Der Buddhismus liegt im Trend. Wie erklären sich Christen diesen Erfolg? Und welche Konsequenzen ziehen sie daraus für ihre Gemeinden? Eine Umfrage unter Schweizer Freikirchenverantwortlichen und dem SEA-Zentralsekretär.
René Winkler, Leiter Chrischona-Gemeinden Schweiz: «Der Buddhismus kommt durch den Dalai Lama friedlich, sanft und liebevoll daher und trifft in unserer leistungsorientierten Gesellschaft auf ein grosses Vakuum. Der Buddhismus entspricht voll dem vorherrschenden Individualismus und Pluralismus. Es gibt nur persönliche und keine allgemein verbindlichen Wahrheiten. Offenbar sind unser Glaube an Jesus Christus und unser Leben als Christen so wenig sichtbar oder so wenig glaubwürdig, dass sich viele Zeitgenossen von den Lehren des Dalai Lama mehr versprechen als von Jesus Christus. Die Konsequenz: Wir Christen müssen den geistlichen Kampf ernst nehmen (siehe Epheser 6), Jesus Christus als Herrn anerkennen, ihm tatsächlich gehorchen (Lukas 9,23ff) und alles daran setzen, dass wir hinausgehen zu den Menschen, die ihn nicht kennen (Matthäus 28,18ff), und mit ihnen unser Leben teilen. Unsere Familien, Kleingruppen und Gemeinden dürfen nicht zum frommen Ghetto verkommen. Es fehlt uns nicht an Konzepten, an Geld und an Menschen. Wenn es uns an etwas fehlt, dann sind es die Liebe und der Glaube an unseren Herrn.»
Gier nach mehr
Heinrich Bolleter, Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche Mittel- und Südeuropas: «Der postmoderne Mensch ist religiös. Die Lehre des Buddhismus fügt sich sehr gut in die Lebensphilosophie und das Lebensgefühl unserer Zeitgenossen ein. Wir sind dort angekommen, wo wir an der Gier, alles haben zu müssen, zu leiden beginnen. Der Buddhismus holt die Menschen dort ab, wo sie ratlos sind.
In den christlichen Gemeinden finden wir heute vielfach einen anderen Trend. Wir versuchen möglichst alle Begehrlichkeiten und Wünsche der Menschen zu erfüllen, um die Gemeinde attraktiv zu machen. Hier aber findet der postmoderne Mensch, welcher an seiner Lebensgier leidet, keine Antwort auf seine Fragen. Ich bin überzeugt, dass postmoderne Menschen, welche nicht nur einer christlichen Wellnesskultur, sondern Jesus Christus selber begegnen, von der Gier nach „mehr“ befreit werden.»
Patchwork-Religion
Max Schläpfer, Präsident der Schweizerischen Pfingstmission:
«Der Dalai Lama ist eine beeindruckende Persönlichkeit, seine Gelassenheit wirkt auf den modernen und gestressten Menschen anziehend. Seine Stellung als geistiges Oberhaupt eines Volkes, welches um seine Unabhängigkeit ringt, in Kombination mit seiner Persönlichkeit, macht den Dalai Lama für die Öffentlichkeit interessant.
Den meisten Menschen geht es nicht wirklich um den Buddhismus als Ganzes, sondern nur um jene Aspekte, die in ihre individuelle Patchwork-Religion hineinpassen. Es gibt für uns keine zwingenden Konsequenzen aus diesen Beobachtungen. Religiöse Modeströmungen kommen und gehen. Die Gemeinden sollen an ihrem Auftrag festhalten und die einzigartige Botschaft von Jesus Christus verkündigen, der gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“»
Freude und Humor
Daniel Suter, Präsident des Evangelischen Gemeinschaftswerkes:
«Ich denke, dass die grosse Beachtung auch mit der Tragödie der Tibeter zusammenhängt. Hinzu kommen die offensichtliche Freude und der Humor des Dalai Lama. Weiter geniessen die fernöstlichen Kulturen und Religionen eine hohe Sympathie, dies sicher auch durch die Globalisierung und die rege Reisetätigkeit der Europäer. Ich wünsche, dass wir mit der gleichen Freude und Motivation unseren Glauben an Jesus Christus und unsere christlichen Werte vertreten.»
Missionarische Medien
Hansjörg Leutwyler, Zentralsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz:
"Die gewinnende Persönlichkeit des Dalai Lama hat viel dazu beigetragen, dass Menschen ihre spirituellen Bedürfnisse neu beim Buddhismus zu decken suchen. Zudem haben die Medien dem Dalai Lama eine immense Plattform gegeben Viel missionarischer hätte die Medienwelt wohl kaum reagieren können! Die Meinung, dass es keinen Schöpfergott gibt und der Mensch keinen Erlöser braucht, ist spätestens durch Darwin "bewiesen". Doch der Atheismus lässt viele Menschen leer. Da bietet sich ein westlicher Buddhismus geradezu an, mit dem man ohne Gott zur Erleuchtung kommen soll.
Die Kirchen müssen das spirituelle Vakuum wieder mutig mit einer zentralen Verkündigung des Evangeliums füllen! Wer seinen spirituellen Hunger ernsthaft zu stillen versucht, wird letztlich auf Gott und den Erlöser Jesus Christus stossen. Als Evangelische Allianz wollen wir uns weiterhin für das Bekanntmachen der Inhalte des Evangeliums einsetzen. Und noch konsequenter wollen wir das grösste evangelistische Potenzial fördern: Ein glaubwürdiges Miteinander der Christen – in Wort und Tat. Der Alphalive-Kurs ist die nächste Gelegenheit dazu. Dabei werden rund 10’000 Menschen zehn Abende verbringen, um ihren spirituellen Hunger zu stillen.»