Mit dieser Geschichte taucht Livenet-Redaktor Norbert Abt zum Dreikönigstag mal aus etwas anderer Perspektive in die Geschichte von diesem Fürstenkind, das in Bethlehem zur Welt gekommen ist. Schauplatz ist hier jedoch Jerusalem.
Ruben sass in
Gedanken versunken am Brunnen in der Nähe des Jaffatores und schaute in den Sternenhimmel.
Was ihm sein Vetter Juda erzählt hatte, liess ihn nicht los: In Bethlehem, dort
hatte Juda Freunde besucht, soll ein Fürstenkind zur Welt gekommen sein.
Ausgerechnet in
diesem Kaff und dann auch noch in einem Viehstall! Aber genau das war doch der
beste Beweis, dass das Ganze nicht stimmen konnte. Welche vornehmen Leute
würden in einem Stall logieren, und dann auch noch mit einer Frau, die gerade
ein Kind zur Welt gebracht hatte? Das machte keinen Sinn. Und doch, Juda war
kein Aufschneider oder Geschichtenerzähler. Er hatte das Kind selbst gesehen und
sagte, dass ihn die Begegnung mit Jesus, so hiess das Kind, nicht mehr loslässt
und dass es der Messias ist.
Vornehme Fremde in
der David-Stadt
Plötzlich wurde es laut um
ihn herum. Eine Gruppe Fremder war durch das Jaffator in die Stadt gekommen und
nahm den kleinen Platz am Brunnen für sich in Beschlag. Solche Leute hatte Ruben
noch nie gesehen, und in Jerusalem war man ja schon so einiges gewohnt. Er
verstand ihre Sprache nicht, sie trugen teure Gewänder und eigenartige
Amulette. «Was wollen die hier?» Zwei Knechte
versorgten die Kamele, während die vornehmen Herren sich ausruhten.
Auf der Suche nach
dem Königskind
Einer der Knechte war
Jude und erzählte Ruben, dass seine Herren ein Neugeborenes suchten. Sie seien
Priester und Sternenkundige aus Babylon und hatten eine Vollmacht ihres Königs.
Dass Jupiter und Saturn wie ein Stern aussahen, hatte sie darauf gebracht, dass
ein jüdischer König in Israel zur Welt gekommen war. Und wo sollte ein solcher
Sprössling zu finden sein, wenn nicht in Jerusalem, der Stadt Davids, der Stadt
der Könige? Während der Knecht ihm dies erzählte, zeigte er auf Jupiter und
Saturn, die nicht auseinander zu halten waren.
Ruben fragte sich: «Was würde wohl
der machtversessene Herodes dazu sagen? – Und schon wieder
ging es um dieses Kind. Vornehme Leute kamen von weit her, um es zu sehen.» Bald brach die Gruppe der Fremden auf, um Herodes ihre Aufwartung zu
machen.
– 30
Jahre später –
Ruben war alt
geworden. Er hatte keine schweren Leiden, aber das Gehen fiel ihm schwer. Er sass
vor einem kleinen Haus unweit der östlichen Stadtmauer von Jerusalem. Er konnte
auf ein langes und erfülltes Leben zurückschauen, für das er Gott immer wieder
dankte: er und seine Frau Hannah hatten immer zu essen und seine Kinder hatten Kinder
und auch diese Kinder hatten Kinder. Er konnte sich glücklich schätzen und er
war geachtet.
Heute erwartete ihn eine willkommene Abwechslung: In
der Stadt war ein Rabbi, der heilen konnte. So etwas gab es nicht alle Tage, den
wollte er unbedingt sehen. Es hiess, er würde heute vor der östlichen Stadtmauer
sprechen. Viele Menschen waren zusammengekommen, immer wieder fiel der Name
Jesus. Ruben erinnerte sich an seinen Vetter Juda und betete still: «Gelobt seist du Ewiger, der die Toten wieder
belebt.» Jesus hiess das
Fürstenkind von damals und dieser Rabbis. Sicher, der Name war nicht gerade selten.
Meinte der Rabbi
wirklich ihn?
Schnell hatten einige Männer ein paar Steine
zusammengesucht und so gestapelt, dass sie ein kleines Podest bildeten, damit
alle den Rabbi sehen konnten. Für einen Augenblick sah Ruben ihm in die Augen: diese
warmen und liebevollen Augen! Er würde diesen Blick nie mehr vergessen. Und
dann rief der Rabbi ihm zu. «Ruben, dein Vetter
Juda lag ganz richtig, als er dir von mir erzählte!» Ruben war
wie vom Donner gerührt. Meinte der Rabbi wirklich ihn? Hatte er das eben tatsächlich
zu ihm das gesagt? Er kannte ihn doch gar nicht. Woher wusste er seinen Namen
und den seines Vetters? Und wie konnte er sich an etwas erinnern, als er selbst
noch in die Windeln machte?
Dann begann Jesus zu reden. Er sprach von Gott, seinem
Vater im Himmel: «Ich bin die Wahrheit und ich bin das Leben. Ihr könnt
nur durch mich zu meinem Vater kommen.» Ruben
fielen diese Worte ins Herz. Er wusste, dass dieser Mann die Wahrheit sagte. Ihm
war mit einem Mal klar, dass dieser Jesus ihn und seinen Vetter kannte. Der
gute Juda hatte also doch Recht gehabt: Dieser Jesus war der Messias. Er musste
los und es sofort Hannah, seinen Kindern und Grosskindern erzählen. «Mein Volk hat trotz der Römer eine Zukunft. Es brechen neue
Zeiten für Israel an. Was für ein Tag!»