Für viele klingen die «Seligpreisungen» von Jesus rätselhaft. Dabei zeigen sie den Weg zum Leben – gerade weil sie so anders sind.
Der englische Philosoph G.K.Chesterton schreibt über die Bergpredigt von Jesus: «Liest man die Bergpredigt zum ersten Mal, hat man den Eindruck, dass
alles auf den Kopf gestellt wird. Beim zweiten Mal entdeckt man, dass
alles genau richtig gestellt wird. Zuerst denkt man, ein derartiges
Leben sei unmöglich, um dann festzustellen, dass nichts anderes möglich
ist.» Wer Gott und das Leben sucht, kommt an diesen Worten von Jesus aus dem Matthäus-Evangelium, Kapitel 5 nicht vorbei.
Warum «Selig sind»?
Man spürt es schon an der Wortwahl: Jesus möchte, dass Menschen glücklich werden. Ganz einfach. «Selig» heisst einfach «glücklich zu preisen». Damit setzt Jesus einen total positiven Akzent am Anfang seiner ganzen Wirksamkeit – und darum heisst das Evangelium auch «Gute Nachricht». Für uns heisst das ganz einfach und klar: Wer es wagt, sich auf diese «Spielregeln» einzulassen, der wird glücklich werden – in einem ganz tiefen Sinne.
Nicht nur Gebote, sondern Einstellung
Die meisten Religionen geben Gesetze: «Du sollst!» Wenn du dich richtig verhältst, sind die Götter zufrieden. Wenn nicht, zürnen sie. Dieser Weg des Gesetzes hat gründlich versagt – bis heute. Jeder von uns, der Kinder erzieht, weiss es ja auch: Es geht nicht nur darum, dass heranwachsende Menschen bestimmte Dinge tun oder nicht tun. Sondern wir möchten, dass sie eine Haltung, eine innere Einstellung entwickeln, die sie den richtigen Weg finden lässt.
Jesus spricht in den Seligpreisungen solche «Haltungen» an – sie sind wie ein innerer Kompass, der uns in die richtige Richtung einstellt. Darum geht es Gott immer. Eine Haltung geht viel tiefer als das blosse Befolgen eines Gesetzes. Gott will nicht dressieren, sondern prägen. Die ganze Bergpredigt läuft darauf hinaus, dass wir nicht nur äussere Gesetze und Regeln befolgen, sondern eine neue innere Haltung entwickeln.
Die Reihenfolge ist nicht zufällig
Die Reihenfolge der «Seligpreisungen» ist nicht zufällig, sondern sie bauen aufeinander auf. Es ist erstaunlich, wie dieser Weg zum Glück sich einem aufschliesst, wenn man den richtigen Einstieg hat und der inneren Logik dieser Seligpreisungen folgt:
«Vor Gott arm sein» (Vers 3) – das ist der Einstieg: Gott reagiert auf offene Hände, fragende Herzen und das Bewusstsein, dass man es nicht in der Hand hat. Armut bedeutet: «Ich kann mir das Leben von Gott nicht erarbeiten. Es muss mir geschenkt werden.» Wie befreiend: Ich muss das Entscheidende nicht selbst leisten! Ein neues Herz wird nicht entwickelt, sondern geschenkt.
Leid tragen (Vers 4): Geistliches «Trauern» ist die normale Folge der Erkenntnis, dass ich vor Gott «arm» bin. Das tut weh. Wer sich ansieht und den Blick in den Spiegel aushält, wird trauern, dass er so ist. Das öffnet für Gott.
Sanft-mütig sein (Vers 5): Wer jetzt nicht um sich, sondern in sich schlägt, der ist auf dem richtigen Weg. Nicht Power und Macht bringen das Leben, sondern Sanftheit kommt vorwärts.
Sehnsucht haben (Vers 6): Das Leben von Gott wird nicht so im Vorbeigehen mitgenommen, sondern Gott begegnet den Menschen, die Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und Heil-Sein haben.
Barmherzig sein (Vers 7): Wer sich selbst erkannt hat, wird mit anderen Menschen anders umgehen – und aktiv in seiner Umgebung Gutes schaffen.
Reinen Herzens sein (Vers 8): Es geht aber nicht nur um äusseres, soziales Handeln, sondern um das Herz, um die Motive. Ein reines Herz ist ein gereinigtes Herz – Gott bietet uns totale Vergebung aller Schuld an.
Frieden schaffen (Vers 9): Wer innerlich Frieden mit Gott bekommen hat, wird nach aussen auch dafür eintreten. Versöhnung endet nie bei mir!
Standhaft sein (Vers 10-12): Wer Jesus nachfolgt, wird Widerstand erleben. Es ist fair von Gott, dass er uns das vorher mitteilt. Aber Widerstand ist ein Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Das Ganze auf den Punkt gebracht
Die Seligpreisungen zeigen also wie in einem Brennpunkt, wie man den Glauben findet und was der Glaube bewirkt. Alles fängt mit leeren Händen vor Gott an. Wenn Sie aufhören, mit Ihren guten Taten vor Gott aufzutrumpfen, kann Gott Sie beschenken. Wenn Sie an Schuld leiden, wird er vergeben. Wenn Sie sich nach Leben sehnen, wird Gott Ihren Durst stillen. Die Seligpreisungen helfen uns also, uns vom Leistungsprinzip vor Gott zu verabschieden und zu empfangen.
Pioniere der neuen Welt Gottes
Als Folge davon sind solche Menschen sehr aktive Friedensstifter und Verbreiter von Barmherzigkeit. Wenn ein Mensch Christ wird, wird er nicht nur selbst «selig». Vielmehr setzt Gott einen Kreislauf der Erlösung in Bewegung, von dem andere angesteckt werden. Was mit leeren Händen anfängt, endet in Gottes neuer Schöpfung. Der «Lohn», den Gott gibt – «die Erde erben, den Himmel besitzen, Gott schauen» – steht dabei in frappantem Gegensatz zu dem, was wir zu bieten haben.
Letztlich bin ich glücklich, wenn mein Leben etwas bewirkt, was über mich hinausgeht. Christen sind also nicht die letzten Zeugen eines untergehenden christlichen Abendlandes, sondern die Pioniere von Gottes neuer Welt.
Zurückschauen – das macht man für gewöhnlich, wenn man sich vergewissern oder an etwas erinnern will. Warum aber spricht sich Jesus so heftig dagegen...