Im Advent schaut sich
Livenet den einflussreichsten Mann der Geschichte etwas genauer an.Gott ist für viele Leute ein Gedanke, ein Begriff,
«irgendwas da oben». Die Menschwerdung von Jesus räumt auf mit diesen Mythen:
Gott wird unausweichlich real.
Dass Jesus vor 2000 Jahren in Raum und Zeit gelebt hat, ass und trank,
die Toilette benutzte, lachte, weinte, müde wurde, schlief und unsere Luft
atmete, hat vor allem eine Konsequenz: Seitdem können wir Gott nicht mehr als
Mythos betrachten und ihn uns so vom Leib halten. Seit Jesus haben wir einen
Gott zum Anfassen und zum Du-Sagen.
Gott, ein Mythos wie Wilhelm Tell?
Nicht wahr: Wir wollen gern jemanden, der über uns wacht. Ein höheres
Wesen, das irgendwie «da oben» regiert. Wir wollen aber keinen, der zu deutlich
wäre. Gott als «kosmisches Prinzip»? Gut! «Weltseele»? Gut! Wir können es
nennen wie wir wollen – so lange es nicht zu konkret ist. Gott darf einfach mit
uns nicht zu viel zu tun haben, geschweige denn dreinreden. Wir sind enorm
bemüht, diesen Gedanken «Gott» in der Schwebe zu halten. Wir haben ein echtes
Interesse daran, ihn als «Mythos» zu behandeln. Ein Mythos ist so etwas wie die
griechische Sage: Man kann etwas davon lernen, aber in der Geschichte hat das
nie stattgefunden. Oder, uns etwas näher, wie Wilhelm Tell: Keiner weiss, ob er
gelebt hat; aber dass er den Apfel geschossen hat, das ist klar.
Weihnachten: Gott wird
ärgerlich real
Wir haben Mechanismen entwickelt, uns Gott vom Leibe zu halten,
und ihn weit weg im Himmel platziert. Weihnachten ist von daher geradezu
ärgerlich und räumt gründlich mit all unseren Mythen auf: «Gott» wird Fleisch
und Blut. «Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns» (Die Bibel,
Johannes-Evangelium, Kapitel 1, Vers 14) bedeutet: «Aus dem blossen Begriff wurde
eine Wirklichkeit aus Fleisch und Blut, die bei uns eingezogen ist.» Gott wird
berührbar und erfahrbar. Der Schöpfer klopft persönlich an die Tür, und obwohl
ihn die Leute nicht wollen und kein Platz für ihn vorgesehen ist, kommt er
trotzdem. Seitdem ist Gott ein Faktum.
Jesus, der zurückhaltende
Gott
Gott ist an Weihnachten in diese Welt eingezogen – und zwar nicht als
«Herr», der alles dominiert, sondern auf eine unglaublich zurückhaltende, ja
verwechselbare Art. Nachdem der kurze Weihnachtsglanz vorbei war, lebte dieses
Baby Jesus als Kleinkind, Schulkind, Heranwachsender, Lehrling und Berufsmann
30 Jahre lang praktisch unerkannt unter uns. Jesus machte sich jeden Tag die
Hände schmutzig und lebte ein Leben der unteren Mittelklasse in Israel.
Er durchlebte all unsere Probleme und Versuchungen – nur ohne zu sündigen. Er
war so wie alle anderen – und total anders. Menschen rätselten, was mit diesem
Mann los war. Aber wer sich ihm öffnete, den liess er nie wieder los.
Der erfahrbare Gott
Wenn das stimmt, wenn Gott in Jesus historisch geworden ist, dann ist
er in unserer Welt drin. Ist uns nahe. Advent bereitet uns darauf vor. Gott hat
einmal zum Anfassen in unserer Mitte gelebt. Er kennt das Menschenleben aus
eigener Erfahrung. Und auch wenn wir ihn heute nicht mehr so sehen und anfassen
können, ist er unsichtbar höchst real. In der Adventszeit sagt Gott: «Ich
möchte dich gern kennenlernen. Ich bin an dir interessiert. Du kannst mich
erfahren. So wie Jesus war, so bin ich.»
Ein Mythos kann uns nicht helfen, weil er eine menschengemachte
Konstruktion ist. Ein Herrgott, der irgendwo hinter den sieben Bergen hockt, auch
nicht. Aber ein Gott, der Mensch wurde, kann helfen und eingreifen. Er hat eine
neue Geschichte angefangen, durch die bis heute Millionen von Menschen
verändert worden sind. Verstehen wir jetzt, warum Advent solch eine aufregende
Zeit ist?