Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) feiert 175-jähriges Jubiläum. Hierzu wirft Lea Schweyer einen Blick auf die Anfänge des Christentums – und die Gründe, weshalb Jesus selbst für die Einheit seiner Anhänger betete.
Von Anfang
an ist die Jesus-Bewegung gefährdet, auseinanderzubrechen und sich zu spalten.
Die zahlreichen Konfessionen, Denominationen und Interessengruppen führen uns das unübersehbar vor Augen. Deshalb ringt Jesus um die
Einheit seiner Gemeinde und betet für sie.
«Heiliger
Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins
seien wie wir [...] Ich bitte aber nicht allein für sie,
sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben
werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in
mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein,
damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.»
1. Die Einheit:
Nicht Einförmigkeit
Einheit ist
nicht Einheitlichkeit. Es ist nicht das Anliegen von Jesus, dass seine Jünger
alle gleich sind, sondern dass sie eins sind. Das zeigt sich schon bei der Berufung der Apostel. Jesus ruft nicht zwölf Gleiche, sondern zwölf, die unterschiedlicher kaum sein könnten: zum Beispiel den
vorlauten Simon Petrus, der ihn verleugnete; die Donnersöhne und
Geschwister Johannes und Jakobus; den Eiferer Simon, der die Römer bekämpfen wollte; den Zöllner Matthäus, der mit den Römern kooperierte; den Schatzmeister Judas, der
ihn verriet. Es geht nicht darum, uniformiert zu werden wie eine Armee, sondern
darum, bei aller Unterschiedlichkeit sich als Teil eines
grösseren Ganzen zu sehen und deshalb zusammenzugehören.
2. Die
Gefährdung: Zwietracht
Die grosse
Gefahr für die Einheit ist daher nicht Vielfalt, sondern Zwietracht. «Zwietracht»
heisst ja wortwörtlich, nach zwei unterschiedlichen Dingen zu trachten, zwei unterschiedliche Ausrichtungen zu haben. Zwietracht geschieht, wenn man sich vom andern abgrenzt, weil man nicht mehr eine gemeinsame Sicht hat – so wie Jakobus und Johannes, welche die Ehrenplätze für sich beanspruchen und sich für wichtiger erachten als die anderen Jünger. Es sind unser sündiges Herz, unser Neid, unsere Rechthaberei, welche die Einheit zerstören – und gerade deshalb ringt Jesus so sehr um unsere Einheit und betet für uns.
3. Der
Grund: Gottes Wesen
«...dass
sie eins seien wie wir»: Gott, der Vater und der Sohn (und der
Heilige Geist) sind eins. Diese Einheit spiegelt sich in der Einheit der
Gemeinde. Das ist der eigentliche innere Grund für die
Einheit: dass wir in der intimsten Gemeinschaft mit Gott
selbst sind, die durch nichts gestört wird. Damit wird die
Gemeinde zum Abbild der göttlichen Einheit. Und das führt uns zum äusseren Grund, nämlich zur Wirkung der Einheit.
4. Die
Wirkung: Zeugnis für die Welt
Einheit
geschieht nicht nur um der Einheit willen, sondern mit dem Ziel, dass die Menschen,
die noch nicht glauben, Jesus erkennen und ihm
nachfolgen. Streitende Christen sind keine glaubwürdige Einladung zum Glauben. Wenn Christen aber eins sind, repräsentieren sie die göttliche
Einheit mitten in dieser Welt.
Die Gemeinde ist so ein lebendiges
Zeugnis für Gottes Liebe. Ein solcher Glaube wirkt ansteckend. Gerade angesichts einer zunehmenden Säkularisierung ist es umso
dringlicher, dass sich Christen nicht durch Abgrenzung voneinander
identifizieren und sich durch Grabenkämpfe selbst
zerfleischen, sondern dass sie gemeinsam Jesus Christus
als Herrn in dieser Welt verkündigen.
5. Das
Beispiel: Juden- und Heidenchristen
Lea Schweyer
An keinem
Beispiel wird so deutlich, dass das Gebet von Jesus erhört wurde, wie an der
neuen Einheit zwischen Juden- und Heidenchristen. Auch da ging es nicht ohne Streit, wie uns die Apostelgeschichte und der Galaterbrief erkennen lassen. Im Hören auf die Heilige Schrift und in der Leitung des Heiligen Geistes wurde aber für alle klar: Wer zu Jesus Christus gehört, gehört zum Volk Gottes – ob man nun Jude oder Heide ist. Die Beziehung zu Jesus ist wichtiger als die religiöse und geburtliche
Herkunft. Es ist ein Wunder Gottes, dass es plötzlich Gemeinschaften gab, in
denen Juden und Heiden zusammen Jesus als Herrn verehrten
und gemeinsam am Tisch des Herrn assen – und es ist eine
grosse Tragik der Kirchengeschichte, dass diese Einheit auch immer wieder Brüche
und Spaltungen erfahren hat.
6. Die
Illustration: Leib und Glieder
So wie Jesus
haben auch die Apostel als seine Nachfolger um die Einheit gerungen – allen voran
Paulus. Er wurde nicht müde, auf die Einheit des Glaubens hinzuweisen,
auf den einen Gott, den einen Vater, den einen Herrn, den
einen Geist, an den wir glauben, auf den einen Leib, zu dem wir durch die
eine Taufe miteinander verbunden sind und auf die eine Hoffnung, das gemeinsame Ziel, das wir anstreben.
Dass es auch hier nicht um Gleichförmigkeit geht,
zeigt die Rede von der Kirche als einem Leib mit vielen
Gliedern. Diese tiefe Wahrheit lässt sich auch auf das
Miteinander von christlichen Gemeinden und Kirchen
beziehen. Jesus hat die verschiedenen Denominationen
und lokalen Gemeinden mit unterschiedlichen Gaben beschenkt. Wir können so einander ergänzen und mit den je eigenen Gaben einander
helfen, den grossen Auftrag der Mission, Evangelisation und Diakonie
in dieser Welt zu leben. Eine Gemeinde allein ist dazu
überfordert. Wir brauchen einander und können gemeinsam besser
unterwegs sein. In gegenseitiger Liebe, Achtung und
Wertschätzung zueinander wird die Liebe Christi in dieser
Welt gesehen und gelebt.
7. Die
Allianz: gemeinsam besser
Die
Evangelische Allianz versteht sich als ein christliches Netzwerk, das helfen
will, in der gemeinsamen Ausrichtung auf Jesus Christus das
Miteinander christlicher Gemeinden zu fördern. Verbindend ist dabei der gemeinsame Glaube. Die Glaubensbasis der Evangelischen Allianz formuliert zentrale Wahrheiten des Glaubens – auch solche, die weit über die Allianz hinaus die Christen miteinander verbinden. Eine solche Glaubensbasis hilft,
das Gemeinsame zu benennen und gleichzeitig die Vielfalt in den
Frömmigkeitsausrichtungen zu schätzen. Das ist gerade bei gemeinsamen
missionarischen und diakonischen Aktionen besonders wertvoll – und auch bei
gemeinsamen Gottesdiensten. Die Glaubensbasis richtet unsere Augen auf den dreieinen Gott, um ihn von ganzem Herzen zu lieben und zu verehren.