Immer wieder
richtet Helga Küsener dieses Gebet an
Gott. Zehn Jahre leidet sie unter Depressionen, ausgelöst durch Stress und
Schuldgefühle. Denn eigentlich wollte sie ihre behinderte Tochter abtreiben und
empfindet keine Mutterliebe für sie. Erst als sie Gott als ihren Vater erlebt,
wird es in ihrem Leben wieder hell.
Helga Küsener
wird von ihrer Mutter christlich erzogen, kann selbst aber mit dem Gott ihrer
Mutter nicht viel anfangen. Als sie mit 19 schwanger wird, will sie das Kind
nicht haben. Sie glaubt, sie sei zu jung und weiss, dass sie das Kind allein
erziehen muss. Ihr Plan, Abitur zu machen und zu studieren wird durch die
Schwangerschaft durchkreuzt.
Notoperation
Letztlich entscheidet sie sich doch gegen eine
Abtreibung – «heute bin ich sehr dankbar dafür!». Doch durch eine Schwangerschaftsvergiftung
muss sie notoperiert werden. Zehn Tage lang kann sie ihre Tochter nicht sehen.
Und es stellt sich heraus, dass die Tochter behindert ist, vermutlich durch
Sauerstoffmangel bei der Geburt. «Dass sie behindert ist, war für mich nie ein
Grund, sie anders zu sehen. Was mir Probleme bereitete, war die Tatsache, dass
meine Tochter – wie allgemein behinderte Kinder – einen sehr strukturierten
Alltag brauchen und ich bin eine Chaotin. Das passte nicht zusammen.»
Viel zu oft
stossen die unterschiedlichen Charaktere aufeinander. Im Alltag befallen sie
Schuldgefühle, wenn sie sich über ihre Tochter ärgert oder wütend auf sie ist.
«Ich dachte dann sofort: 'Diese Gedanken darf ich gar nicht haben, denn ich
wollte sie ja gar nicht und sie kann nichts dafür…' Das hat mich zermürbt.» Sie
will eine bessere Mutter sein, aber immer wieder reisst ihr Geduldsfaden – und
hinterher fühlt sie sich extrem schlecht.
Beginn der
Depressionen
Die starken
Schuldgefühle, dazu konstanter Stress bei der Arbeit – an einem Morgen wird alles
zu viel. Als eine Kollegin ihr Akte um Akte auf den Schreibtisch legt, wird ihr
mit einem Mal schwindelig und sie fällt zu Boden. Die Diagnose: Burnout.
Eigentlich will sie sofort wieder zur Arbeit, doch ihr Partner rät ihr, daheim
zu bleiben – und dann bricht alles in sich zusammen. «Ich bekam Panikattacken,
konnte das Haus nicht mehr allein verlassen, Autofahren ging nicht mehr – ich
hatte ständig das Gefühl, zu ersticken. Ich konnte mich nicht mehr unterhalten,
nicht mehr telefonieren. Ich lag nur noch auf der Coach und habe geschlafen.»
Sie wird für ein
halbes Jahr krankgeschrieben und wird auf eigene Bitten in eine
psychosomatische Klinik überwiesen, wo sie acht Wochen verbringt. Nicht zu
wissen, was mit ihr los ist, macht ihr Angst. «Ich konnte keine Informationen
behalten. Es war, als ob mein Hirn am Überlaufen ist.»
Sehnsucht nach
dem Tod
Nach der
halbjährigen Auszeit möchte Helga Küsener wieder arbeiten. «Der Arbeitsplatz an
sich hat mir immer unheimlich viel Spass gemacht.» Auch der finanzielle Druck
bringt sie zu dieser Entscheidung. Zunächst läuft es auch gut bei der Arbeit,
doch dann wird es wieder schlechter. «Ich habe gemerkt, dass ich meine gesamte
Kraft nur dafür sammle, um morgens zur Arbeit zu gehen. Wenn ich nachmittags
nach Hause kam, ging nichts mehr… Ich hatte kein eigenes Leben mehr.»
Wieder sinkt sie
in eine tiefe Depression. «Ich habe immer wieder mit Selbstmordgedanken
gekämpft. Mein Selbstwertgefühl sank auf Null. Ich war schon immer ein
gläubiger Mensch und wusste, dass Gott nicht will, dass man sich selbst
umbringt. Immer wieder betete ich: 'Gott, schick ein Auto, das mich überfährt' …
Mein grösster Wunsch war es, zu sterben, und ich habe diese Gedanken nicht
wegbekommen.»
Gebet ohne
Antwort
Sie weiss, dass Gott
sie aus der Depression heilen kann – aber er tut scheinbar nichts. «Ich habe
ganz viel gebetet, habe mit ihm geschimpft und gehadert.» Sie besucht
regelmässig eine christliche Therapiestätte in Augsburg. «Die Leiterin sagte
eines Tages zu mir: 'Stell dich auf die Bibel und fordere von Gott ein, was er
dir versprochen hat.' Und das habe ich gemacht. Ich habe mich wirklich auf eine
Bibel gestellt und gesagt: 'Papa, tu endlich was! Ich kann nicht mehr… Entweder
du kommst jetzt und hilfst mir, oder wir vergessen das Ganze!'»
Alles ändert sich
bei einer christlichen Wochenendfreizeit im Gespräch mit einer Seelsorgerin.
Sie hat schon unzählige Male zuvor mit Seelsorgern gebetet, doch dieses Mal
wird ihr geraten, auch mit Gestik alles Gott hinzuschmeissen. Gemeinsam werfen
sie Gott die Schuldgefühle und das permanent schlechte Gewissen gegenüber der
Tochter vor die Füsse. Und zum ersten Mal gibt Helga Küsener die komplette
Kontrolle ihres Lebens an Gott ab. Kurz darauf stellt sie fest: «Es ist weg! Da
war plötzlich Liebe…» Versuche der Tochter, sie auf die Palme zu bringen,
schlagen plötzlich nicht mehr an. «Ich konnte mit einem Mal Grenzen ziehen.» Und
sie hat zum ersten Mal warme Gefühle für die Tochter.
Vom Papa
geliebt
Eines Nachts
träumt sie, wie Gott sie in den Arm nimmt und ihr zuflüstert: «Du weisst gar
nicht, wie doll ich dich liebe…» Am nächsten Morgen ist sie nicht sicher, ob
das ein Traum oder Realität war. Doch sie empfindet mit einem Mal Liebe
gegenüber ihrer Tochter. «Gott hat mich so vollgepumpt mit Liebe, dass ich
wirklich am Überlaufen bin.» Ihre Freunde und Bekannte merken die Veränderung
sofort. Auch die Selbstmordgedanken sind weg, sie hat seit langer Zeit wieder
Lebensfreude. Noch nimmt Helga Küsener ein Mindestmass an Medikamenten und ist
weiterhin in Therapie, doch sie ist sich sicher, dass auch dies im Laufe der
Zeit nicht mehr nötig sein wird.
Wenn sie heute
etwas macht, das ihr Schuldgefühle bereitet, läuft sie sofort zu ihrem Vater im
Himmel. «Wie ein kleines Kind laufe ich zu meinem himmlischen Papa, habe das
Vertrauen, dass er mir hilft und dass er alles heil macht, wenn ich was kaputt
mache… Egal, was mit mir oder meinem Mann ist, ich weiss, dass Gott es richtig
macht!»
Der ehemalige BBC-Frühstücksmoderator Dan Walker hat kürzlich in einem Interview mit der britischen Zeitung «The Guardian» über die Bedeutung seines...