Ein modernes Hexentum entwickelt sich zum Trend im schwer überschaubaren Sammelsurium heutiger Esoterikangebote.
Sie versetzen Waldspaziergänger in Angst und Schrecken, tanzen bei Mondschein nackt im Reigen und rufen nach ihren Göttern. Hexen treiben wieder ihr Unwesen im deutschen Unterholz. Besonders Jugendliche sind vom Kult um Naturkräfte und Zaubersprüche angetan. Besonders in deutschen Landen interessieren sich nach Meinung von Experten Tausende von Teenagern für das Thema. Aber auch ältere Menschen glauben an die Macht der Magie und gründen Hexen-Zirkel.
„Die Hexen-Szene verfügt zurzeit über eine erhebliche Dynamik“, sagt der Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Hansjörg Hemminger. Zugleich sei sie äusserst vielschichtig. Von „Girlie-Hexen“ bis zu verschwiegenen Zirkeln, den so genannten Wicca-Covens (Wicca-Coven: altenglisch für Hexen- Zirkel), reiche die Spannweite der wachsenden Bewegung. Fachleute rechnen diese Gruppen dem Neuheidentum zu. In Vereinigungen wie der Pagan-Federation oder dem „Steinkreis“ sammeln sich ihre Anhänger.
Teil dieser Bewegung ist Maddalina. Sie ist „Hohepriesterin“ in einem Berliner Hexen-Zirkel. Ihren wirklichen Namen will die 44- Jährige nicht nennen. Als sie vor mehr als 15 Jahren begann, sich für Wicca zu interessieren, suchte sie ein Jahr nach Gleichgesinnten. „Heute geht das per Mausklick im Internet“, sagt sie. Die Anzahl der Hexen-Zirkel habe sich seither mehr als vervierfacht, schätzt die Insiderin. Die Zahl ihrer Mitglieder kann auch Maddalina nicht genau abschätzen. Maximal seien es einige hundert Wiccas in Deutschland.
Hexentipps aus TV-Serien
Vom Run der Teenager auf die Hexenkulte hält Maddalina wenig. Täglich erreichen die frühere Arzthelferin E-Mails von 13- bis 14- Jährigen, die Hexen werden wollen. Fast alle lässt sie abblitzen. Ihr Zirkel, der schon seit Jahren existiert, besteht nur aus acht Mitgliedern. Die jüngste Hexenanwärterin ist 25 Jahre alt. Praktische Hexentipps erhalten die Teenager derzeit weniger von den exklusiven Hexen-Zirkeln, sondern eher aus den Medien: TV-Serien wie „Charmed“ oder „Sabrina“ und Bücher wie „Die Hexenwerkstatt“ oder das „Buch der Schatten“ haben Konjunktur.
Im Hexencomic „W.I.T.C.H“ lernen die Novizen, was Hexen alles können: Liebeszauber sollen Schüchternheit beim ersten Annäherungsversuch verhindern, Schulprobleme durch Beschwörungsformeln im Mondschein gelöst werden. „Das Problem dieser Angebote ist, dass Fiktion hier als Realität dargestellt wird“, sagt Hemminger. „Magische Problemlösungen sind aber im wirklichen Leben keine.“
Eine schöne Wohnung vom Lichtgott Baldur
„Wir sind Heiden und glauben an die Macht der Magie“, sagt Maddalina. Mehrere Male im Jahr gehen sie und ihre Mithexen hinaus in die Berliner Wälder. Nackt stehen sie im Kreis und rufen den Lichtgott Baldur an. Die Anlässe erscheint banal: Wunsch nach einem besseren Job, eine neue Wohnung mit Balkon, Gesundheit.
Im Gegensatz zu den weitgehend ideologiefreien Junghexen sammeln sich in den „Wicca-Zirkeln“ eher ältere Frauen mit ökologisch- feministischem Hintergrund. Mit „schwarzer Magie“ haben sie nach Ansicht von Experten meistens wenig zu tun. Ihr ethischer Ansatz unterscheide sich stark von demjenigen von Satanisten. Sektenfachmann Hemminger weist jedoch darauf hin, dass viele Zirkel im absoluten Dunkel agieren. „Da weiss man nicht, was die so machen.“ Ansonsten hält er die „Wicca-Covens“ für eine Art „individuelles Krisenbewältigungsmodell“. Wenn der Kult um Hut und Besen ein lebensbestimmendes Mass annimmt, findet er das Besorgnis erregend.
Maddalina sieht das anders: „Wir sind harmlos, und mit unserem Glauben schaden wir niemandem“, sagt sie. Auch der Berliner Förster fände das. Er lässt sie auf seiner Waldlichtung tanzen.
Eine Bewertung
Hexenkulte haben in unserer Gesellschaft Platz wie so vieles andere im Markt der Weltanschauungen. Altes und Neues Testament lehnen jedoch Zauberei und Magie klar ab. Allein in der Verbindung und Verehrung des Schöpfergottes und seines Sohnes Jesus Christus liegt das Versprechen ewigen Lebens. „Zauberei“ und „Wahrsagerei“ sind „Gott ein Greuel“ und schliessen aus seiner Lebensgemeinschaft aus (5. Mose 18,12, Offb. 21,8). Deshalb waren sie auch streng verboten (5. Mose 18,10.11). Weil es selbst in Israel zu gewissen Zeiten viele Hexen und Wahrsager gab, drohten die Propheten dem Volk mehrmals mit göttlichen Katastrophen (Jesaja 47,9; Maleachi 3,5). „Ungehorsam gegen Gott, Götzendienst und Zauberei“ werden auf eine Stufe gestellt. Dass Hexen nicht immer das Böse schlechthin verkörpern, macht die in der alttestamentlichen Geschichte von König Saul erwähnte „Hexe von Endor“ deutlich. Sie lässt den Propheten Samuel erscheinen, der Saul die künftigen Ereignisse unverfälscht mitteilt. Für Saul jedoch war die Botschaft niederschmetternd: Sie sagte ihm seinen Untergang und Tod voraus. Die Geschichte deutet an, dass Menschen, die sich Hexenpraktiken und Okkultismus hingeben, oft ihre Freiheit und Selbstbestimmung verlieren und in Depressionen bis hin zu Besessenheit versinken. Dass es Leute gibt, die davon verschont bleiben und Hexenkulte mit Spass betreiben, ist kein Beleg gegen das Gefahrenpotenzial, das in solchen Praktiken liegt.