Das Wohlstandsevangelium ist nicht nur auf Afrika und Lateinamerika beschränkt. Auch in der westlichen Welt gibt es Anhänger dieser einseitigen Sicht aufs Evangelium. Als Adesanya Adewusi in Grossbritannien Christ wurde, bewegte er sich zunächst in solchen Gemeinden.
Adesanya Adewusi: «Ich begann, das Wohlstandsevangelium in Frage zu stellen...»
Die Popularität der Wohlstandsverkündigung sei nicht auf Teile Afrikas beschränkt, sagt Adesanya Adewusi. «Ich wurde Christ in einer Pfingstgemeinde in Grossbritannien und war die meiste Zeit meines Erwachsenenlebens in solchen Gemeinden.» Geboren in Nigeria, kam er mit 16 zum Studium nach England. Er war auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.
«Die Christen, die ich kannte, schienen so glücklich und hatten ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das mir fehlte.» Als er einen Gottesdienst in London besuchte, fand er Jesus Christus als seinen Herrn und Retter. In dieser Gemeinde wurde das Wohlstandsevangelium gepredigt.
Der Druck, mehr geben zu müssen
«Es ist eine Lehre, die so heimtückisch ist, dass die Menschen sie glauben, ohne zu merken, dass sie eine verzerrte Version der wahren biblischen Lehre ist.» Praktisch jeden Sonntag habe er eine Botschaft über die Notwendigkeit des Zehnten gehört. «Die Pastoren sagten uns, unsere Finanzen seien nicht in besserer Verfassung, weil wir nicht genug gegeben hätten.»
Er habe sich daran gewöhnt, Bibelstellen wie Maleachi Kapitel 3, Vers 9 zu hören: «Mein Fluch lastet schwer auf dem Volk, und trotzdem hört ihr nicht auf, mich allesamt zu hintergehen.» Dieser und ähnliche Verse seien benutzt worden, um Druck auszuüben. Die Menschen würden dann aus Angst geben, weil sie nicht wollten, dass Gott ihre Finanzen verflucht.
Exklusiver Zugang zu Gottes Offenbarung
Langsam kamen bei Adesanya Adewusi Zweifel auf, ob solche Predigten wirklich dem wahren Herz des Evangeliums entsprechen. «Ich begann, das Wohlstandsevangelium in Frage zu stellen, weil ich die Vorstellung nicht in Einklang bringen konnte, dass Gott will, dass jeder gesund und wohlhabend ist, aber trotzdem viele Christen wegen ihres Glaubens verfolgt werden.» Zudem habe er sich unwohl gefühlt, weil diese Überzeugungen bei den Christen um ihn herum eine Arroganz und Überheblichkeit hervorriefen.»
Diese Ortsgemeinde habe sich verhalten, als hätte sie exklusiven Zugang zu Gottes Offenbarung, und der Wille Gottes für ihre Stadt drehe sich um sie. «Kleinere Kirchen wurden herablassend als Kirchen bezeichnet, die nicht die Manifestation der Macht Gottes widerspiegeln und schliesslich aussterben werden.»
«Gott verspricht nicht materiellen Wohlstand»
Adesanya Adewusi forschte in der Schrift und erkannte, dass Jesus mehr Zeit damit verbrachte, vor Prüfungen in der Welt zu warnen, als dass er sich für physischen und materiellen Segen einsetzte. «Er sagte seinen Jüngern, dass es in dieser Welt Ärger geben würde. Er lebte nicht in Wohlstand und lehrte seine Nachfolger, das Kreuz auf sich zu nehmen.»
Weiter stellte Adewusi fest, dass Gott nirgendwo in der Bibel verheissen hat, dass sein Volk Anspruch auf materiellen Wohlstand hat. Die Art des Wohlstands, die die Bibel am meisten betone, sei der geistliche Wohlstand. «Die Segnungen sind in erster Linie spiritueller Natur. Erlösung, Sohnschaft, Gerechtigkeit in Christus; jedem Christen wird automatisch all dieser Segen garantiert. Aber nicht alle Christen sind gesund und viele von uns sind finanziell nicht wohlhabend. Gott ist mehr um unsere Errettung und unser geistiges Wachstum besorgt, als um unser Glück auf dieser Erde.»
Sind wir besser als Jesus und die Jünger?
«Wohlstandsführer nutzen ihre Leute aus, indem sie ihnen sagen, dass das Spenden einen finanziellen Durchbruch bringen werde. Also versuchen die Menschen im Grunde genommen, Gottes Gunst zu erkaufen. In einigen Fällen leben diese Leiter in Saus und Braus, während ihre Mitglieder darum kämpfen, über die Runden zu kommen. Anstatt dies in Frage zu stellen, hoffen viele, dass die Segnungen des Pastors sich in ihrem Leben wiederholen oder zumindest zu ihnen hinunterrieseln.»
Wer krank oder finanziell eher arm ist, werde deshalb von Vertretern des Wohlstandsevangeliums als eine Person mit zu wenig Glauben dargestellt. Adesanya Adewusi stellt deshalb die Frage: «Sind wir besser als Jesus und die ursprünglichen Jünger zu denken, dass wir Anspruch auf das haben, was sie während ihres Lebens im Dienst nie erlebt haben? Das würde bedeuten, dass Leute wie Paulus, der zwei Drittel des Neuen Testaments schrieb, aber für seinen Glauben enthauptet wurde, Versager waren.»
«Das Ewige zählt!»
Und er kommt zum Schluss: «Die gute Nachricht ist, dass Christen bereits die wahre Art von Wohlstand und die beste Art von Reichtum haben: Das, was ewig ist. Es ist nur so, dass wir das mit unseren physischen Augen nicht sehen können und deshalb manchmal versucht sind, eine andere Art von Komfort zu suchen. Doch das, was wir nicht sehen können, ist realer als das, was wir sehen können!»
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