Auf Umweg zum Berufsberater

«Ich kann mir nichts Erfüllenderes vorstellen»

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Rolf Sommer (Bild: zVg)
Nicht jeder kann von sich behaupten, die eigene Lebensberufung gefunden zu haben. Berufsberater Rolf Sommer hat dies im Alter von 55 Jahren erreicht. Er erzählt von seinem Weg, die von Gott gegebene Bestimmung zu finden.

Auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass Menschen zu fördern Ihre Leidenschaft ist. Was heisst das konkret?
Rolf Sommer: Jeder Mensch ist von Gott in irgendeiner Weise begabt. Bei mir drückt sich diese Begabung dadurch aus, in der Arbeit mit Menschen, in meinem Fall als Coach und Berater, ihr Potenzial zu entdecken und zu fördern. Meine Frau Debora pflegt an dieser Stelle jeweils zu sagen: «Gott hat dir die Gabe geschenkt, bei den Menschen das Gute zu sehen und das Potenzial, das damit verbunden ist.» Das trifft es ziemlich genau. Menschen auf diese Weise zu begleiten, dafür schlägt mein Herz und dafür investiere ich einen Teil meiner Lebenszeit.

Wie muss man sich Ihren Alltag als Berufsberater konkret vorstellen? Welche Schwerpunkte kennzeichnen diese Tätigkeit?
Als Berufsberater für Jugendliche unter 25 Jahren mit einem Handicap ist es meine Aufgabe, zusammen mit den Jugendlichen, ihren Eltern und weiteren Bezugspersonen wie Beistände usw. ihnen eine erstmalige berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Dabei zeige ich den Jugendlichen, welche Unterstützung sie vonseiten der SVA Aargau (Sozialversicherungsanstalt; Invalidenversicherung) erwarten können. In diesem Handlungsrahmen unterstütze ich die Jugendlichen mittels personeller (Coaches als enge Begleiter), materieller (Hilfsmittel) und finanzieller (Taggelder) Ressourcen bis zum erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung. Als Berufsberater obliegt mir somit die Rolle des Fallführers.

Sie durchlebten bis jetzt mehrere verschiedene Stationen in Ihrem Leben: Augenoptiker, Theologe, Coach, Berufsberater. Was würden Sie als Ihre besondere Begabung bezeichnen und wie haben Sie sie entdeckt?
Meine besondere Begabung, die ich von Gott erhalten habe und mit Ihm entdecken und entwickeln durfte, ist die Begleitung und die Beratung von Menschen. Ich besitze eine hohe Empathie für Menschen verschiedenster Herkunft. Dadurch gewinnen Menschen schnell Vertrauen zu mir und lassen sich in ein vertrauensvolles Beratungsbündnis einbinden.

Ich stamme aus einer Wirtefamilie und hatte hier bereits mit den unterschiedlichsten Menschen, vom Randständigen bis zum Direktor Coop Schweiz zu tun. Als Optometrist begleitete ich Menschen mit Sehproblemen, die mir in den Sehkontrollen auch immer wieder ihr Herz ausschütteten und ihre Sorgen mit mir teilten. Als Pastor begleitete ich Menschen aller Alterskategorien bis hin zur letzten Wegetappe. Als Coach und Berater fliesst nun die Erfahrung all dieser Jahre zusammen. Alles, was Gott in mir geweckt und wodurch er mich mit schönen und schwierigen Lebenserfahrungen geformt hat, kann ich nun in meiner heutigen Tätigkeit nutzen und anwenden.

Wie wirkt sich der Glaube an Jesus Christus in Ihrem beruflichen Alltag konkret aus?
Ich nutze die Autofahrt am Morgen an meinen Arbeitsplatz in Aarau damit, vor Gott den vor mir liegenden Tag auszubreiten. Dabei bete ich generell um die Führung des Heiligen Geistes in meinem Lebensalltag, aber auch in jedem Coaching und Beratungssetting, das heute auf mich zukommt. Ich bete für meine Familie, meine Freunde aber auch meine Klienten samt Herausforderungen, in denen wir gerade als «Team» stehen. Auch vor schwierigen Gesprächen oder herausfordernden Coachings bitte ich den Heiligen Geist, mich achtsam für sein Reden in der jeweiligen Situation zu machen, durch Worte, Gedanken oder Bilder, die er mir eingeben soll. Ich berate oder coache also immer in der Haltung, dass der Heilige Geist mich führt.

Wie können Sie ihren christlichen Glauben am Arbeitsplatz zur Sprache bringen? Welche Grenzen sind Ihnen diesbezüglich gesetzt?
Grundsätzlich setzt mir niemand Grenzen. Am Arbeitsplatz in Aarau gibt es keine konkreten Weisungen, die ein Reden über den christlichen Glauben einschränken oder verbieten würden. In meinen Coachings ist das auch nicht der Fall. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich meinen Glauben an Jesus Christus einfliessen lassen soll. Ich habe hier gelernt und bin immer noch am Lernen, auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören. In Markus, Kapitel 13, Verse 11–13 erinnert uns Jesus daran, dass uns der Heilige Geist die Worte schenkt, die wir sagen sollen. Das ist meine Grundhaltung und mein Gebetsanliegen vor jeder Beratung und jedem Coaching. 

Welche Wissensinhalte und welche Werkzeuge aus Ihrem beruflichen Werdegang helfen Ihnen besonders, die Begabungen der jungen Menschen zu finden?
Aus meiner Zeit als hauptamtlicher Theologe habe ich viele Tools kennengelernt, wie zum Beispiel aus den Büchern von Christian Schwarz, mit denen man die Geistesgaben eines Christen benennen kann. In meiner Arbeit als Berufsberater kennen wir unzählige Testverfahren, mit denen wir bei den Jugendlichen ihre natürlichen Begabungen abfragen und ihre Vorlieben erkennen können. Daneben habe ich auch aus meiner Arbeit mit meiner Frau Debora, die eine Spezialistin im Bereich Intro- resp. Extraversion sowie Hochsensibilität ist, enorm viel gelernt. All das und eine grosse Portion Menschenkenntnis fliessen so in meine Beratertätigkeit und in meine Coachingsettings zusammen.

Was erleben Sie in Ihrer beruflichen Tätigkeit als schwierig und wie gehen Sie damit um?
Schwierig ist es, wenn meine Klienten nicht verstehen, dass sie diejenigen sind, welche in erster Linie zum Erfolg des Coachings oder der Beratung beitragen. Erfolg hat in diesem Zusammenhang viel mit Veränderung zu tun. Viele Menschen reden davon, sich verändern zu wollen, aber die wenigsten sind wirklich bereit dazu. Ihnen dies verständlich zu machen, ist immer herausfordernd für einen Coach und Berater und manchmal auch ganz schön schwierig.

Gibt es Momente, in denen Sie sich wünschen, Pastor geblieben zu sein? Wenn ja, welche?
Nein, die gibt es nicht. Ich hatte in meiner Frau bis heute ein Gegenüber, das mich stets ermutigt hat, den Weg zu gehen, den Gott mich führt. Ein Teil davon war der geistliche Dienst, quasi als Übergang zu einem weiteren Schritt in Richtung Lebensberufung. Mein Weg ging aber weiter an den Platz, an dem ich heute Menschen als Coach und Berater dienen darf. Diesen zu finden, darin hat mich meine Frau immer ermutigt und bestärkt. Ohne sie wäre ich heute nicht an diesem Platz.

Ich bin überzeugt, dass Gott in mir immer den Menschenbegleiter gesehen hat. Heute mit bald 56 Jahren bin ich aus meiner Sicht an dem Platz, an dem Gott mich immer haben wollte. Arbeiten bedeutet für mich daher immer auch, in meiner Lebensberufung zu stehen. Ich kann mir nichts Erfüllenderes vorstellen.

Zur Person

Rolf Sommer ist Berufsberater bei der IV-Stelle des Kantons Aargau für Jugendliche unter 25 Jahren mit einem Handicap, daneben arbeitet er als selbständiger Theologe, Referent, Coach, Berater und Trainer. Er ist verheiratet mit Debora, sie haben zwei erwachsene Kinder.

Zur Webseite:
Sommercoaching

Zum Thema:
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Datum: 30.09.2022
Autor: Dieter Bösser
Quelle: Magazin «Christus im Brennpunkt»

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