Freude

Der Wortsinn

Der griechische Ausdruck für Freude: chará, ist schwer wiederzugeben. Wo chará ist, da ist etwas Beseligendes, Hinreissendes, Jubelerregendes. Andererseits bedeutet chará eine tiefe Heiterkeit des Gemüts, ein völliges Abgefallensein aller Sorgen, das Glück des Geborgenseins und die aus dem allem stammende strahlende Unbefangenheit und Mitteilsamkeit gegen jedermann: »Freut euch mit mir« (Luk. 15,6.9).

Der hebräisch-aramäische Ausdruck hat die Grundbedeutung von Festfreude, ausserordentlichem Frohsein. Von alledem klingt etwas mit, wenn Jesus sagt: »Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde« (Joh. 15,11).

Das Reich Gottes macht das Leben zur Festfreude

Was für eine Freude die Gottesherrschaft mit sich bringt, schildern uns die Evangelien mit den leuchtenden Farben des orientalischen Lebens.

Wir blasierten Städter müssen uns in die Welt des palästinischen Bauern versetzen, um mitempfinden zu können, was es für ihn bedeutet, wenn er einmal gastlich aufgenommen und bei dieser Gelegenheit das lange bereitgehaltene Kalb zubereitet wird; das Reich Gottes ist gleich einem Gastmahl, wo das Beste geboten wird, um die Gäste zu erfreuen.

Welch einen Glanz hat noch heute in Palästina die Hochzeit! Geht es sonst beim Landmann kärglich her und muss er nicht selten darben - das eine Mal zur Hochzeit will er sich schadlos halten; hier soll alles Gute in Hülle und Fülle sein, hier darf an keiner Stelle die Misere des Alltags durchschimmern: Das Reich Gottes bringt die Festfreude, die alles Elend der Weltzustände überstrahlt.

Der Orientale hat eine angeborene tiefgehende Vorliebe für Kleinodien und Kostbarkeiten. Ein seltener Edelstein, eine feine Filigranarbeit sind ein Anblick, der sein Herz höher schlagen lässt. Welch atemberaubendes Erleben, wie der Mann im Gleichnis nach langem Suchen auf die unerhört kostbare Perle stösst! In diesem Augenblick sind alle beschwerlichen Fahrten, ist alles mühevolle Suchen in staubigen Basaren vergessen. Wer auf das Reich Gottes stösst, erlebt die unsagbare Freude des Findens, die alle Kämpfe und Mühsal vergessen macht.


Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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