die seiner Familie so viel Gewalt
angetan haben? «Alles, was ich tun kann, ist ihnen zu vergeben. Viele
sind sich ihrer Schuld nicht einmal bewusst. Doch auch sie können zu
Gott kommen und bei ihm Vergebung erfahren.» Japhet möchte heute auch
anderen Menschen in Ruanda helfen. «Man kann den Menschen nicht
zack-zack die Lehre über Vergebung aus der Bibel vermitteln; sie wollen
keine Predigten hören. Aber wenn sie merken, dass sie jemand mit ihrem
Schmerz annimmt, dann werden sie offen.» Japhet hat das erlebt. Er
leitete eine Gruppe von Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren, viele
unter ihnen Waisen, die ihre Eltern verloren haben.
Glücklich geworden
«Ohne Gott und ohne zu vergeben», so Japhet, «wäre ich heute im
Spital, depressiv oder tot.» In all den Jahren war ihm immer eine
Aussage aus der Bibel wichtig, die in der Liedersammlung der Psalmen zu
finden ist: «Glücklich sind alle, denen Gott ihre Sünden vergeben und
ihre Schuld zugedeckt hat!» Heute lebt Japhet mit seiner Frau Henny und
seinen zwei Kindern in Deutschland in der Nähe von Mainz.