Die meisten Menschen waren während des grössten Teils der Menschheitsgeschichte Analphabeten. So konnte die Welt keine Fortschritte machen. Eine Ausnahme bildeten von alters her die Juden.
Manche Völker hatten zwar bereits im Altertum verschiedene mehr
oder weniger komplizierte Buchstabensysteme, aber nur eine kleine Schicht
konnte lesen.
Eine Ausnahme bildeten die Juden. In 5. Mose,
Kapitel 6 werden Väter ermahnt, dafür zu sorgen, dass die nächste Generation
die Thora nicht nur kennt, sondern auch selbst lesen kann. Die Überzeugung,
dass jede Familie selbst ihren Kindern die Inhalte der heiligen alten Bücher
beizubringen habe, hat zu einer einzigartigen Lernkultur geführt.
Gemeinsames Lesen religiöser Texte: Eine Besonderheit
Wer mit Asylanten zu tun hatte, der weiss, dass es bis heute alles
andere als selbstverständlich ist, dass alle
Menschen lesen und schreiben können. Das hat teilweise damit zu tun, dass in
einigen Kulturen Schulbildung gering geachtet wird, weil dabei scheinbar nichts
Produktives herauskommt. Aber auch damit, dass einige Schriftsprachen im
Vergleich zu den lokalen Dialekten sehr kompliziert sind.
Natürlich haben die grossen Religionen alle ihre heiligen Bücher, welche von Gelehrten lebenslang studiert werden. Aber dass sie in jeder
Familie gelesen und diskutiert werden, ist eine jüdische Spezialität. In den
meisten Religionen ist es trotz grosser Religiosität unüblich, religiöse Texte
gemeinsam zu lesen und zu besprechen. Als wichtiger
gilt vielmehr, sie auswendig zu lernen und zu respektieren. Nicht Kreativität
ist gefragt, sondern Konformität. Auch in Europa überliess man Lesen und
Schreiben während tausend Jahren den Priestern und Noblen. Das einfache Volk verstand nicht einmal die Kirchenmesse, welche
meist auf lateinisch gelesen wurde.
Veränderung nach der Reformation
Dies änderte sich erst vor 500 Jahren. Der grosse literarische Aufbruch
begann in Deutschland, und hatte wiederum wie bei den Juden mit der Bibel zu
tun. Als Martin Luther die Reformation einführte, forderte er die Christen auf,
alles selbst in der Bibel nachzulesen. Durch die Lehre, dass jeder Gläubige für
seine eigene Familie ein Priester Gottes sein könne, wurde
sogar in den einfachsten Menschen der Wunsch geweckt, die Bibel zu lesen.
Dieser Hunger motivierte ganz Nordeuropa, die Buchstaben des Alphabets zu
erlernen. Dies wiederum führte zu einer einzigartigen Begeisterung nicht nur
für religiöse Literatur, sondern überhaupt für Bildung. In der Folge entwickelte sich
eine wirtschaftliche und wissenschaftliche Blüte, wie sie in der
Menschheitsgeschichte einmalig ist.
Druckkunst gab es schon lange auf verschiedenen Kontinenten. Doch die
Alphabetisierungsraten blieben trotzdem beschränkt. Anders in Europa. Gutenbergs Modernisierung des Buchdrucks kam passend, aber sie
war nicht der Hauptgrund für die Alphabetisierung Europas. Die Motivation kam
durch den christlichen Glauben, welcher zu jener Zeit eine Begeisterung für
Lesen und Bildung gebar, wie es sie nie zuvor
gegeben hatte. Zudem forderten die Reformatoren von den weltlichen Obrigkeiten,
allgemeine Schulpflicht einzuführen (Philipp Melanchthon). Diese Idee
verbreitete sich erst viel später in andere Erdteile.
Es war also nicht etwa die Renaissance, welche den unteren Schichten
Lesen und Schreiben beibrachte. Diese ahmte ja nur die alte griechische Welt
nach, in der die herrschende Schicht die Ungebildeten verachtete.
Die allgemeine Alphabetisierung der modernen Welt ist keine
Selbstverständlichkeit. Sie begann plötzlich mit der Reformation und hat von
Europa ausgehend viel zur Verbesserung der Lebensbedingungen beigetragen, auch
wenn nicht alle Völker offen für Neues waren. So bezeichneten etwa die
Türken die neue Druckerpresse von Anfang an als Teufelszeug und lehnten sie
während Jahrhunderten ab. Eine andere Schwierigkeit war, dass es in vielen
Ländern gar keine für das allgemeine Volk verständliche
Schriftsprache gab.
Beispiel Indien: Bildung durch Missionare
Nehmen wir ein Beispiel aus Indien. Vishal Mangalwadi ist ein moderner
indischer Philosoph. In seinem Werk «Das Buch der Mitte» (Fontis Verlag) überrascht er mit warmherzigem Dank an englische
Missionare, welche Grossartiges für sein Volk geleistet hätten. Sie seien es
nämlich gewesen, welche einst verschiedene Dialekte Indiens mit grossem Aufwand
zu einer vereinfachten Schriftsprache vereinigten.
Diese hätte es erst möglich gemacht, dass das einfache Volk an der allgemeinen
Bildung teilhaben konnte. Zudem hätten sie so die Startbasis erschaffen, auf
Grund derer die Vereinigung der indischen Völker zu einem Nationalstaat möglich wurde. Nachdem über Jahrhunderte Farsi, Sanskrit und English dazu
benutzt worden seien, um die unteren Schichten unwissend zu halten, habe erst
das von europäischen Missionaren erarbeitete Hindu Projekt die Voraussetzungen
für ein modernes allgemeines Bildungssystem
erschaffen. Nur deswegen sei auch in Indien seither die Analphabetenrate am
Sinken. Er zitiert sogar Belege dafür, dass jene christlichen Missionare
bewusst darauf hinarbeiteten, die bildungsmässigen Voraussetzungen für die
kommende Unabhängigkeit Indiens von der englischen Kolonialmacht zu erschaffen.
Das ist nur ein Beispiel. Auch viele andere Völker erhielten ihre Schriftsprachen nur dank europäischen Wissenschaftlern, nicht
selten christlichen Missionaren. Zusammenfassend stellen wir fest, dass es ohne
die Bibel wohl bis heute noch in keinem Volk eine höhere Alphabetisierung als
10 bis 20 Prozent geben würde. Ob sich wohl die modernen Spötter und Kritiker der Bibel
dessen bewusst sind, dass es die deutsche Schriftsprache, die sie benutzen, nur
dank Luthers Bibelübersetzung überhaupt gibt, und dass sie selber und ihre
Leser nur dank der Bibel nicht mehr wie ihre
Vorfahren Analphabeten sind?
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