Gleichgewicht, Balance: ein grosses Wort und ein echter
Dauerbrenner! Da zerren von allen Seiten und meist zugleich verschiedene
Erwartungen an jedem von uns: die Firma auf der einen Seite,
Ehepartner, Kinder, Verwandte, Freunde, Hobbys und wichtige Engagements
auf der anderen Seite.
Ich sehe vor mir eine Balkenwaage, wie man sie in Apotheken benutzt
hat und heute dort noch hin und wieder als Dekoration entdeckt. In der
einen Schale befinden sich verschiedene Gewichte, in der anderen das
Wiegegut, zum Beispiel weisses Pulver oder Kräutertee. Vom Wiegegut wird
so lange hinzugegeben, bis die Waage im Gleichgewicht ist.
Wie kriege ich das auf die Reihe?
Der eine kommt sich vor wie eine ferngesteuerte Marionette mit
Dutzenden von Fäden, die in verschiedene Richtungen ziehen. Die andere
wie eine Superfrau ohne Superkraft. Ansprüche hier, Erwartungen dort; fremde
Pläne, eigene Pläne; ein gordischer Knoten; kein Lösungsweg – geschweige
denn eine Lösung. Warum kommen immer mehr Menschen mit ihrem Leben
immer weniger zurecht? Lebst du schon oder arbeitest du nur?
Zweifellos hat die Arbeitsbelastung, insbesondere bei
Führungskräften, in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen (die
Wissenschaft nennt dieses Phänomen «Arbeitsverdichtung»). Aber wie ich
damit umgehe, liegt in meiner persönlichen Verantwortung.
Schuften, bis der Arzt kommt
Der US-amerikanische Managerberater und Bestsellerautor Stephen Covey
bringt die Problematik pointiert mit einem Bild auf den Punkt: «Viele
Menschen stellen oft erst spät fest, dass sie leere Siege errungen
haben. Sie haben härter und härter für die nächste Sprosse der
Erfolgsleiter gearbeitet, um dann zu entdecken, dass die ganze Leiter an
die falsche Mauer gelehnt ist.»
Er betont mit diesem Bild, wie wichtig es ist, dass wir uns bewusst
mit unserer Zeit und den Zielen auseinandersetzen müssen («Wer nicht
selbst lebt, wird gelebt!») und stellt damit die wesentlichen und
wichtigen Dinge unseres Lebens in den Fokus.
Seit über zehn Jahren beschäftigt mich dieses Thema persönlich, und
zuerst kann ich Folgendes sagen: Ich sitze mit Ihnen im gleichen Boot,
was die Work-Life-Balance betrifft. Jeder in einer verantwortlichen
Position arbeitet heute mehr als 40 Stunden pro Woche!
Prioritäten setzen
Klaus Merg
Als Selbstständiger könnte ich «ständig» arbeiten. Aber seit einigen
Jahren – nicht zuletzt angeregt durch den oben zitierten Stephen Covey –
doch auch durch Begegnungen mit Managern in meiner Trainings- und
Caochingtätigkeit, habe ich Gott erlaubt, die Prioritäten in meinem
Leben neu zu ordnen. Und das nicht nur theoretisch, sondern praktisch.
(Für den praktischen Teil brauchte ich die Korrektur von mir lieben und
wichtigen Menschen wie meiner Frau und unseren beiden Söhnen.)
Hinweise zur Work-Life-Balance
Meine erste Entdeckung war: Gott gibt uns in seiner «Betriebsanleitung für unser Leben», der Bibel, sehr konkrete Hinweise
zur Work-Life-Balance.
Es beginnt mit dem Ruhetag (Abwesenheit von Arbeit zu
Erwerbszwecken). Wenn Gott nach seiner «Schöpfungsarbeit» am 7. Tag
ausgeruht und den Sabbat auch für uns gemacht hat, dann hat das
praktische Auswirkungen auf mein Leben: selbst auszuruhen, mich zu
regenerieren und beschenken zu lassen.
«Sorget euch nicht!» Diese klare Anweisung Jesu in der Bergpredigt
führte mich dazu, Gott für meine Versorgung mit allem Notwendigen zu
vertrauen. Das ist für einen Selbstständigen nicht immer leicht. Für
manche meiner Kollegen bedeutet es schlaflose Nächte. Gott sei Dank,
dass ich sehr gut schlafe, weil ich auf meinen Versorger bauen kann.
Mein Verhältnis zum Geld: Das Geld, das ich verdiene, gehört mir nicht.
Ich kann es nach meinem Tod nicht mitnehmen; also ist es mir nur für
eine kurze Zeit übertragen. Aber ich bin Verwalter dieses Geldes und
trage Verantwortung für die Verwendung. Diese biblische Sicht über die
Finanzen entspannt ungemein und weitet meinen Blick dafür, auch zu
geniessen.
Familie in (Freizeit-)Aktivitäten einbeziehen
Wie Jesus morgens in der Wüste als erstes die Kommunikation mit
seinem himmlischen Vater gesucht hat, verbringe ich täglich Zeit mit
Gott, um mich durch seine Führung auf die wesentlichen und wichtigen
Aufgaben und die wertvolle private Zeit zu konzentrieren. Wir haben uns
als Familie zum Ziel gesetzt, den grössten Teil unserer freien Zeit
gemeinsam zu verbringen. Dazu einige Beispiele:
Sportliche Aktivitäten wie Radfahren, Golf und Skilaufen gestalten wir zusammen.
Bei vielen meiner Vortragsreisen und Konferenzen (etwa 15 pro Jahr)
im In- und Ausland kommt meine Frau mit, manchmal auch die gesamte Familie.
Ich nehme mir in der Woche Zeit, um mit meiner Frau shoppen zu gehen oder einen freien Nachmittag zu geniessen.
Wir machen als Familie Kurzreisen (auch spontan), um neue Eindrücke zu bekommen.
Wir fahren einmal im Jahr (ohne die Kinder) zu einem «Ehe-Wochenende» in ein schönes Hotel.
Besuche bei oder von Freunden sind uns sehr wichtig und prägen den privaten Teil unseres Lebens.
Für mich war es im Rückblick immer wieder wichtig, ehrlich meine
Motive für die oft zu hohe Arbeitsbelastung zu analysieren und zu
hinterfragen. Work-Life-Balance ist eine ständige Herausforderung für
mein Leben und meine Planungen. Bisher kann ich nicht sagen, ich hätte
dieses Thema im Griff. Das Pendel der Waage schlägt immer mal mehr nach
der einen oder anderen Seite (meist zur «Work»-Seite) aus. Aber ich
lerne täglich dazu.
Der ehemalige BBC-Frühstücksmoderator Dan Walker hat kürzlich in einem Interview mit der britischen Zeitung «The Guardian» über die Bedeutung seines...