Heute erhält Micha nochmals eine Chance. Der König Ahab will seine Meinung zum geplanten Feldzug wissen. Micha ist als eigenständiger Ratgeber bekannt. Doch seine Zivilcourage hat Grenzen – und Folgen.
Guter Rat war schon zu biblischen Zeiten teuer
Wenn Micha sich anpassen würde, hätte er ein angenehmes Leben. Er wäre angesehen und einflussreich. Denn man kennt ihn in der Hauptstadt Samaria. Doch warum hat er an der Politik des Königs in letzter Zeit kein gutes Haar gelassen? Micha verdirbt ihm als Kritiker und Warner die gute Laune. Und das bringt wiederum die Königin Isebel gegen ihn auf. Ihre Rachsucht hat schon mehrere hundert Propheten das Leben gekostet!
Ratgeber, die den Gott Jahwe ehren und in seinem Namen sprechen, sind jetzt am Hof nicht mehr erwünscht. Micha wacht jeden Tag mit dem Wissen auf: Die Schwerter sitzen locker in Samaria, seitdem Isebel die Götter ihrer Heimatstadt Sidon hier eingeführt hat.
Neue Hauptstadt, neue Götter
Jahwe ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, also der Stammväter der Israeliten. Ihre zwölf Stämme hat er einst aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Vor 75 Jahren (im Jahr 930 vor Christus) haben zehn der zwölf Stämme gegen die von David begründete Königsdynastie in Jerusalem rebelliert und sich unabhängig erklärt. Mit der Trennung vom Jerusalemer Kleinstaat war für den neuen Staat Israel, wie sich bald zeigen sollte, eine ‚multireligiöse‘ Öffnung verbunden. Der erste König richtete zwei Tempel ein, damit die Leute nicht mehr zum Tempel Jahwes nach Jerusalem pilgerten. Ahab hat dem jungen Staat Israel mit Samaria eine neue Hauptstadt gegeben, Isebel hat ihn mit ihren Göttern Baal und Aschera auch religiös neu ausgerichtet.
Siegesgewiss
Baal und Aschera sind Kult; wer an Jahwe festhält, kann sich am Königshof nicht halten. Hört Micha unter diesen Umständen weiter auf den Gott, der die Israeliten durch die Jahrhunderte gesegnet hat – oder passt er sich an? Am Hof schwelgen Hunderte ‚Propheten‘ von Baal und Aschera im Luxus; sie baden in der Zuneigung Isebels. Sie unterstützen nun auch den geplanten Feldzug, um die Stadt Ramot östlich des Jordanflusses zu erobern. Die Aramäer, die sie besetzt halten, sollen vertrieben werden. «Gott wird die Stadt in die Hand des Königs geben!» plustern sich die Baal-Propheten siegesgewiss auf.
Nach dem Sprüchlein…
Joschafat, dem König von Jerusalem, zu Gast in Samaria, ist dies nicht geheuer. Er will den Rat eines Jahwe-Propheten einholen. Joschafat ist der Verbündete Ahabs und soll mit ihm ins Feld ziehen. Widerwillig lässt Ahab Micha rufen. Bevor er kommt, spielen sich die Baal-Propheten auf, als spräche Jahwe durch sie.
Endlich steht Micha vor den Königen. Ahab fragt ihn, ob er zusammen mit Joschaphat Ramot belagern solle. «Zieht hinauf und seid erfolgreich!» antwortet Micha. «Sie werden in eure Hand gegeben werden.» Ahab hört den sarkastischen Unterton in Michas Stimme und donnert: «Wie oft muss ich dich beschwören, mir im Namen Jahwes nichts als die Wahrheit zu sagen?»
…Klartext vom Himmel
Nun kann Micha nicht mehr ausweichen. Mit Trauer in den Augen sagt er, was Gott ihm wirklich gezeigt hat: «Ganz Israel sah ich auf den Bergen zerstreut, wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und Jahwe sprach: Diese haben keinen Herrn; es kehre jeder in Frieden zurück in sein Haus!» Als wäre dies nicht genug, schildert er eine Vision von Jahwes Thronsaal. «Ich sah Jahwe auf seinem Thron sitzen, und zu seiner Rechten und zu seiner Linken stand das ganze Heer des Himmels.» Jahwe habe den Baal-Propheten einen Geist der Täuschung und Lüge gesandt, sagt Micha den Königen. Ahab werde bei dem Feldzug umkommen.
Diesen Widerspruch zu ihrem Gelabber halten die Baal-Propheten nicht aus. Der lauteste von ihnen schlägt Micha die Hand ins Gesicht. Ahab ist wütend auf den Spielverderber, doch will er vor Joschafat kein Todesurteil fällen. Micha soll in den Kerker geworfen und bei knapper Kost gehalten werden, bis er von Ramot zurückkehren wird. Micha bleibt bei seiner Unheilsbotschaft: «Wenn du wirklich wohlbehalten zurückkommst, so hat Jahwe nicht durch mich geredet.»
Der Ausgang der Geschichte findet sich in der Bibel, 2. Chronik, Kapitel 18.