Generationen haben sich bereits Gedanken gemacht, wo
die Persönlichkeit des Menschen, seine Seele, verortet sein könnte. Die neuere
Forschung kommt dabei zu ähnlichen Ergebnissen wie die Bibel.
Im Laufe der Geschichte trieb die Suche nach der
menschlichen Seele interessante Blüten. Dem Philosophen des Rationalismus, René
Descartes, schien es klar, dass die Seele nicht irgendwo im Körper wohnen
konnte, aber sie brauchte seiner Meinung nach ein «Seelenorgan»,
in dem die Kommunikation zwischen Körper und Seele stattfand. Er hielt die
Zirbeldrüse im Zwischenhirn für diesen Ort.
Im 20. Jahrhundert entwickelte der US-Arzt Duncan
MacDougall die Hypothese, dass die Seele durchaus messbar wäre. Er wog also
Sterbende vor und nach ihrem Tod und erhielt eine durchschnittliche Differenz
von 21 Gramm als «Gewicht der Seele».
Gemeinsam ist diesen und vielen weiteren Vorstellungen, dass sie weder wissenschaftlich
haltbar sind noch etwas mit dem zu tun haben, was die Bibel zur Seele sagt.
Neuere wissenschaftliche Forschung
Anna Gielas entfaltet in «Psychologie heute 5/22»
ein differenziertes und breit aufgestelltes Bild der Seele als Sitz der
menschlichen Persönlichkeit. Natürlich spielt auch in der neueren Forschung das
Gehirn – genauer gesagt die Faltenform seiner Oberfläche – eine entscheidende
Rolle. Vereinfacht gesagt: Je dünner und faltiger die Aussenschicht des Gehirns
ist, desto aufgeschlossener und offener ist die Persönlichkeit des betreffenden
Menschen.
Spannender, weil unbekannter, ist die Beziehung zwischen unseren
Mikrobiomen und der Psyche. Gielas stellt fest: «So scheint die individuelle
Persönlichkeit mit der Zusammensetzung der Bakterienpopulation im Darm
zusammenzuhängen.» Ähnliches gilt für die Verknüpfung von Immunsystem und
Psyche. Gielas schliesst ihre Darstellung mit dem Hinweis darauf, dass jede
einzelne Körperzelle in ihren Genen Anteile unseres Wesens und Wissens enthält.
Forschungen scheinen zu bestätigen, dass so zum Beispiel ein traumatisches
Erlebnis oder auch gemachte Erfahrungen an die kommende Generation
weitervererbt werden können.
Die menschliche Persönlichkeit
Charakter, Persönlichkeit, das, was uns als Individuen
ausmacht, durchdringt scheinbar unseren gesamten Körper. Diese Aussagen der
moderneren Psychologie werden durch biblische Angaben gestützt. Schon in der
Antike wurde hauptsächlich das Herz des Menschen als Sitz seiner Persönlichkeit
identifiziert, oft ergänzt durch seine Nieren. So bittet David Gott in Psalm
26, Vers 2: «Prüfe mich, Herr,
und erprobe mich; läutere meine Nieren und mein Herz!» In der Redewendung
«etwas auf Herz und Nieren prüfen» ist diese Sichtweise bis heute erhalten
geblieben.
Wie wird die Seele in der Bibel dargestellt?
Und was ist mit der Seele? Der Begriff «näfäsch» für
Seele oder Leben
wird im Alten Testament immerhin 750-mal verwendet. Dabei spielt der erst viel
später im griechischen Denken auftretende Ansatz einer reinen Seele, die in
einem sündigen Körper gefangen wäre, keine Rolle. Genauso wenig das Denken,
dass eine verdorbene Seele erlöst werden müsse, und unser Körper dabei keine
Rolle spiele. In der Bibel wird Seele durchgängig mit der gesamten Person und
ihrem Leben gleichgesetzt.
Das beginnt bereits auf den ersten Seiten der Bibel,
bei der Schöpfung. «Da bildete Gott der Herr den Menschen, Staub von der Erde,
und blies den Odem des Lebens in seine Nase, und so wurde der Mensch eine näfäsch,
eine lebendige Seele.» (1. Mose, Kapitel 2, Vers 7)
Der Mensch hat also laut Bibel keine Seele, er ist
eine lebendige Seele. Kein Wunder, dass sich Teile unserer Persönlichkeit also
überall verorten lassen.